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Macron in der Schweiz
Der Fastmonarch kommt auf Staatsbesuch – einen kurzen, nüchternen Besuch

France's President Emmanuel Macron waits to welcome dignitaries arriving for the Paris Peace Forum, at the Elysee Presidential Palace, in Paris, on November 9, 2023. (Photo by Ludovic MARIN / AFP)
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Immer liegt alles Licht auf ihm: auf Monsieur le Président de la République. Man stellt sich das Leben eines französischen Präsidenten ein bisschen wie die Hölle vor. Ein Leben, das im Korsett einer Agenda voller Termine eingekapselt ist, von denen er selbst wohl jeweils erst ein paar Stunden vorher erfährt.

Am Mittwoch kommen Emmanuel Macron und seine Ehefrau Brigitte auf einen Staatsbesuch ins Nachbarland Schweiz. Einen Staat, in dem die Lichter auf vielen liegen statt auf einem Einzigen. Und wo selbst ein Bundespräsident privat im Zug durchs Land tuckern kann, ohne bestürmt oder belästigt zu werden.

Er wirkt langsam müde

Die Schweizer Ruhe und Gelassenheit würde dem französischen Präsidenten sicher guttun. Emmanuel Macron ist ja immer noch erst 45 Jahre alt, wirkt in seiner zweiten und letzten Amtszeit aber manchmal müde. Es passieren ihm auch kleine Fehler, die das Backoffice des Élysée dann hinterher, in Communiqués gepackt, korrigiert. Die Korrekturen beginnen in aller Regel mit der Formel: «Was der Président de la République eigentlich sagen wollte ...»

Neulich wieder, als er nach Israel reiste. Man müsse im Kampf gegen die Hamas nun so vorgehen wie damals gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, mit einer internationalen Koalition. Grosse Aufregung. Hat er das wirklich gesagt? Will er etwa Bodentruppen nach Gaza entsenden? Ein paar Stunden, dann korrigierte das Élysée. Der Präsident habe eigentlich sagen wollen, dass man international Informationen austauschen könnte, hiess es.

Swiss Federal President Alain Berset, right, talks to French President Emmanuel Macron, left, at the 73rd session of the General Assembly of the United Nations at United Nations Headquarters in New York, New York, USA, September 25, 2018. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

In der Schweiz drohen dem Président de la République weder Fallen noch nachträgliche Berichtigungen. Man tritt der Schweiz nicht zu nahe, wenn man sagt, dieser Termin in Macrons eng getakteter Agenda sei ein kleiner, kurzer. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich sind gut. Sie sind solid, stabil. Da ist selten Überschwang drin, fast kein Pathos. Macron wird sicher schön reden, voller Noblesse, das kann er gut. Aber eine Dringlichkeit? Gibt es nicht, und vielleicht ist gerade diese abgeklärte Normalität die grösste Sensation in diesen geopolitisch so bewegten Zeiten.

Die Neuigkeit, dass der Bundesrat mit der EU erneut über ein institutionelles Rahmenabkommen verhandeln will, hat man auch im Élysée zur Kenntnis genommen. Emmanuel Macron wird dem Bundesrat seine Unterstützung zusichern und gleichzeitig «Tempo, Tempo, Tempo» fordern, damit es mit den Verhandlungen vorwärtsgeht.

Offene Differenzen gibt es fast keine mehr. Der Verdruss der Franzosen darüber, dass die Schweiz den Amerikanern den F-35-Kampfjet abkauft und nicht ihren Rafale, ist verflogen. Andere europäische Staaten kaufen schliesslich auch lieber in den USA ein. Oder die Diskussionen über offene Fragen rund um das Homeoffice und die Besteuerung französischer Grenzgänger: Sie sind geregelt, zur Zufriedenheit beider Länder.

Macrons alter Traum: Er will die Fifa zurück nach Paris holen.

