Besondere Lokalitäten in EuropaVon Bar zu Bar durch Europa? Cheers!
Es gibt Lokale, die so besonders sind, dass sie als Reiseziele durchgehen. Eine Auswahl mit Stopps in Mailand, Berlin, Kopenhagen, Zürich oder Zuoz.

Mag es draussen auch kalt und dunkel sein: Sobald man eine gute Bar mit gedämpftem Licht und bequemen Sesseln betritt, ist die Welt schon wieder ein bisschen in Ordnung. Noch mehr, wenn man dann auch noch an einen Barkeeper gerät, der nicht nur sein Handwerk meisterhaft versteht, sondern auch mit Begeisterung erklärt, wie er Aromen aus Steinpilzen, Muskatellersalbei und sogar Käsekuchen extrahiert, um sie mit hochwertigen Schnäpsen zu besonderen Cocktails zu mischen.
Bar, Mensch und Drink ergeben dann ein rundes Gesamterlebnis, das seinen Preis wert ist. Cheers!
Kopenhagen: Curfew

Nach einer Cocktailbar sieht es nicht aus, was hinter dem Schaufenster im Zentrum von Kopenhagen zu erspähen ist: Regale mit alten Wälzern, ein Schreibtisch, eine Schreibmaschine. Aussen an der Wand hängt ein altertümliches Telefon. «Please ring the bell», steht auf einem Schild.
Das Curfew spielt mit der Tradition der Speakeasy-Bars. Als in den USA in den Zwanziger- und Dreissigerjahren Alkohol verboten war, entstanden gut getarnt in Hinterzimmern die «Flüsterkneipen», über deren Existenz man sich hinter vorgehaltener Hand austauschte und in denen nur leise gefeiert werden durfte. Und so öffnet sich auch im Curfew auf Knopfdruck eine versteckte Tür in der Bücherwand und gibt den Weg frei an die lange Bar mit knallroten Vintage-Barhockern. Dazu ein paar Tische und Sitzecken mit Sofa, aus den Lautsprechern ertönt Swing.
Inhaber Humberto Marques stammt aus Portugal, hat erfolgreich an diversen Barkeeper-Wettbewerben teilgenommen und ist leidenschaftlicher Sammler historischer Cocktail-Utensilien, die in einer Vitrine ausgestellt sind. Von viel Liebe zum Detail zeugt auch die Vielfalt an Gläsern, von der Porzellan-Teetasse mit Glasstiel bis zum Erlenmeyer-Kolben, aus dem weisser Rauch aufsteigt, als komme er geradewegs aus dem Chemielabor.
Bester Platz: Vor einem der beiden «Coles Shaker»: Die mehr als 100 Jahre alten Schüttelmaschinen mit Handkurbel waren gedacht für Milchshakes, hier kommt aber schon ein bisschen Alkohol in die zwei Glasbecher, zum Beispiel Gin, Zitronensaft, Rahm und Eiweiss für einen Ramos Gin Fizz – nicht gerührt, nicht geschüttelt, sondern gekurbelt.
Bester Drink: Ein Evergreen ist der Curfew Punch (165 DKK, etwa 21 Franken) in der silbernen Tasse, frisch und fruchtig, aus Rum, Pfirsich-Cognac, Orange-Curaçao, Passionsfrucht- und Limettensaft sowie einem Schuss Sirup aus Zitronengrastee.
Eva Dignös
Infos: curfew.dk
London: The Connaught Bar

Die Connaught Bar im gleichnamigen Hotel in Mayfair ist eine von vier Londoner Bars, die 2024 in die Liste der weltweiten 50 besten gewählt wurden, nur New York hat ebenso viele. Bei all den italienischen Mitarbeitern hier könnte man aber fast vergessen, dass man sich in England befindet. Erst der typisch britische Luftzug an den krokodilledernen Sesseln gleich am Eingang erinnert sanft an hiesige Verhältnisse. Vielleicht sind es aber auch die Kellner, die mit ihren Martini-Servierwagen durch das silber-grün-graue Art-déco-Interieur steuernd für die Brise sorgen.
