Regierungskrise in GrossbritannienLiz Truss tritt zurück
Die britische Premierministerin wirft nach sechs Wochen das Handtuch. Die Nachfolge soll Ende Oktober im Amt sein. Berichten zufolge plant Ex-Premier Boris Johnson eine Kandidatur.
Die britische Premierministerin Liz Truss will ihren Posten abgeben. Das sagte die konservative Politikerin am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Londoner Downing Street nach nur sechs Wochen im Amt.
«Ich habe mit dem König gesprochen, um ihm mitzuteilen, dass ich als Chefin der Konservativen Partei zurücktrete», sagte Truss. Als Premierministerin will sie noch im Amt bleiben, bis eine Nachfolge gefunden ist. Dieser Prozess solle bereits innerhalb der kommenden Woche ablaufen, so die scheidende Regierungschefin.
Die 47-jährige Nachfolgerin des skandalgeplagten Ex-Premier Boris Johnson war enorm unter Druck geraten, nachdem ihre Wirtschaftspolitik binnen weniger Tage ein beispielloses Chaos an den Finanzmärkten angerichtet hatte. Truss musste eine politische 180-Grad-Wende hinlegen und verlor innerhalb einer Woche zwei ihrer wichtigsten Minister, Kwasi Kwarteng als Finanzminister und Suella Braverman als Innenministerin.

Rund 24 Stunden vor ihrem Rücktritt hatte sie noch im britischen Unterhaus beteuert, nicht aufgeben zu wollen und «eine Kämpferin» zu sein. Nun wies sie zwar auf die schwierigen ökonomischen Zeiten und die politische Instabilität auf dem ganzen Kontinent hin, räumte aber auch ein, unter den aktuellen Bedingungen ihre Vision des radikalen Wirtschaftswachstums nicht mehr umsetzen zu können.
Komitee: Neuer britischer Premier soll am 31. Oktober im Amt sein
Die konservative Tory-Fraktion will bis zum 31. Oktober einen neuen britischen Premierminister oder eine Premierministerin ins Amt heben. Das teilte Graham Brady, der Vorsitzende des mächtigen 1922-Komitees der Konservativen Fraktion im Unterhaus, am Donnerstag in London mit.
Der einwöchige parteiinterne Wahlprozess über die Truss-Nachfolge soll bereits am Freitag der nächsten Woche (28. Oktober) enden. Brady sagte, auch die Parteibasis solle in den Prozess einbezogen werden. Wie das aussehen soll, war zunächst unklar. Später am Donnerstagnachmittag wollte das Komitee weitere Details bekanntgeben. «Wir sind uns sehr bewusst über die Notwendigkeit im Sinne des nationalen Interesses, dies sehr schnell und klar zu regeln», sagte Brady.
Im Sommer hat sich die Findung eines Nachfolgers des skandalgeplagten Ex-Premiers Boris Johnson wochenlang hingezogen. Die beiden Kandidaten – Liz Truss und ihr Rivale Rishi Sunak – hielten im ganzen Land Wahlkampfveranstaltungen ab, nachdem zuvor die Fraktion die beiden als Finalisten des Wettbewerbs gekürt hatte.
Diesmal gelten als mögliche Kandidaten erneut Ex-Finanzminister Rishi Sunak sowie die Kabinettsmitglieder Penny Mordaunt oder Ben Wallace.
Berichte: Boris Johnson soll neue Kandidatur als Premier planen
Der skandalgeplagte britische Ex-Premierminister Boris Johnson soll Berichten zufolge eine erneute Kandidatur für den Posten planen.
Das berichteten die Zeitungen «Times» und «Telegraph» am Donnerstag unter Berufung auf nicht genannte Quellen. Johnson glaube, eine Kandidatur sei im «nationalen Interesse», hiess es in der «Times».
Johnson, der nach der «Partygate»-Affäre und vielen weiteren Skandalen Anfang Juli zum Rücktritt gezwungen wurde, hat noch immer in Teilen der Partei eine loyale Unterstützerbasis. In Umfragen unter Parteimitgliedern schnitt Johnson zuletzt wieder gut ab.
Britischer Oppositionschef Starmer: Stehen bereit zu übernehmen
Der britische Oppositionsführer und Chef der Labour-Partei, Keir Starmer, hat seine Bereitschaft zur Übernahme der britischen Regierungsgeschäfte angekündigt.
«Wir stehen bereit, eine Regierung zu formen», sagte Starmer am Donnerstag dem Sender Sky News. Wie andere Oppositionsparteien auch fordert der sozialdemokratische Politiker eine sofortige Neuwahl.
Das derzeitige Chaos an der Spitze der britischen Regierung sei nicht nur eine «Seifenoper der Tory-Partei», sondern bedeute grossen wirtschaftlichen Schaden für die britische Wirtschaft und einen enormen Image-Verlust des ganzen Landes, sagte Starmer. In Umfragen liegt die Labour-Partei derzeit meilenweit vor den Konservativen der zurückgetretenen Premierministerin Liz Truss und könnte im Fall einer Wahl mit einer absoluten Mehrheit rechnen.
SDA
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