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Ärger in der Premier League
Liverpool verrät seine Prinzipien und vergrault Fans

Liverpool macht sich, Spieler und Trainer Jürgen Klopp, gerade ziemlich unbeliebt.
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«We are Liverpool. This means more» - diesen Leitspruch hat sich der FC Liverpool für seine Imagekampagne im Frühjahr 2018 ausgedacht. Der Slogan basiert auf einem Zitat des legendären Bill Shankly, dessen Wunsch es zu Lebzeiten gewesen war, als selbstloser Mann in Erinnerung zu bleiben – der eine Familie aufbaute, deren Mitglieder mit erhobenem Haupt durch die Straßen gehen können, um zu sagen: «Wir sind Liverpool.»

Als Trainer hat der Schotte mit seinen Erfolgen und seiner sozialistischen Gesinnung den Mythos des Klubs mitbegründet. Voller Stolz erzählte der in Liverpool geborene Vereinsboss Peter Moore, 65, vor sechs Monaten in einem Interview mit der linksliberal orientierten spanischen Tageszeitung «El Pais», Fussball habe für Shankly stets aus Zusammenarbeit bestanden. Daher sei der Club zum Entschluss gekommen, in Worten niederzuschreiben, dass Liverpool eben mehr sei als bloss Gewinnen und Verlieren. Vor den Geschäftsentscheidungen, sagte Moore, frage man sich daher heute immer: «Was hätte Shankly gesagt? Was hätte er getan?»

Scharfe Kritik von Vereinslegenden

Den Gemeinschaftssinn, nach dem der Club handeln möchte, hat er am Wochenende kurzerhand ausser Kraft gesetzt – und damit natürlich auch seine Marketingaktion als Schall und Rauch auffliegen lassen. Am Samstagnachmittag veröffentlichte der Tabellenführer der Premier League ein Schreiben unter dem Titel «Covid-19 Update». Im fünften Absatz gab der Verein bekannt, aufgrund des seit 13. März ausgesetzten Spielbetriebs in der Premier League wegen der Corona-Pandemie einen Teil seiner Mitarbeiter in Zwangsurlaub zu schicken, etwa 200 Angestellte. Was in der verklausulierten Mitteilung unerwähnt blieb: Das Profiteam um Trainer Klopp erhält weiterhin volle Bezüge; in der Vorsaison liess sich der FC Liverpool die Dienste der Kicker 310 Millionen Pfund kosten. Was hätte zu diesem Vorgehen Bill Shankly gesagt? Was hätte er getan?

Als fünfter Verein aus der Premier League nach Tottenham Hotspur, Norwich City, dem AFC Bournemouth und Newcastle United bedient sich jetzt der FC Liverpool am Notfall-Programm der Regierung. Zur Erhaltung von Arbeitsplätzen hat der britische Staat beschlossen, für Unternehmen 80 Prozent des Mitarbeitereinkommens bis zu einer Höhe von 2500 Pfund im Monat rückwirkend ab 1. März für drei Monate zu übernehmen. Das bedeutet, dass nun die Allgemeinheit, die mit ihrem unbändigen Interesse am Fussball überhaupt erst für den Reichtum der englischen Vereine gesorgt hat, auch für die Personalkosten des FC Liverpool aufkommt.

Die Bevölkerung (und somit auch die Fans) kommen nun für die Liverpooler Personalkosten auf.

Wohlgemerkt für einen Verein, der erst im Februar einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 42 Millionen Pfund meldete – und ein Jahr zuvor gar mit 125 Millionen Pfund den höchsten Profit ausgewiesen hatte, den je ein Fussballverein innerhalb einer Spielzeit erwirtschaftete. Mit einem Eigenkapital von rund 250 Millionen Pfund gehören die Reds zu den vermögendsten Clubs auf der Welt, ihr Marktwert wird auf knapp zwei Milliarden Pfund beziffert. Dahinter steht die Sportvermarktungsfirma Fenway Sports Group, die ebenso das Baseballteam Boston Red Sox im Portfolio hat und mehrheitlich dem amerikanischen Geschäftsmann John W. Henry gehört. Allein dessen Vermögen wird wiederum auf etwa zweieinhalb Milliarden Pfund geschätzt.

Ein Gegensatz zum sozialen Engagement der Spieler

Den vermutlich einkalkulierten Ansehensverlust versuchte der FC Liverpool mit dem Verweis zu begrenzen, zumindest den Rest des Gehalts für seine Belegschaft übernehmen zu wollen, um finanzielle Einbussen der Angestellten zu vermeiden – aber das änderte natürlich nichts an der Empörung. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung wendeten sich aufgebrachte Mitarbeiter und ehemalige Spieler gegen den Verein. Neben dem Deutschen Dietmar Hamann, der die Entscheidung als Widerspruch zu Moral und Werten des Clubs geisselte, ging der auf der Insel einflussreiche ehemalige Abwehrrecke Jamie Carragher noch einen Schritt weiter: «Jürgen Klopp hat seit Beginn der Pandemie viel Mitgefühl gezeigt. Und dann ist alles vergessen. Armselig, LFC!»

Gegenüber der «BBC» klagte ein anonymer Mitarbeiter, der Club würde seine Angestellten als Familie betiteln: «Ich fühle mich nicht als Familienmitglied, sondern bin enttäuscht. Warum nutzt ein Club, der jährlich Millionen Pfund umsetzt, ein Regierungsmodell zur Bezahlung der Angestellten aus, wenn andere Betriebe viel grössere Not haben?» Eine Antwort auf diese Frage blieb der Verein bislang schuldig.

Mit der Massnahme konterkariert Liverpool das soziale Engagement seines Teams um Kapitän Jordan Henderson, der mit Kollegen einen millionenschweren Hilfsfonds auf die Beine stellt, um Corona-Notleidenden zu helfen. Das bilanzgetriebene Handeln des Clubs dagegen passt zum Zank ums Geld in der Premier League. Die verlangt von den Profis 30 Prozent Gehaltsverzicht, was die Spielergewerkschaft aus Gründen der Solidarität im Lande ablehnt: Nach einem Verzicht würden dem Staat mit seinem Gesundheitssystem 200 Millionen Pfund Steuergelder entgehen.

Die Premier League will dem System 20 Millionen spenden, die Gewerkschaft fordert mehr. Die Klubs fürchten grosse Einbussen, bei vorzeitigem Saisonende droht eine Teilrückzahlung der TV-Gelder in Höhe von rund 750 Millionen Pfund. Auf Twitter schrieb Oliver Dowden, Staatssekretär für Digitales, Kultur, Medien und Sport, dass die Leute in Krisenzeiten «keine Kämpfe innerhalb unseres Nationalsports» sehen wollen. So ähnlich hätte das bestimmt auch Bill Shankly gesehen.

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