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Gegenvorschlag zu Volksinitiative
Bundesrat will eingreifen, wenn Medikamente fehlen

Eine Kundin spricht mit einer Mitarbeiterin an der Theke in der Amavita-Apotheke an der Bahnhofstrasse in Zürich, Januar 2020.
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In Kürze:
  • In der Schweiz gibt es fast wöchentlich Engpässe bei Arzneimitteln.
  • Der Bund soll eine Führungsrolle bei der Medikamentenversorgung übernehmen.
  • Der Bundesrat plant einen Gegenvorschlag zur Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit».

Fast wöchentlich kommt es in der Schweiz zu neuen Engpässen bei Arzneimitteln. Kritisch ist zurzeit etwa die Versorgung mit Morphin-Ampullen zur Linderung starker Schmerzen. Da Morphium zu den lebenswichtigen Medikamenten gehört, führt der Bund ein Pflichtlager, um einen Lieferengpass zu überbrücken. Häufiger sind hingegen Engpässe bei anderen, nicht als lebenswichtig eingestuften Arzneimitteln, wo ein Mangel ebenfalls gravierende Folgen für die Patientinnen und Patienten hat – es aber keine Notfallreserve des Bundes gibt.

Deshalb haben Ärzteschaft, Apotheken, Pharmaindustrie und Konsumentenschutz die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» eingereicht. Der Bund müsse bei der Medikamentenversorgung die Führungsrolle übernehmen, sagt Enea Martinelli, Mitglied des Initiativkomitees. Er ist Chefapotheker des Spitalverbundes des Berner Oberlandes und führt seit Jahren Buch über die Medikamentenengpässe in der Schweiz.

Mehrkosten von 20 Millionen für ein Medikament

Immer wieder gebe es Versorgungsprobleme bei Medikamenten, die essenziell zur Behandlung von chronisch Kranken seien, sagt Martinelli. Essenzielle Arzneimittel sind solche, bei denen sofort Folgen auftreten, wenn sie nicht mehr eingenommen werden. Das sind Präparate zur Behandlung von HIV-Infizierten oder bei Epilepsie, Parkinson und psychischen Störungen.

Essenziell ist auch Aldactone, ein Mittel gegen Herzinsuffizienz. Die Versorgung mit Aldactone ist zurzeit kritisch. In grösseren Ländern wie Deutschland kann auf mehrere Generika ausgewichen werden. Im relativ kleinen Markt der Schweiz werde aber nur das Originalpräparat vertrieben, sagt Martinelli. Wenn wie in diesem Fall der einzige Lieferant ein Problem habe, spürten es die Patientinnen und Patienten sehr rasch.

Chefapotheker Enea Martinelli fordert ein umfassendes Monitoring der Medikamentenversorgung durch den Bund.

Zurzeit müssten die Patienten auf Ersatzpräparate umsteigen, die nicht genau denselben Wirkstoff wie Aldactone hätten. Dies sei aus medizinischen Gründen nicht ideal. Zudem seien die Ersatzpräparate deutlich teurer. Die Behandlung mit Aldactone kostet 20 bis 40 Rappen pro Tag, das Ersatzpräparat Eplerenon einen Franken. Bei den rund 100’000 Patienten in der Schweiz entstehen Mehrkosten für die Grundversicherung von rund 20 Millionen Franken im Jahr.

Keine staatliche Pharmaproduktion

Auch der Bundesrat sorgt sich um die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und plant einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative. Diese sei zu wenig auf das wirkliche Problem fokussiert und habe Züge eines Pharmaförderartikels, sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider am Mittwoch. Engpässe würden vor allem bei der Versorgung mit günstigen Medikamenten auftreten, bei denen der Patentschutz abgelaufen sei. Dabei handelt es sich etwa um Schmerzmittel, Antibiotika oder Impfstoffe. Kaum Probleme gebe es hingegen bei den neueren patentgeschützten Präparaten, die für die Pharmafirmen lukrativ seien.

Der Bundesrat will wie die Initianten eine Kompetenz für den Bund, bei drohenden Engpässen einzugreifen. Heute sind die Kantone zuständig. Der Bund kann nur bei lebenswichtigen Medikamenten und bei Pandemien handeln. Künftig könnte der Bund etwa die Produktion eines Medikaments anordnen, sagt Baume-Schneider. Der Bund wird dabei aber kaum eine Produktionslinie kaufen, wie das während der Coronapandemie zur Impfstoffherstellung gefordert wurde. Vielmehr gehe es um Verträge mit Firmen zur Sicherung einer bestimmten Menge eines Medikaments.

Das Hauptanliegen der Initianten hat der Bundesrat mit der neuen Versorgungskompetenz aufgenommen. Martinelli fordert aber noch weitere Massnahmen auf Bundesebene. Dazu gehört eine nach Priorität abgestufte Liste. Darauf sind nicht nur die lebensnotwendigen, sondern auch die essenziellen und wichtigen Medikamente aufgeführt. Als wichtige Medikamente gelten zum Beispiel solche gegen Asthma.

«Solange die Schweiz erst beim Auftreten eines Engpasses entscheidet, dass ein bestimmtes Medikament wichtig ist, verbessert sich die Versorgungslage nicht», sagt Martinelli. Andere europäische Länder seien viel weiter, etwa Frankreich oder die Niederlande. Nötig sei ein umfassendes Monitoring der Medikamentenversorgung durch den Bund. Dieser müsse ein Konzept erstellen, wie Lieferengpässe verhindert und wie Spitäler, Ärzte und Apotheker in solchen Situationen unterstützt würden. Zudem müsse der Bund dafür besorgt sein, dass die wenigen Hersteller in der Schweiz erhalten blieben.