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Mysteriöser Tod des Radstars
Was passierte in Zimmer 5D? Pantanis Mutter sucht noch immer die Wahrheit

le cycliste Italien Marco Pantani regagne sa chambre d'hôtel, le 06 Juin 2001 à San Remo, après l'arrivée de la 17e étape du tour d'Italie San Remo-San Remo. Le Giro a assisté au nouveau recul de Marco Pantani, tout prêt de l'abandon. Le coureur a décidé de s'accorder un délai supplémentaire de quelques heures avant de prendre une décision définitive. AFP PHOTO PATRICK KOVARIK (Photo by PATRICK KOVARIK / AFP)
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Eines ist unbestritten in dieser Geschichte: Der Mann, um den es geht, ist tot. Gestorben heute vor 20 Jahren – am Vormittag zwischen 10 und 12 Uhr. Das weiss man so genau, weil dieser Tote zu den grössten Stars des italienischen Sports zählt: Radfahrer Marco Pantani, Sieger des Giro, Sieger der Tour de France, legendärer und bis heute unerreicht schneller Kletterer. Er wurde nur 34 Jahre alt.

The mother of Italian cyclist Marco Pantani, Tonina, pays her last respects 17 February 2004 to her son in a church in Cesenatico, on Italy's Adriatic Coast. The funeral of 34-year-old Pantani will be held in the San Giacomo Apostoli Roman Catholic church in the town in the cyclist's hometown, and Cesenatico Mayor Damiano Zoffoli has declared 18 February 2004 a day of mourning.  AFP PHOTO/Nico CASAMASSIMA (Photo by NICO CASAMASSIMA / AFP)

Tot aufgefunden wurde dieser Marco Pantani am Valentinstag im Zimmer Nummer 5D eines eher billigen Hotels in Rimini, in das er Tage zuvor eingecheckt hatte. Und obschon man über dieses grell ausgeleuchtete Leben so vieles weiss, ist bis heute das Wesentliche auch nebulös geblieben. Es ist der Kennedy-Fall des Sports.

Denn eine hat in all den Jahren die offizielle Version stets abgelehnt: Pantanis Mutter Tonina. Wo sie noch einverstanden ist: dass der Körper ihres Sohnes an den Folgen von zu viel Kokain und Antidepressiva kollabierte. Dem Verdikt aber, es sei wohl Suizid gewesen, hat sie nie zugestimmt. Sie vertritt eine ganz andere These, eine sehr viel sinistrere: Mord.

Das klingt erst einmal ziemlich weit hergeholt. Aber 2014 nahm die Staatsanwaltschaft von Rimini den Fall nach 2004 tatsächlich noch einmal auf – ohne die Mordthese ins Faktische überführen zu können. Und doch wurde die Causa Pantani ab 2021 abermals aufgerollt – auch nach Recherchen von Mafiajägern aus Neapel.

Der Check des Arztes: Alles normal

Zum Verständnis müssen wir kurz ins Jahr 1999 zurückkehren, an den frühen Morgen vor der zweitletzten Etappe des Giro. Pantani hat die Führung in der Gesamtwertung kurz zuvor dank eines heroischen Bergritts übernommen, steht damit kurz vor dem Triumph.

Italian police park in the early morning hours of 15 February 2004 outside "The Roses" hotel in Rimini where the body of former Italian champion cyclist winner Marco Pantani was found dead  at the age of 34 in his hotel room at the chic Italian seaside resort.  The cause of the Pantani's death was still unknown. Medication was found in the fifth floor room of  "The Roses" hotel but it was not immediately known if it had played any part in the death.    AFP PHOTO/Nico Casamassima (Photo by NICO CASAMASSIMA / AFP)

Dann muss er eine (von der Zeitung «Gazzetta dello Sport») angekündigte Dopingprobe abgeben. Der entscheidende Blutwert ist höher als erlaubt. Pantani wird zum eigenen Schutz wie damals üblich für zwei Wochen gesperrt und muss den Giro verlassen.

