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Meinung

Mamablog
Wie der Krieg mein Muttersein veränderte

one year old child taking first walk on carpet floor wearing onesie and blue wall near window
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Ursprünglich hätte dieser Beitrag einem anderen Thema gewidmet sein sollen, aber meine Finger auf der Tastatur scheinen andere Pläne zu haben. Mein Blick schweift aus dem Fenster, und ich werde von der brennend heissen Sonne über Raanana, einer kleinen Stadt in der Nähe von Tel Aviv, geblendet. Meine Augen wandern weiter zu meinem Sohn, der jauchzend seine ersten Schritte übt. Ich beobachte ihn und sehe plötzlich den kleinen Kfir vor mir – das Baby, das am 7. Oktober im Alter von wenigen Monaten von der Hamas in Geiselhaft genommen wurde. Dieser 7. Oktober markierte eine Zäsur für meine Mutterschaft. Beim Gedanken daran, dass mein Sohn an Kfirs Stelle hätte sein können, läuft es mir kalt den Rücken herunter.

Schmerzliche Relativierungen

Ein Pop-up, «3 Geiseln aus dem Gazastreifen befreit», erscheint auf meinem Bildschirm – mein Herz pocht: Ist es Kfir? Ich gebe meinem Kleinen die Brust und frage mich: Wer füttert Kfir? Wer wechselt seine Windeln? Sieht jemand seine ersten Schritte? Spricht jemand mit ihm? Ich öffne Instagram und sehe, dass meine Freunde zum Waffenstillstand aufrufen. Ich selbst poste mal wieder eine Story des kleinen Kfir, als Reminder, als Mahnmal. Dann kommt sie, die erste Nachricht auf meine Story: «Diese Entführung ist im Kontext von über 75 Jahren Unterdrückung geschehen. Das muss man halt schon sehen.» Mir wird übel. Leid kann koexistieren – es ist genug für alle da. Auch die Bilder palästinensischer Kinder im Gazastreifen lassen mein Herz schwer werden. Doch das ist nicht der Punkt. Es geht darum, dass Kfirs Schicksal legitimiert wird. Der Gedanke, dass so etwas gerechtfertigt wird, ist unvorstellbar. Das Leid auf beiden Seiten dieses Konflikts ist schrecklich. Punkt. Die gesellschaftspolitische Entwicklung, Gräueltaten zu relativieren und zu rechtfertigen, indem sie in historische Kontexte gestellt werden, überlagert unsere Empathie und macht mir Angst. Die Politisierung des Leids untergräbt die moralischen Grundlagen unserer Gesellschaft; die Rationalisierungen spiegeln eine Abkehr von der Menschlichkeit wider.

Menschlichkeit in der Dunkelheit

Seit Kfirs Entführung und dem Beginn des Krieges hat sich mein Leben als Mutter grundlegend verändert. Jedes Lächeln, jede neue Fähigkeit, die mein Sohn erlernt, wird von den Fragen überschattet, ob und wie Kfir diese Momente erlebt. Der 7. Oktober und die Zeit seither haben meine Wahrnehmung von Sicherheit und Schutz für meine Kinder tiefgreifend gewandelt – und sie haben eine Dankbarkeit in mir ausgelöst, meine beiden Kinder heute Abend in Sicherheit ins Bett bringen zu können. Ich versuche, die kleinen Momente mit ihnen mehr zu geniessen – auch für all diejenigen, die es nicht mehr können.

Auch in meinem alltäglichen Leben als Mutter jüdischer Kinder hat sich vieles verändert. Aus Angst vor möglichen Konflikten habe ich mich schon dabei ertappt, in Spielsälen und an anderen öffentlichen Orten zu behaupten, mein Sohn trage einen anderen Namen. Sein richtiger Name ist hebräisch, und angesichts der aktuellen Situation möchte ich keine Risiken eingehen. Es widerstrebt mir zutiefst – und macht mich sehr betroffen.

Die Fragen, die mich seit dem 7. Oktober begleiten, bleiben unbeantwortet. Doch vielleicht ist es gerade diese Unsicherheit, die uns daran erinnert, wie kostbar das Leben ist. Inmitten der Dunkelheit sehe ich kleine Lichtstrahlen der Hoffnung – in den Augen meiner Kinder und in den kleinen Gesten der Menschlichkeit.