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Weissrusslands Nachbarn unter Druck
Lukaschenko testet die Grenzen aus

Er führe «einen hybriden Krieg» gegen Litauen, heisst es in Vilnius: Der umstrittene weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko. 
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Hunde schnüffeln, ein Helikopter kreist, eine Drohne fliegt, es ist ungewöhnlicher Betrieb im litauischen Dieveniskes. Meistens ist wenig los in dem Ort, die Bewohnerzahl ist dreistellig, es gibt eine Dorfkirche. Dieveniskes liegt an der Grenze zu Weissrussland, ist aber nur etwa 30 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt. Unlängst griffen litauische Grenzschützer hier bei einer Suchaktion in der Nacht 45 Menschen auf, 52 waren es an dem Tag insgesamt. Litauen schlägt Alarm.

Der EU-Staat wirft seinem Nachbarn Weissrussland und dessen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Migranten über die Grenze nach Litauen zu lassen. Letztes Jahr nahmen die litauischen Behörden 81 Menschen fest, die illegal aus Weissrussland einreisten. Allein in den ersten knapp sechs Monaten dieses Jahres sind es schon weit mehr als 400. Die meisten von ihnen kommen aus dem Irak, einige auch aus Syrien, Afghanistan, aus dem Iran und einige aus Weissrussland selber. Die litauische Regierung kündigte bereits an, die EU-Grenzschutzbehörde Frontex um Hilfe zu bitten. «Es ist offensichtlich, dass es einen hybriden Krieg gegen Litauen gibt und dass illegale Migration eines der Mittel ist», sagte Litauens Innenministerin Agne Bilotaite mit Blick auf das Regime in Minsk.

Das Zentrum des Widerstandes gegen Minsk

Litauen und Weissrussland haben eine fast 680 Kilometer lange gemeinsame Grenze, sie ist eine EU-Aussengrenze und sollte deshalb besonders gesichert sein. Etwa 40 Prozent des Abschnitts werden elektronisch überwacht, da bleibt noch ein guter Rest, an dem nun schnell aufgerüstet werden soll. Litauen plant eine komplette elektronische Grenzsicherung mit Kameras bis Ende kommenden Jahres. Sogar über den Bau eines Zauns wird in Vilnius gerade diskutiert. «Wir haben Informationen darüber, dass weissrussische Offizielle in den organisierten Transport von Menschen an die Grenze verwickelt sind», sagte Innenministerin Bilotaite.

Litauens Aussenminister Gabrielius Landsbergis will nun mit den Behörden im Irak und in der Türkei darüber reden, wie die Migrationskette durchbrochen werden könne. «Wir kennen die konkreten Flüge, mit denen die Menschen nach Minsk einreisen, und wir haben darum gebeten, die Kontrollen an ihren Flughäfen zu verschärfen», sagte Landsbergis. Er wolle auch aushandeln, dass aufgegriffene Migranten zurück in diese Staaten geschickt werden können.

Mehr als 400 Migranten nahmen sie dieses Jahr schon fest, im gesamten letzten Jahr waren es 81: Ein litauischer Grenzschützer am Übergang zu Weissrussland. 

Es gibt unter den 27 EU-Ländern vermutlich keines, das ein so schlechtes Verhältnis zum Lukaschenko-Staat hat wie Litauen. Schon 2005 zog die Europäische Humanistische Universität wegen des autoritären Kurses in Weissrussland von Minsk nach Vilnius um und bildet dort in freiheitlicher Umgebung akademischen Nachwuchs aus dem Nachbarland aus. In den vergangenen Jahren begann der Streit um das erste weissrussische Atomkraftwerk in Astrawez, das im vergangenen Jahr nahe der litauischen Grenze ans Netz ging.

Und vor allem: Seit fast einem Jahr sind viele Menschen vor den Repressionen in Weissrussland nach Litauen geflüchtet, das nun eine Art exiliertes Hauptquartier des politischen Widerstandes ist. Swetlana Tichanowskaja etwa versucht von Vilnius aus die Opposition gegen Lukaschenko zu organisieren. Innerhalb der EU ist Litauen einer der grössten Befürworter scharfer Sanktionen gegen Weissrussland.

Auch aus Weissrussland selbst werden weiterhin Menschen kommen: auf der Flucht vor ihrem Machthaber,

Die Zunahme der illegalen Migration an der weissrussisch-litauischen Grenze wird in der litauischen Regierung als «asymmetrische Antwort auf die EU-Sanktionen» gesehen, wie Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas erklärte. Lukaschenko soll nach Berichten litauischer und weissrussischer Medien Ende Mai Richtung EU gesagt haben: «Wir haben immer wieder Drogen und Migranten gestoppt – jetzt müsst ihr sie selber essen und selber schnappen.»

Im litauischen Pabrade, nordöstlich von Vilnius, ist jetzt ein provisorisches Lager aufgebaut worden für die Flüchtlinge, die überwiegend ohne Pass ins Land kamen und Asyl beantragten. Litauen weiss: Auch aus Weissrussland selbst werden weiterhin Menschen kommen: nicht auf der Flucht vor Krieg, sondern vor ihrem Machthaber.