Viel besser als die Musik (ein uninspirierter «I Need a Dollar»-Remix) und ein wenig günstiger als die edelste Magnum-Flasche Champagner (9000 Pfund, etwa 10’200 Franken) ist die Bloody Mary (25 Pfund, etwa 28 Franken), bei der der Sellerie geschäumt auf dem Cocktail schwimmt. Das goutiert die Frau am Nebentisch, die viel unterwegs ist in den Hotelbars dieser Welt und überall nur diesen Drink bestellt, um vergleichen zu können, mit «very nice».
Auch am Service hat die Litauerin nichts zu beanstanden, was etwas heissen mag, sie ist schliesslich Etikette-Trainern. Zu den anderen Gästen der Bar zählten unter anderem Victoria Beckham und der Hollywood-Schauspieler John Cena, erinnert sich der Kellner. Was sie bestellt haben, bleibt aber sein Geheimnis, im Gegensatz zu den Rezepten der getrunkenen Cocktails, die der Gast mit der Rechnung mitbekommt. Grazie.
Bester Platz: Nicht am Eingang. Wer dort hingesetzt wird und dann nach einem Tisch näher am Geschehen fragt, muss sich darauf einstellen, höflich an eine Platznot an der Bar erinnert zu werden, die man selbst beim besten Willen nicht zu erkennen vermag.
Bester Drink: Der Connaught Martini wird an den Tischen zubereitet. Die Gäste wählen dabei aus verschiedenen Aromen aus, etwa Tonkabohne, Lavendel oder Bergamotte-Ginseng, die der Kellner mit einer Pipette auf ein Papier träufelt, zum Schnuppertest, bevor der Drink damit gemixt wird. Die Nase trinkt mit.
Martin Wittmann
Infos: the-connaught.co.uk
Berlin: The Velvet Bar
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Das muss Liebe sein! Der breitschultrige Nachbar am Tresen steckt fast die ganze Nase in sein Glas und zieht mit geschlossenen Augen Luft ein: «Aaaah. Dieses Lavendel-Aroma!» Er sei Winzer aus Süddeutschland. Da habe er natürlich mal auf einen Drink hier vorbeischauen müssen – in der besten Bar Deutschlands!
Tatsächlich ist die kleine, samtig eingerichtete Kneipe die derzeit höchstbewertete Bar im Gastro-Magazin «Falstaff», und zwar in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und wenn sich selbst gestandene Landwirte hier vor Genuss fast vergessen, geht das Konzept offenbar auf. Es heisst «Farm to Shaker», was konkret bedeutet: Sämtliche Drinks auf der wöchentlich wechselnden, «hypersaisonalen» Karte entstehen mit Zutaten, die es in der Region um Berlin gerade so gibt.
Jeden Dienstag, am einzigen Ruhetag, kommt die Crew zum «Labortag» zusammen und entwickelt komplett neue Drinks aus dem, was sie in den Tagen zuvor gesammelt, geerntet oder von Bauern geliefert bekommen hat. Hinter der Bar reihen sich die Destillate in handbeschrifteten Flaschen auf wie in einer altertümlichen Apotheke: Lavendel, Lorbeerblatt, Liebstöckel, Muskatellersalbei … Hach, man müsste jede Woche kommen, um nichts zu verpassen!
Bester Platz: An der Bar. Damit man lauschen kann, wie der Bartender die chemischen Prozesse erklärt, mit denen er Feigenblättertinktur oder Randenlikör herstellt.
Bester Drink: Der Habanero, ein Cocktail auf Tequila-Basis mit dem Aroma von Chilischoten aus Brandenburg (aber wie durch ein Wunder ganz ohne die Schärfe).
Jan Stremmel
Infos: www.velvet-bar-berlin.de/
Köln: Seiberts

Das wichtigste Wort in Volker Seiberts Bar-Vokabular ist nicht «cheers», es lautet «hausgemacht». Jeden Tag spätestens um neun Uhr beginnt der Arbeitstag des Inhabers des Seiberts in einer Seitenstrasse in der Kölner Innenstadt. Der Friesenwall ist eine intime Strasse, und intim ist auch die Classic Bar, still beleuchtet, Murmelgespräche, klassisch diskret mit Klingel am Eingang. In diesem Jahr ist das Seiberts mit zwei anderen Bars vom «Falstaff Barguide» zur besten Bar in Deutschland, Österreich und der Schweiz gekürt worden, Volker Seibert zum Gastgeber des Jahres.
