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Luftangriffe auf die Ukraine
Wenn Russlands Terrorstrategie versagt

Cars burn after a Russian attack in Kyiv, Ukraine, Tuesday, Jan. 2, 2024. (AP Photo/Efrem Lukatsky)
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Russland überzieht die Ukraine auch im neuen Jahr mit Raketenterror. In der Nacht auf Dienstag heulten die Alarmsirenen fast überall im Land. Mindestens 4 Menschen wurden durch mehrere Wellen russischer Luftangriffe getötet. Etwa 90 seien verletzt worden, teilten ukrainische Behörden mit. Das Hauptziel der Angriffe war diesmal die Hauptstadt Kiew. Auch Charkiw im Osten wurde getroffen.

Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee insgesamt 99 Raketen und Marschflugkörper verschiedener Typen ein. Davon seien 70 Geschosse abgefangen worden, darunter alle 10 Hyperschallraketen des Typs Kinschal, teilte Armeechef Waleri Saluschni mit. Auch von den 35 Shahed-Kampfdrohnen iranischer Bauart sind nach ukrainischen Angaben alle abgeschossen worden. Das kann nicht unabhängig überprüft werden.

Raketentrümmer richten Schaden an

In Kiew kam es in acht der zehn Stadtbezirke zu Schäden und Bränden – vor allem durch herabstürzende Raketentrümmer. Einwohner berichteten von lauten Explosionen. In mehreren Stadtteilen gebe es Stromausfälle, schrieb Bürgermeister Witali Klitschko auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Es seien Anlagen der zivilen Infrastruktur getroffen worden; eine Gasleitung sei beschädigt. Auch Probleme mit der Wasserversorgung wurden gemeldet. In einem Hochhaus seien 13 Menschen verletzt worden, als eine Rakete einen Brand verursacht habe, schrieb Klitschko.

Russland hat in den vergangenen Nächten seine Bombardements deutlich verstärkt. In der Nacht zum vergangenen Freitag setzten die Invasoren eine bislang in diesem Krieg beispiellose Zahl an Raketen und Drohnen ein, insgesamt 150. Etwa 40 Menschen wurden dadurch getötet.

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zufolge hat Russland seit dem 31. Dezember etwa 170 iranische Shahed-Kampfdrohnen und Dutzende verschiedene Raketen auf die Ukraine abgefeuert. «Bereits den dritten Tag leisten unsere Luftverteidiger unglaubliche Arbeit», schrieb Selenski auf Telegram.

Nato-Jets in der Luft

Ein russisches Geschoss schlug nach Angaben ziviler russischer Behörden versehentlich in einem Dorf im Grenzgebiet Woronesch ein. Dadurch seien nach ersten Angaben sieben Gehöfte beschädigt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Alexander Gussew, am Dienstag auf Telegram. Verletzte gebe es nicht. Der Vorfall ereignete sich demnach in dem Dorf Petropawlowka etwa 140 Kilometer von ukrainisch beherrschtem Territorium entfernt. Gussew sprach vom «versehentlichen Abgang» des Geschosses. Angaben zum Waffentyp machte er nicht. In sozialen Medien kursierten nicht authentifizierte Videos, die angeblich schwere Zerstörungen an mehreren Häusern des Dorfes zeigten.

Im EU- und Nato-Mitgliedsland Polen werden die russischen Luftschläge genau beobachtet. Zwei Kampfjets vom Typ F-16 der polnischen und der amerikanischen Luftwaffe seien am Dienstag sicherheitshalber aufgestiegen, teilte ein Kommando der Streitkräfte mit. Erst am Freitag war nach Angaben des polnischen Generalstabs eine russische Rakete für drei Minuten in den polnischen Luftraum eingedrungen, bevor sie ihn in Richtung Ukraine wieder verliess.

Russland greift kritische Infrastruktur an

Das Ziel der massiven russischen Angriffe sind wie schon im vergangenen Winter Trafo- und Verteilerstationen, Umspann- und Wasserwerke und andere Teile der kritischen Infrastruktur der Ukraine. Vermehrt werden diesmal aber Wohngebiete in Städten beschossen. Die Luftschläge zielen auch auf die Moral und den Kampfeswillen der ukrainischen Bevölkerung, die Unterstützung für den Kampf gegen die Invasoren soll gebrochen werden.

KYIV, UKRAINE - JANUARY 2: (EDITOR'S NOTE: No new use of feed image after February 1, 2024. After that date, image will need to be licensed from the website.) Drone view of a damaged building in the center of Kyiv as Emergency services provide assistance to the victims and put out the fire on January 2, 2024 in Kyiv, Ukraine. The barrage comes as Russia started the new year with intensified aerial attacks across multiple cities. It also follows a Ukrainian attack on the Russian border city of Belgorod on Saturday, which reportedly killed at least 25 people and injured more than 100. (Photo by Kostiantyn Liberov/Libkos/Getty Images)

Eine kürzlich veröffentlichte Befragung zeigt aber, dass zumindest die russischen Angriffe zu Kriegsbeginn das Gegenteil bewirkt haben. Die Auswertung der Umfragen durch ein Wissenschaftlerteam um Henrikas Bartusevičius vom Friedensforschungsinstitut Oslo und Florian van Leeuwen von der Universität Tilburg in den Niederlanden ergab, dass Moskaus Rechnung zumindest bis dahin nicht aufgegangen war.

Widerstand gestärkt, aber erschöpft

Denn Ukrainer, die stärker von russischer Gewalt betroffen waren, waren laut der Untersuchung sogar eher bereit, Widerstand gegen die Angreifer zu leisten, insbesondere, sich an militärischen Kämpfen in Verteidigungspositionen zu beteiligen. Den Autoren zufolge ist die russische Strategie, Zivilisten ins Visier zu nehmen, also nicht nur kostspielig und nach humanitärem Völkerrecht verboten, es ist auch unwahrscheinlich, dass sie zur gewünschten Erosion des ukrainischen Widerstands führt. Den Autoren zufolge dürfte der Terror gegen Zivilisten den ukrainischen Widerstand sogar stärken. 

Nach der gescheiterten Gegenoffensive im vergangenen Sommer befindet sich die Ukraine derzeit allerdings in einer militärisch schwierigen Lage, ihre Truppen haben sich entlang der gesamten Front in die Defensive zurückgezogen. Auch die Stimmung im Land hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Viele Menschen und insbesondere viele Soldaten sind nach fast 700 Tagen Krieg erschöpft.