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Mängel auch acht Jahre nach Fukushima

Kritik wird laut: Das AKW Beznau im Kanton Aargau. (Archiv)
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Am 11. März wird sich die Atomkatastrophe von Fukushima zum achten Mal jähren. Der GAU in Japan hatte auch in der Schweiz Folgen – Folgen, die noch immer nicht bewältigt sind, wie Recherchen zeigen. Der Fall dreht sich um Beznau, mit Jahrgang 1969 eine der ältesten Atomanlagen der Welt. Betroffen ist ein sensibler Bereich.

Im Reaktordruckbehälter, dem Herzstück eines Atomkraftwerks, werden Brennelemente zur Energiegewinnung eingesetzt. Nach ihrem Einsatz bleiben sie sehr heiss und müssen deshalb über Jahre in einem Wasserbecken beim Atomkraftwerk gekühlt werden, dem sogenannten Brennelement-Lagerbecken. Dort produzieren sie Nachzerfallswärme – Wärme, die das Lagerbecken aufheizt.

«Unfähig und nicht willens»

Eine dauernde und zuverlässige Kühlung ist deshalb wichtig. Gezeigt hatte sich deren überragende Bedeutung beim Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi. Weil nach dem Seebeben und Tsunami die Kühlung versagte, schmolzen im Reaktordruckbehälter die Brennelemente, was 2011 zum GAU führte. Die Betreiber schafften es zwar, das Kühlbecken für die Brennelemente weiter zu kühlen und so das Ausmass der Katastrophe zu begrenzen; doch dieser Schritt gelang nur knapp, was die internationale Atomszene aufschreckte.

Video: Ensi-Direktor im Interview

(Hans Wanner: «Zentral ist die Sicherheit, nicht das Alter.» Video: SDA/6. März 2018)

Als Reaktion verfügte die Atomaufsichtsbehörde des Bundes (Ensi) im gleichen Jahr Nachrüstungen: Die Beckenkühlung in Beznau war nicht genügend vor Erdbeben und Überflutung geschützt, die entsprechenden Notfallmassnahmen unvollständig. Auch das Lagergebäude für die Brennelemente erwies sich punkto Erdbebensicherheit als verbesserungsdürftig. Ensi-Direktor Hans Wanner stellte klar, die AKW-Betreiber müssten ein Brennelement-Lagerbecken im Notfall kühlen können. Auf den Betreiber, den Stromkonzern Axpo, kamen Kosten von über 30 Millionen Franken zu.

Was nun folgte, ist für Florian Kasser, Atomexperte bei Greenpeace, ein Musterbeispiel dafür, wie das Ensi «unfähig und nicht willens» sei, seine Forderungen durchzusetzen – Vorwürfe, die die Axpo und das Ensi zurückweisen. Ein Axpo-Sprecher sagt: «Wir kennen das Ensi als Aufsichtsbehörde, die strenge Vorgaben macht.» Das Ensi verweist auf das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Verhältnismässigkeit. Bei seinen Entscheiden müsse es dieses Prinzip berücksichtigen. Ensi-Direktor Wanner hatte schon im März 2011 betont, die Betreiber hätten ein Anrecht auf eine «angemessene Frist», um die verschärften Auflagen zu erfüllen. Doch was heisst «angemessen»?

Die Axpo präsentierte noch 2011 ein Nachrüstungskonzept und schlug den Einbau eines neuen Kühlsystems im Brennelement-Lagerbecken bis 2014 vor. Zwei Jahre verstrichen, ehe der Stromkonzern 2013 das Vorhaben zum ersten Mal öffentlich ausschrieb. In der Folge brach er das Verfahren ab, nachdem im Laufe des Projekts «verschiedene Umsetzungskonzepte geprüft» worden waren. Erneut zwei Jahre später startete die Axpo eine modifizierte Ausschreibung. Im November 2015 schliesslich erhielt eine deutsche Firma den Zuschlag.

Lieferant geht Konkurs

Zwischenzeitlich hatte das Ensi eine Fristerstreckung bis 2017 gewährt – mit dem Etikett «letztmalig». Trotzdem sind heute von den verlangten fünf Nachrüstungspaketen nur vier umgesetzt. Dazu gehören die Nachrüstung zusätzlicher Wasser-Einspeiseleitungen und eine verbesserte Erdbebenfestigkeit des Lagerbecken-Gebäudes. Was weiterhin fehlt, ist ein zusätzliches Brennelement-Kühlwassersystem. Offenbar hat sich dessen Installation verzögert, weil der Lieferant Konkurs ging. Um wen es sich handelt, sagt die Axpo aus Datenschutzgründen nicht. Der Konzern versichert aber, das Sicherheitsniveau sei auch so schon hoch. Aktuell stünden vier Kühlsysteme für die Brennelement-Becken im Einsatz.

Das Ensi «bedauert» den Aufschub, bekräftigt aber wie die Axpo, auch ohne dieses fehlende fünfte Element der Nachrüstung sei ein «hoher Schutzgrad» gewährleistet, insbesondere bei Erdbeben und Überflutung. Im Gegensatz zur Kühlung der Brennelemente im Reaktor sei jene im Brennelement-Lagerbecken «nicht so zeitkritisch», da die abzuführende Wärmeenergie deutlich geringer sei. «Fällt die Wärmeabfuhr aus dem Brennelementlagerbecken aus, bleibt aufgrund der grossen Wassermenge viel Zeit, um Notfallmassnahmen umzusetzen.» Im Falle von Beznau seien dies mehr als drei Tage.

Unklarer Terminplan

Kritiker beruhigt das nicht. Das deutsche Öko-Institut bezeichnet das fehlende Element als «sicherheitstechnischen Nachteil» der Beznau-Anlage, wie aus seinem Gutachten im Auftrag des Bundeslands Baden-Württemberg hervorgeht. Kasser von Greenpeace kritisiert, das Ensi hätte jederzeit eine Verfügung mit einer klaren Frist herausgeben können: «Die Aufsicht hat das zwar kurz nach Fukushima gemacht, aber dann immer wieder Verzögerungen geduldet.» Die Erfahrung mit dem AKW Mühleberg habe gezeigt, dass in den letzten Betriebsjahren ein Betreiber erfolgreich Nachrüstungen aufschieben könne und sie am Schluss nicht respektive nur mit Abstrichen umsetze. Zur Einordnung: Die Axpo ist überzeugt, dass Beznau alle sicherheitstechnischen Anforderungen für eine 60-jährige Laufzeit erfülle, also bis gegen 2030.

Das fehlende Puzzleteil in Beznau soll nun 2021 vorliegen. Unklar bleibt, wie verbindlich der Termin ist. Die Axpo spricht von einem mit der Atomaufsicht «vereinbarten Terminplan». Das Ensi widerspricht: Die Axpo habe den Vorschlag erst eingereicht, das Ensi habe dazu noch nicht Stellung genommen. «Somit ist der Terminplan nicht mit der Behörde vereinbart.»