Was diese Auszeichnungen mit einem Arbeitsbeginn um neun Uhr morgens zu tun haben? Alle 120 Zutaten für die Cocktails stellen Volker Seibert und sein Team mit Rotationsverdampfern, Schockfrostern, Eismaschinen selbst her. 90 Prozent der Cocktails auf der spektakulär vielseitigen Karte sind eigene Kreationen, so wie der «König Harry von La Kritza» mit Lakritzessenz oder «Waldbeeren Old Fashioned» mit hausgemachtem Walderdbeeren-Rum. Sogar Käsekuchen hat Seibert schon verflüssigt. Seine grösste Bartender-Liebe aber gilt dem Klassiker Negroni, den er in zahlreichen Varianten anbietet. Reservierungen nimmt Seibert nicht an, er möchte keinen Gast zum Gehen auffordern, weil die Reservierung eintrifft. Immer getreu seinem Motto: «Ich habe Lust auf die Gäste.»
Bester Platz: Es gibt einen kuschelig-stilvollen Innenraum und eine efeubewachsene Terrasse, die auch im milden Rheinland-Winter geöffnet ist. Den schönsten Blick auf die Bar aus New Yorker Kirchenbänken, die Seibert bauen liess, bietet ein kleiner Tisch im Eck. Intim wie das Seiberts selbst.
Bester Drink: Bei so vielen Kreationen empfiehlt es sich, auf einen Klassiker zu verweisen, der auch Seiberts Lieblingsdrink ist: Der Vintage Negroni 1970 wird mit einem Original-Campari aus dem Jahr 1970 zubereitet. Das Geschmackserlebnis ist 25 Euro wert.
Harald Hordych
Infos: seiberts-bar.com
Zürich: Widder Bar

Schon die Lämpchen in Form von Martini-Gläsern künden vom trinkfreudigen Ort. Ihr Lichtstrahl trifft auf Spiegel in der mittelalterlich bemalten Holzdecke. Deren Reflexion beleuchtet wiederum das acht Meter lange Barregal. Rund 1300 unterschiedliche Flaschen beherbergt diese Library of Spirits, darunter fast 700 Whisk(e)ys. Viele davon sind – wie in einer echten Bibliothek – nur über ein verschiebbares Leitersystem erreichbar. Tilla Theus, die Schweizer Grande Dame der Architektur, hat sich das Interieur einfallen lassen – und ist überhaupt dafür verantwortlich, dass 1995 aus neun mittelalterlichen Gebäuden das Zürcher Widder Hotel entstand.
Die elegante Bar mit rotem Leder und edlem Holz gab es schon vor dem Hotel, sie wurde bei den «Tales of Cocktail» – der höchsten Auszeichnung der Branche – unter die zehn besten Hotelbars Europas gewählt. Früher spielten hier Jazzgrössen, heute gibt es einen Pianospieler. Der älteste Stützpfeiler der Widder Bar ist übrigens auf das Jahr 1291 datiert – just das Entstehungsjahr der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Bester Platz: Vom Tresenende aus, das sich schneckenförmig zum Widderhorn einrollt, sieht man alles: Barchef Wolfgang Mayer, die Warteschlange mit illustren Gästen und den Treppenaufgang zum 2-Stern-Restaurant über der Bar.
Bester Drink: Mit Banking on Cheese (22 Franken) ordert man gleich zwei Schweiz-Klischees in verflüssigter Form. Hierfür trifft Wodka im Rotationsverdampfer auf Grana Padano. Wermuth, Pfeffertinktur und Salzlösung kommen später dazu. Eine eingelegte Tomate rundet diesen Drink ab, der, hui, so stark ist wie … die Finanzkraft der Eidgenossen.
Evelyn Pschak von Rebay
Infos: widderhotel.com
Wien: Barfly’s Club
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Diese Bar in der Esterházygasse im 6. Wiener Bezirk hat ein zweites Leben: als Frühstückscafé des Hotels Josefine, in dessen Souterrain der eigenständige Barfly’s Club liegt. Und das muss man erst einmal mit Würde hinkriegen – so einladend zu sein, dass man an ein und demselben Ort seinen Tag sowohl beginnen als auch beenden möchte. Um Kipferl und Verlängerte soll es hier aber nicht gehen, auch wenn sie mit dem plüschigen Ambiente dieser beiden Räume sehr gut harmonieren. Zu seiner wahren Bestimmung findet der Ort dann doch in den Abend- und Nachtstunden. 450 Drinks hat das Barfly’s auf der Karte, jeder Kontinent ist vertreten.