Am Abend zuvor hatte sein Teamarzt noch einen unbedenklichen Wert gemessen. Die Spekulationen reissen ab da nicht mehr ab – und gehen so weit, die Camorra habe die Kontrolle manipuliert, weil sie Millionen gegen einen Sieg von Pantani gewettet habe.

Die Detektive der Mutter

Darum kommen die Mafiajäger ins Spiel. Das Verfahren läuft bis heute, auch dank weiterer Informationen der Familie Pantani. Es steht aber kurz vor der Einstellung. Der Grund: Die Mordthese kann erneut nicht erhärtet werden.

Dass die Justiz immer wieder ermittelt, ist auch Mama Tonina zu verdanken. Denn nach dem Tod ihres Sohnes verkaufte sie ihren Kiosk, investierte in private Ermittler und Anwälte, stets mit dem Ziel, die Hintergründe aufzuklären und damit finale Antworten darauf zu finden, was an jenem Morgen im Februar 2004 abgelaufen war.

19 Jul 1997:   Marco Pantani of Italy and team Mercatone Uno in action during Stage 13 of the Tour de France between St Etienne and L''Alpe d''Huez. Pantani won the stage in a time of 5:02.42. \ Mandatory Credit: Mike Powell /Allsport

Ausgerechnet Mutter Tonina Pantani aber hält die Mafia-These für unrealistisch. Sie glaubt vielmehr, ihr Sohn habe derart viel über das Dopen im Radsport gewusst, dass er darum zum Schweigen gebracht worden sei. Nur: Wer ganz konkret daran ein Interesse hätte haben können – der Kreis war derart gross –, bleibt bis heute ihr Geheimnis.

Im Nachtest findet sich: Epo

Zu den Besonderheiten von Pantanis Leben zählt auch, dass er stets behauptete, nie gedopt zu haben. Richtig ist: Er wurde nie überführt. Doch die Indizienkette ist lang: Ausgerechnet er gewann die Skandal-Tour von 1998, in der mit Festina gleich ein ganzes Team wegen Dopings rausgenommen wurde (darunter die Schweizer Alex Zülle, Armin Meier und Laurent Dufaux).

Epo wies ihm (und vielen anderen) die Anti-Doping-Kommission des französischen Senats in Nachtests jener Tour von 1998 nach. Und zahlreiche medizinische Bulletins belegen, dass sein Hämatokritwert – dieser gibt das Verhältnis zwischen flüssigen und festen Bestandteilen im Blut an – über Jahre auffällig hoch war. Entweder war der Superathlet ein genetisches Wunder oder ein sehr viel irdischerer Doper.

Italy's Marco Pantani is surrounded by Carabinieri (Italian police) officers as he leaves his hotel in Madonna di Campiglio Saturday, June 5, 1999, after he was banned from the Tour of Italy cycling race after down tests showed unusually high levels of red cells in in his blood. Pantani had won two straight stages the previous days and had virtually clinched his second consecutive Tour of Italy victory with only two stages to go. High red blood cell count can be the sign of the use of EPO, a banned substance, but the high count can also occour naturally. (AP Photo/Armando Trovati)

Aber noch einmal zurück zu Mutter Tonina: Dass der geliebte Sohn und Star schlicht am Leben zerbrach, ist für sie keine Option. Diese Version geht so: Das Wegsperren vom Giro 1999 vor der italienischen Öffentlichkeit hat der oft fragile Pantani nie überwunden, weshalb er in Depressionen abglitt und sich mit harten Drogen zu betäuben versuchte. «Ich bin von Natur aus ziemlich verrückt, aber es ist diese Verrücktheit, die mich vor dem Untergang bewahrt», soll Pantani einst gesagt haben.

So viel ist zu diesem kurzen, verrückten Leben mittlerweile klar: Marco Pantani irrte.