Auch im UNO-Sicherheitsrat arbeiten die Schweiz und Frankreich seit Anfang Jahr eng zusammen, ganz ohne Friktionen. Und im Élysée beobachtet man mit Genugtuung, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland übernommen hat.

Wollte man graben, fände man aber ein Dossier mit angeknickten Eselsohren, ein ganz frisches. Macrons Regierung hat vor ein paar Wochen beinahe heimlich eine kleine Änderung am französischen Budgetgesetz für 2024 angebracht, die, käme sie durchs Parlament, internationale Sportverbände mit hübschen Steuervorteilen nach Paris locken könnte – allen voran die Fifa. Es ist dies ein alter Traum Macrons: Er will die Fifa, die ja einst in Paris gegründet worden war und seit 1932 ihren Sitz in der Schweiz hat, zurück nach Paris holen.

Er soll sich erst kürzlich mit Gianni Infantino getroffen haben – «informell», wie die Zeitung «Les Echos» exklusiv berichtete. Der zentrale Lockruf geht so: Würde die Fifa ihren Sitz nach Paris verlegen, soll ihr internationales Personal nach der Entsendung für fünf Jahre keine Einkommenssteuern bezahlen müssen in Frankreich. Der Versuch eines unfreundlichen Take-overs? Vielleicht wird man in einer stillen Minute auch darüber reden.

Ohne Höhepunkt und Schwelgereien

Viel Zeit ist nicht, Macrons eng getaktetes Besuchsprogramm sind, sehr politisch: 24 Stunden nur. Da ist kein leicht erkennbarer, symbolisch ergiebiger Höhepunkt dabei, auch kein Vergnügen in einem Kunstmuseum oder Konzertsaal. Und der Deutschschweiz bleibt er fast ganz fern, abgesehen natürlich vom üblichen Zeremoniell in der Hauptstadt.

Emmanuel Macron und seine Ehefrau Brigitte landen am Mittwochnachmittag, 13.30 Uhr, in Bern-Belp, so das Wetter es zulässt: Wäre Sturm, müsste man auf einen anderen Flughafen ausweichen. Dass sie am Mittwochmittag anreisen, ist kein Zufall. Am Mittwochmorgen leitet Macron in Paris noch den Ministerrat, und die Schweizer Bundesräte sitzen für ihre eigene Wochensitzung beisammen.

Bundespräsident Alain Berset holt die Macrons auf dem Berner Rollfeld ab. Der Gesamtbundesrat samt Bundeskanzler und Armeedetachement erwarten die Gäste dann vor dem Bundeshaus. Es folgen die offiziellen Reden in der Wandelhalle des Parlaments, die Gespräche im Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartements, die Unterzeichnung von Abkommen und Vereinbarungen zum öffentlichen Verkehr und zum Studentenaustausch, eine Medienkonferenz im Medienzentrum und danach eine Begegnung mit den Auslandsfranzosen in der Schweiz.

Am Abend gibt der Bundesrat ein Galadinner zu Macrons Ehren, wieder im Bernerhof. So weit, so nüchtern. Die Franzosen sind mehr Glamour gewohnt. Im letzten September zum Beispiel empfingen die Macrons das englische Königspaar. Dafür richtete man das Schloss von Versailles her für das Diner im spektakulären Spiegelsaal von Louis XIV., dem Sonnenkönig, der seine Besucher in die Knie zwang.

French President Emmanuel Macron delivers a speech as he attends a ceremony at the Tomb of the Unknown Soldier at the Arc de Triomphe in Paris on November 11, 2023, as part of commemorations marking the 105th anniversary of the November 11, 1918 Armistice, ending World War I (WWI). (Photo by Ludovic MARIN / POOL / AFP)

Der Bernerhof also. Gut möglich, dass man über die Tische hinweg ein Urteil aus dem Pariser Kassationsgericht besprechen wird, das zufällig ausgerechnet an diesem Mittwoch gefällt werden soll – mit Schweizer Beteiligung: der UBS. Die oberste französische Gerichtsbarkeit wird entscheiden, ob der Rekurs der Schweizer Bank gegen ein Urteil aus einer unteren Instanz statthaft sei und sie womöglich von ihrer Geldbusse über 1,8 Milliarden Euro befreit wird.