«Am liebsten würden wir aus jedem Land einen Drink anbieten», sagt die Barkeeperin Melanie Castillo, «aber das klappt leider nicht.» Nicht überall auf der Welt gibt es Drinks, zumal gute. Hinzu kommen etwa 1200 Whisky-Sorten, die grösste Sammlung der Stadt. Rare Abfüllungen werden nur flaschenweise verkauft. Man muss eine solche Flasche allerdings nicht an einem Abend leeren, Castillo und ihr Team verwahren sie von Besuch zu Besuch, bis der Inhalt tatsächlich zur Neige geht.
Bester Platz: Je nach Stimmung gibt es zwei Alternativen: Am Tresen sollte man am besten am Ende sitzen. So hat man die flinken Mixerinnen und Mixer und zugleich die Gäste im Blick. Wer nicht mehr braucht als sich und seine Begleiter, ist bestens in den extrem bequemen, im Halbdunkel platzierten Sitzmöbeln aufgehoben.
Bester Drink: Wer es süss, klebrig und bunt mag, für den ist das Barfly’s eher nicht der richtige Ort. Hier trinkt man ernsthafte Dinge wie einen rauchig-herben Penicillin (15 Euro) aus zweierlei Whisky – einem Blended Scotch und einem Laphroaig 10 years –, dazu Zitronensaft, Ingwer und, ja, ein klein bisschen Honig.
Stefan Fischer
Infos: barflys.at
Zuoz: Rote Bar im Hotel Castell

Wer ins Engadiner Hotel Castell fährt, kommt vermutlich nicht nur der schönen Aussicht wegen, sondern auch für die zeitgenössische Kunstsammlung, die Hotelbesitzer Ruedi Bechtler in dem trutzigen Jahrhundertwendebau ausstellt. Einige Auftragsarbeiten entstanden sogar in situ zum Gastgebrauch – etwa das Felsenbad des japanischen Bildhauers Tadashi Kawamata oder der himmelwärts weisende Skyspace von Land-Art-Künstler James Turrell. Und eben die Rote Bar, für die die Architektin Gabrielle Hächler mit der Multimediakünstlerin Pipilotti Rist zusammenwirkte. Ins Flaschengestell der Bar wurden Videoinstallationen der Schweizer Künstlerin integriert.
Diese ganz in Rot gehaltene Bar solle ein Ort sein, der «die Wirkung des Alkohols» visualisiere, nämlich «die Entkrampfung des Körpers und die Entspannung der Seele», sagt Hächler. Ein fugenlos geschwungener Corian-Tresen zeichnet ein Fragezeichen in den Raum. In dessen runder Mitte steht Barchef Moritz Wermers und freut sich, in einem Kunstwerk zu arbeiten: «Im Grunde konnten wir uns die Bar pragmatisch einrichten.» Nur für die Eismaschine sei kein Platz gewesen, so der gebürtige Berliner: «Die steht im Backoffice. In stressigen Zeiten arbeiten wir daher mit Eisboxen.»
Bester Platz: Am Rund des Fragezeichens.
Bester Drink: Die Cocktailkarte wechselt, derzeit ist der schaumgekrönte Dessert-Cocktail «Zuoz by Night» Favorit: Mit Tonkabohne aromatisierter Rum und Cointreau treffen auf hausgemachten Schokoladensirup, Orangenbitter, Eiweiss – und eine Handvoll salziges Popcorn.
Evelyn Pschak von Rebay
Infos: castellzuoz.com/rote-bar
Mailand: Bar Basso

Manchmal, wenn man sich nicht bemerkbar macht, kann es passieren, dass der Kelch an einem vorübergeht in der Bar Basso. In grossen Glasgefässen, mit grossen Eiswürfeln, werden die Negronis durch die enge Bar getragen, dahinter übersehen die Kellner schon einmal die winkende Kundschaft. Am besten ist, man begibt sich für die Bestellung an den Tresen, hinter dem sich seit 1947 Historisches ereignet.
