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Meinung

Mamablog
Zwischen Sinnkrise und Capri-Sonne

Three people are sitting at a wooden table, eating a meal together. Boy in the foreground has a plate of food in front of them and is looking off to the side. The other two people are looking down at their plates, eating.
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«Warum sind wir eigentlich auf dieser Welt?», fragte kürzlich unser Jüngster, der Grübler, am Familientisch. Daraufhin die 16-jährige Teenietochter, scharfzüngig wie immer: «Also, du hustlest dich erst mal durch die Schule, machst einen Abschluss, quälst dich dann im Job ab, bekommst vielleicht Kinder, was dein Leben noch stressiger und sauteuer macht, und am Ende wirst du ins Altersheim abgeschoben, wo du komplett verblödest und stirbst.»

Momente der Stille

So viel zum Thema Sinn des Lebens. Und nein, in einem Haushalt mit drei Kindern sitzen wir nicht täglich zusammen und philosophieren über solche Fragen. In der Regel kreisen unsere Tischgespräche um eng gewordene Fussballschuhe, aufgeschobene Lego-«Star Wars»-Träume, Freunde, die ihre Lehre schmeissen, den neuen Spieler beim Stadtclub, der nichts taugt, oder Skateboardtricks, die endlich gestanden wurden.

Unsere Themenbandbreite ist bunt gemischt – das liegt auch daran, dass unser Jüngster 10 Jahre alt ist und der Älteste bereits 20. Zwischen Alltag und Kinderkram gibt es aber diese seltenen Momente, in denen ein Satz die Luft gefrieren lässt – wie neulich, als mir die Fajita fast im Hals stecken blieb, nachdem ich die Lebensphilosophie meiner 16-Jährigen gehört hatte.

Natürlich hielten wir dagegen. Der Vater – unser Familienoptimist, der das Glas mindestens immer halb, wenn nicht randvoll sieht, der auf die meisten Lebensfragen eine sofortige, positive Antwort parat hat – brauchte allerdings auch einen Moment, um sich zu sammeln. Dann sagte er etwas in der Art von: «Es geht nicht darum, ob das Leben an sich Sinn ergibt, sondern darum, dass das, was du tust, für dich persönlich Sinn macht.»

Realitätscheck

Die Kinder dachten darüber nach, schaufelten Guacamole und Mais auf ihre labbrigen Tortillas, bis der Älteste trocken nachsetzte: «Ähä, genau! Die meisten sind doch total überfordert und haben keinen Plan mehr, was überhaupt noch Sinn macht. Die Welt um uns herum fuckt ab – Klimakrise, rechtsradikale Idioten überall, Kriege ohne Ende. Was soll man da bitte noch ausrichten?»

Der Fajitaplausch von diesem Abend hallte noch eine ganze Weile in meinem Kopf nach. Auch wenn er sich schnell von einer düsteren Version der «Sternstunde Philosophie» in Alltagsbanalitäten eines Zehnjährigen verwandelte. Denn unser Jüngster war längst nicht mehr an der Antwort auf seine grosse Sinnfrage interessiert, sondern an den wirklich wichtigen Dingen im Leben: der Rückkehr der Capri-Sonne-Plastikröhrchen. Die Kartonröhrchen, so sein vernichtendes Urteil, seien unzumutbar – da sie sich «wie ein schleimiger Brei im Mund» auflösten.

Trotz dieser Abzweigung ins Reich der Getränketechnologie blieb bei mir aber eine Frage hängen: Haben wir unseren Kindern zu wenig vermittelt, wie selbstwirksam sie sind? Dass ihr Handeln einen Unterschied macht? Oder zweifle ich womöglich selbst daran, weil ich mir nicht immer sicher bin, ob das wirklich stimmt?

Klar, ich weiss, Zuversicht ist der einzige Weg. Denn was wäre die Alternative? Sich in einer nicht enden wollenden Panikattacke zu verlieren? In der Rolle eines handlungsunfähigen Opfers zu landen – oder schlimmer noch: zu einer Wutbürgerin zu mutieren?