Man erinnert sich: Die UBS soll jahrelang Mitarbeiter nach Frankreich geschickt haben, damit sie dort an Sport- und Kulturevents sehr reiche Kunden akquirierten, die ihr Geld dann in die Schweiz brachten, am französischen Fiskus vorbei. Illegal eben. Die 1,8 Milliarden sind ein Rabatt: In erster Instanz hatte die Justiz 4,8 Milliarden Euro gefordert. Doch der Vorwurf blieb stehen, es gab keinen Freispruch. Und nun? Stoff für etwas Small Talk, wenigstens.

French President Emmanuel Macron holds an umbrella as he walks with his wife Brigitte Macron, during the inauguration of the Cite internationale de la langue francaise, a cultural and living place dedicated to the French language and French-speaking cultures, at the castle of Villers-Cotterets, north-eastern France, on October 30, 2023. (Photo by CHRISTIAN HARTMANN / POOL / AFP)

Am zweiten Tag reist Frankreichs Staatspräsident dann westwärts, wieder seinem Land zu. Auf dem Campus der Universität Lausanne besucht er am Donnerstagmorgen die Fondation Jean Monnet pour l’Europe. Der Franzose Jean Monnet war der erste Präsident der Europäischen Gemeinschaft und erster Ehrenbürger Europas – und er liebte die Schweiz.

Der Franzose sorgte dafür, dass sein Archiv mit wichtigen Dokumenten zum Aufbau der EU und zu den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nach seinem Ableben in der Schweiz bleiben. Sie liegen heute in einem ehemaligen Bauernhaus auf dem Campus der Uni.

In einem Vorlesungssaal diskutieren Macron und Berset vor Studierenden über die EU und fahren anschliessend im Zug den Lac Léman entlang in Richtung Genf. Start-up-Unternehmer dürfen Macron während der Fahrt im Salonwagen ihre Erfindungen zeigen.

Nach einem kurzen Augenschein beim Forschungszentrum Cern, das unter Schweizer und französischem Boden Elektronen in einem kilometerlangen Tunnel im Kreis herumjagt, werden die Macrons auch schon wieder zum Flughafen Genf gefahren. Für den Heimflug.

Chirac und sein Privatbesuch

Vorbei sind die Zeiten, in denen französische Präsidenten nach einem Staatsbesuch gleich mehrere Tage und sogar noch privat in der Schweiz blieben.

Flavio Cotti beispielsweise brachte Jacques Chirac im Oktober 1998 ins Tessin und kutschierte ihn dort zu Land und zu Wasser herum. Doch Chirac wollte auch nach Genf. Also fuhr er im Anschluss an den Staatsbesuch privat nach Genf und liess sich von der dortigen Regierung mit einer Privatfeier verwöhnen.

In den letzten Jahrzehnten kamen französische Staatspräsidenten im Durchschnitt alle zehn Jahre in die Schweiz. Der Begründer der Besuchstradition war François Mitterrand. Er reiste im April 1983 auf Einladung von Bundespräsident Pierre Aubert mit mehreren Ministern nach Zürich und blieb gleich drei Tage lang in der Schweiz. Von Steuerflucht bis zu schikanösen Grenzkontrollen hatten Mitterrand und Aubert einiges zu besprechen.

Von Frankreichs Staatsoberhäuptern der letzten Jahrzehnte liess sich einzig Nicolas Sarkozy nie blicken, er war fünf Jahre im Amt. François Hollande, der ebenfalls nur ein Mandat lang regieren sollte, kam im April 2015 in die Schweiz und bereiste das Land vom Zürich- bis an den Genfersee. Macron liess sechs Jahre verstreichen, unterbeschäftigt war er nicht.