Als Erfinder des Aperitifs rühmt sich die Bar Basso, die ein wenig abseits vom grossen Mailänder Trubel liegt.
Man findet sie nicht im berühmten Quadrilatero della Moda bei Prada und Gucci und auch nicht im schicken Brera, sondern in Porta Venezia, unweit der Studentenstadt, an einer grossen Allee. Das sorgt für eine angenehme Mischung und ein eher junges Publikum, das gute Cocktails zu schätzen weiss. Im Sommer kann man auch an Montagen bis zwei Uhr nachts draussen auf den silbernen Stühlen sitzen, im Winter bekommt man um Mitternacht auf Wunsch immer noch einen Toast serviert zum Digestif.
Kenner kommen am späten Nachmittag, bevor all die kleinen Sandwiches vergriffen sind, die von eminenter Wichtigkeit sind: Wer sich an die grossen Negronis heranwagt, sollte Vorkehrungen treffen, insbesondere, wenn man die Spezialerfindung probieren möchte. Der Negroni Sbagliato, mit Prosecco statt Gin, wurde vor einigen Jahren zum Internet-Trend. Erfunden hat ihn der legendärste aller Barkeeper in der Bar Basso, Mirko Stocchetto, bereits im Jahr 1972.
Bester Platz: Im Sommer draussen, eher am Rand, an einer der Seitenstrassen. Im Winter stehend an der Bar, inmitten der Leute; wer einen Sitzplatz erwischt, sollte Lotto spielen.
Bester Drink: Der Negroni (Sbagliato), zu gleichen Teilen aus Campari, rotem Wermuth und Gin (Prosecco) gemischt, serviert in einem überdimensionierten Glas mit viel Eis, ist der Klassiker. Als leichte Alternative bietet sich der Rossini an.
Felix Haselsteiner
Infos: barbasso.com
Venedig: Harry’s Bar

Den besten Ratschlag, den man jemandem nach Venedig mitgeben kann: Nichts muss. Niemand muss sich auf den Markusplatz quälen, wenn der aus allen Nähten platzt; auch ein Foto von der Rialto-Brücke ist verzichtbar. Das Gedränge ist an den meisten Tagen im Jahr einfach witzlos. Dafür ist die Stadt an jeder anderen Ecke genauso wunderbar und oft nicht so voll. Muss nicht – das gilt auch für die berühmteste Bar der Stadt. Überteuerte Drinks, unfreundliche Kellner, immer knallvoll, Touristenfalle, so der Kanon enttäuschter Besucher von Harry’s Bar.
Ein Besuch in der Calle Vallaresso, direkt am Canal Grande, ums Eck vom Markusplatz, einen Hopser von der Vaporetto-Station entfernt, lohnt sich dennoch. Wer einen Platz ergattert hat in dem kleinen Raum, was mindestens eine Reservierung oder maximal viel Glück voraussetzt, sollte sich vor dem inneren Auge folgendes Personal an den Tischen rundherum vorstellen: Katherine Hepburn, Ernest Hemingway, Peggy Guggenheim, Truman Capote, Martin Scorsese, Woody Allen und Lauren Bacall. Sie waren alle da, wenn natürlich auch nicht an einem Abend.
Diesen Charme längst vergangener Zeiten hat sich die 1931 gegründete Bar, liebevoll «la stanza», das Zimmer, genannt, bewahren können, trotz Overtourism. Was auch an der zeitlos eleganten Einrichtung liegt und den Kellnern in weissen Servicejacken. Zweitbester Ratschlag also: Augen zu und von dieser irren Gesellschaft träumen.
Bester Platz: Bei Harry’s sitzt man idealerweise an einem Tisch in der Ecke, mit Blick auf die Schwingtüren und das Geschehen in dem Raum, in dem einst Tauwerk gelagert wurde.
Bester Drink: Etwas anderes als den Bellini, der hier 1948 von Giuseppe Cipriani angeblich erfunden wurde, traut man sich an dieser Stelle nicht zu nennen. Die meisten Besucher kommen genau wegen der Mischung aus Prosecco, Pfirsichsaft und -mark (22 Euro), serviert in einem hohen Wasserglas. Psst, nur Mut zu einer weniger süssen Alternative! Hauptsache, man hat genug Geld dabei.
Julia Rothhaas
Infos: cipriani.com/harrys-bar
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