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Liz Truss lehnt Rücktritt ab
«Ich bin eine Kämpferin»

Ernorm unter Druck: Premierministerin Liz Truss verteidigt sich am Mittwoch im britischen Unterhaus.

Die britische Premierministerin Liz Truss lehnt einen Rücktritt trotz grosser und landesweiter Kritik weiterhin ab. «Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin», sagte die konservative Regierungschefin am Mittwoch bei der wöchentlichen Fragestunde im Unterhaus in London. Die 47-jährige geriet bei der Sitzung schwer unter Druck. Mehrere Oppositionspolitiker forderten sie direkt zum Rücktritt auf.

Erstmals seit der demütigenden Kehrtwende in ihrer Steuerpolitik und der Verkürzung der Laufzeit des staatlichen Energiepreisdeckels musste Truss den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Sie erntete heftigen Spott und Häme. Unter anderem als sie Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei dazu aufforderte, den «wirtschaftlichen Realitäten ins Auge zu sehen».

Dabei war sie es, die mit der Ankündigung radikaler Steuererleichterungen Chaos an den Finanzmärkten ausgelöst hatte. Ihre Worte gingen teilweise im Gejohle und Schimpfen der Opposition unter.

Vorwürfen, sie habe die Wirtschaft des Landes in ihren gerade einmal sechs Wochen im Amt bereits an die Wand gefahren, trat Truss mit der Feststellung entgegen, die wirtschaftliche Lage sei allgemein schwierig. Auch dafür erntete sie wütende Zwischenrufe von den Oppositionsbänken.

Labour-Chef: «Warum ist sie noch hier?»

Erst am Montag hatte ihr neuer Finanzminister Jeremy Hunt so gut wie alle Teile der vor kurzem verkündeten radikalen Steuererleichterungen zurückgenommen. Sein Vorgänger Kwasi Kwarteng hatte in der vergangenen Woche seinen Stuhl räumen müssen – nach Ansicht vieler Beobachter, um das Amt der Premierministerin zu retten. Doch ob das gelungen ist, scheint noch nicht klar zu sein.

Oppositionschef Starmer hatte bei der Fragestunde leichte Hand: Einen nach dem anderen zählte er die aufgegeben Bestandteile von Truss› Steuerpolitik auf, worauf die Labour-Abgeordneten jedes Mal «gone!» (weg) riefen. «Sie sind alle weg, warum ist sie noch hier?», rief Starmer in Richtung Truss.

Als Versuch, etwas Autorität zurückzugewinnen, dürfte gelten, dass die Premierministerin überraschend Berichten entgegentrat, sie wolle die Garantie für Rentenerhöhungen einkassieren. Finanzminister Hunt hatte kürzlich neben der Rücknahme der Steuererleichterungen auch Kürzungen bei den Staatsausgaben angekündigt und betont, es gebe keine Tabus. Das, obwohl Truss noch in der vorigen Woche versprochen hatte, es werde «absolut» keine Kürzungen geben.

Kommunikationschef suspendiert

Spekulationen, Truss könne sich die Loyalität der Brexit-Hardliner mit einer harten Linie gegenüber Brüssel im Streit um den Status für Nordirland erkauft haben, schienen sich zu bestätigen. Truss versicherte auf Nachfrage eines Abgeordneten, sie wolle an einem Gesetzentwurf buchstabengetreu festhalten, mit dem die als Nordirland-Protokoll bezeichnete Abmachung aus dem Brexit-Vertrag ausgehöhlt werden soll.

Die Fragestunde schien noch einmal glimpflich ausgegangen zu sein für Truss. Doch wie prekär ihre Lage ist, zeigt auch eine Episode am Rande. Kurz vor Beginn der Fragestunde wurde bekannt, dass ihr Kommunikationschef Jason Stein suspendiert und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Berichten zufolge hatte er sich Journalisten gegenüber despektierlich über einen früheren Minister geäussert. Der soll gedroht haben, das Thema bei der Fragestunde im Parlament zur Sprache zu bringen. Das wollte Truss wohl nicht riskieren.

Wechsel im Innenministerium

Am Abend schien die Lage ausser Kontrolle zu geraten. Zuerst verlor die konservative Regierungschefin mit dem wohl erzwungenen Rücktritt von Innenministerin Suella Braverman ihr zweites Kabinettsmitglied innerhalb von Tagen. Im Schreiben zum Rücktritt gabs Kritik von Braverman: Wichtige Versprechen an die Wähler seien gebrochen worden und sie habe auch «grosse Bedenken hinsichtlich des Bekenntnisses dieser Regierung zu unserem Wahlprogramm, wie die Gesamtzahl der Einwanderer zu begrenzen und illegale Migration zu stoppen, besonders die gefährlichen Bootsüberquerungen», schrieb die Politikerin, die zum extremen rechten Flügel der Partei gehört.

Als Grund für ihren Rücktritt gab Braverman «einen technischen Bruch» von Geheimhaltungsregeln an. Sie habe ein offizielles Dokument von ihrer persönlichen E-Mail-Adresse an einen «vertrauten parlamentarischen Kollegen» weitergeleitet, schrieb sie. Viel daraus sei bereits bekannt gewesen, trotzdem sei es «richtig für mich, zu gehen». Stunden später wurde der frühere britische Verkehrsminister Grant Shapps zum neuen Innenminister ernannt. Der 54-Jährige hatte während des Rennens um die Nachfolge des Tory-Vorsitzenden und britischen Premierministers Boris Johnson Truss› Kontrahenten Rishi Sunak unterstützt.

Tory-MP: «Chaos und Scherbenhaufen»

Noch am gleichen Abend trat Berichten zufolge ein Teil der Fraktionsführung zurück, nachdem die Regierung eine Abstimmung im Parlament zunächst zur Vertrauensfrage erklärt hatte, in letzter Minute aber zurückruderte. Laut unbestätigten Berichten legte die für die Einhaltung der Fraktionsdisziplin zuständige Chefeinpeitscherin (Chief Whip), Wendy Morton, ihr Amt kurz nach einer Abstimmung im Unterhaus nieder. Der Antrag der oppositionellen Labour-Partei wurde zwar mit grosser Mehrheit abgelehnt. Doch viele konservative Abgeordnete sollen nur äusserst widerwillig gegen den Vorstoss gestimmt haben, der ein Gesetzgebungsvorhaben zum Fracking-Verbot einleiten sollte. Es dürfte auch eine ganze Reihe Enthaltungen gegeben haben.

Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant und weitere Oppositionsmitglieder erhoben ausserdem den Vorwurf, konservative Abgeordnete seien teilweise mit Schreien und Stössen in eine bestimmte Richtung gedrängt worden und hätten nicht frei und ungehindert wählen können.

In der konservativen Fraktion sind die Nerven zum Zerreissen gespannt. Das Chaos werfe «in jeder Hinsicht ein erbärmliches Licht auf die konservative Partei und die aktuelle Regierung», sagte der Abgeordnete Charles Walker im Interview mit der BBC. Aus dieser Situation gebe es kein Zurück mehr, in seinen 17 Jahren im Parlament habe er noch nie etwas Vergleichbares gesehen. «Das ist ein Scherbenhaufen und eine Schande. Ich bin unfassbar entsetzt, ich bin wütend», so Walker.

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SDA/fal