MamablogLoslassen
Loslassen ist der schwierigste Teil des Elternseins. Es schmerzt, die eigenen Kinder eigene Erfahrungen machen zu lassen, auch wenn sie sie prägen.
Da stehe ich auf dem Spielplatz und beobachte meine dreijährige Tochter, wie sie sich zu den grösseren Mädchen gesellt, voller Neugier und Vertrauen in die Welt. Mit grossen Augen schaut sie auf die Sandburg, die sie gerade bauen – und kniet sich zu ihnen auf den Boden. «Gah weg, du bisch no z chli», höre ich die grossen Mädchen forsch sagen, bevor sie sich wieder ihrem Kunstwerk zuwenden. Der Moment läuft in Zeitlupe ab: Meine Tochter hält kurz inne, reibt nervös ihre kleinen Hände an der Jacke – vielleicht ein wenig enttäuscht, vielleicht auch nicht. Doch in mir breitet sich eine Welle an Emotionen aus, die ich nicht kontrollieren kann.
Alte Wunden, neue Herausforderungen
Es ist, als würde eine unsichtbare Hand die Wunde in mir aufreissen, die ich selbst als Kind gespürt habe. Diese Wunde, die mich lehrte, dass Ablehnung wehtut, aber auch formt. Doch statt sie für meine Tochter klaffen zu lassen, möchte ich sie für sie verschliessen, bevor sie überhaupt entsteht. Der Impuls, sie zu trösten, überfällt mich – obwohl sie kaum berührt scheint. Und ich weiss: Es ist nicht ihre Enttäuschung, sondern meine eigene.
Neulich sagte der Kinderarzt bei einem Routinebesuch etwas, das seitdem in mir nachhallt: «Sie sind nicht verantwortlich für das Glück Ihrer Kinder, nur dafür, dass sie die Voraussetzungen haben, glücklich zu werden.» Ich kann ihnen nicht jeden Schmerz ersparen, und ich sollte es auch nicht. Aber wie löse ich mich von diesem tiefen Wunsch, sie vor allem Negativen schützen zu wollen?
Kleine Stürme, grosse Lehren
Ich erinnere mich an einen Moment in meiner eigenen Kindheit. Ich war sieben, und es war mein erster Schultag. Meine Eltern hatten mich mit so viel Liebe vorbereitet, und ich trug mein lilafarbenes Lieblingskleid mit glitzernden Schmetterlingen. Stolz ging ich in die Klasse, mit meinem neuen Schulranzen bedruckt mit Feen zum Pult, auf dem mein Namenstäfeli stand. Ich fühlte mich wunderhübsch und war bereit, neue Freunde zu finden. Doch als es zur ersten Pause klingelte und ich mit meinen neuen Gschpänli auf den Pausenhof wollte, sagte ein Junge zu mir: «Du gsehsch us, als ghörsch du no in Chindsgi. Mega chli.» Der Stich der Einsamkeit durchfuhr mich, aber die Tränen schluckte ich runter. Plötzlich fühlte ich mich ganz klein in meinem Lieblingskleid, das eben noch so magisch gewesen war. In diesem Moment legte jemand eine warme Hand auf meine Schulter und fragte leise: «Wemmir zeme spiele?» Hätte mich jemand vor diesem Erlebnis bewahrt, hätte ich nicht erfahren, wie eine kleine Geste so viel Trost und Stärke spenden kann.
Und so stehe ich jetzt hier, auf diesem Spielplatz, und begreife, dass ich meinen Kindern diese Momente nicht nehmen darf. Sie müssen ihre eigenen Stürme überstehen. Ich werde da sein, wenn sie mich brauchen, aber ich muss ihnen den Raum geben, selbst mit Rückschlägen umzugehen und daran zu wachsen. Vielleicht ist das der schwierigste Teil des Elternseins: nicht ständig einzugreifen, sondern einfach da zu sein – ruhig und stark wie die Erde, auf der sie ihren Weg finden.
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