Coronavirus in DeutschlandLinke und Rechte kritisieren Merkels Corona-Kurs
FDP und AfD wollen die Wirtschaft schneller öffnen, Linke und Grüne sorgen sich um die Kinderbetreuung.
Mit grosser Vorsicht haben Deutschlands Regierende am Mittwoch erste Lockerungen der Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus beschlossen: Kleine und mittelgrosse Geschäfte sollen wieder öffnen dürfen, Schulen schrittweise ab Mai. In den grossen deutschen Medien gab es für die Zurückhaltung fast nur Verständnis und Lob zu hören. Oppositionsparteien und Interessengruppen äusserten jedoch deutliche Kritik.
Alle Last bei den Familien?
Katja Kipping, Chefin der Linken, kritisierte die Beschlüsse als «unausgewogen und unsozial». «Statt die Gesundheit und damit auch das Leben vieler Menschen als oberste Priorität zu setzen, steht das Ankurbeln der Wirtschaft im Zentrum.» Wenn die Geschäfte jetzt öffneten, müssten auch viele Mütter mit Kindern wieder zur Arbeit – die Kitas seien aber weiterhin geschlossen. «Es besteht die Gefahr, dass damit die ganze Last der kommenden Wochen auf den Schultern der Beschäftigten mit Kindern abgeladen wird.»
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Auch Annalena Baerbock hält die Entscheide mit Blick auf Familien und Kinder für unzureichend. Die Grünen-Chefin sprach von einem «blinden Fleck»: «Für Kinder sind nach wie vor alle Orte, wo sie hingehen können, gesperrt.» Kitas müssten bald wieder öffnen, notfalls mit kleineren Gruppen. Ähnliche Bedenken hatte diese Woche bereits die sozialdemokratische Familienministerin Franziska Giffey geäussert.
«In vielen Punkten sind die Beschlüsse unverständlich und widersprüchlich.»
FDP und AfD geht dagegen vor allem die Öffnung des Wirtschaftslebens viel zu zaghaft voran. Vorsicht sei schon gut, sagte FDP-Chef Christian Lindner, aber bei Handel, Gastronomie und in den Schulen hätte man den Stillstand viel mutiger beenden können. Auch AfD-Chef Jörg Meuthen kritisierte die Beschlüsse als zu zögerlich. In vielen Punkten seien sie auch «unverständlich und widersprüchlich»: Es sei beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum Restaurants und Kirchen geschlossen bleiben müssten, während Modeboutiquen und grosse Autohäuser öffnen dürften. «Wenn die Menschen Hygiene- und Abstandsregeln im Supermarkt einhalten können, können sie dies selbstverständlich auch in Restaurants und Kirchen.»
Wirtschaftliche Erholung hinausgezögert
Auch Ökonomen und Wirtschaftsverbände zeigten sich unzufrieden. Für Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, bringen die Lockerungen aus ökonomischer Sicht «keine nennenswerte Erleichterung». Sie «zögern den Start einer durchgreifenden Erholung eher noch hinaus».
Der Verband der Familienunternehmer sprach von einer «kaum zu ertragenden Nachricht»: «Etliche der bereits jetzt um ihre Existenz ringenden Betriebe werden nicht mehr bis Mai durchhalten können.» Branchenvertreter aus der Gastronomie und von Veranstaltern nannten die Entscheide «eine Katastrophe». Detailhandelsvertreter kritisierten vor allem die willkürliche Obergrenze von 800 Quadratmeter Ladenfläche. Warenhäuser und Shoppingmalls seien genauso wie kleinere Geschäfte in der Lage, die hygienischen Auflagen einzuhalten.
«Nicht mal warmes Wasser in den Schulen»
Elternverbände und Lehrergewerkschaften kritisierten, die Schulen seien auf die stufenweise Öffnung schlecht vorbereitet. Viele Schulen in sozialen Brennpunktgebieten seien so marode, dass es sogar an warmem Wasser fehle. Die Konzentration auf Abschlussklassen und -prüfungen verrate zudem ein fehlgeleitetes pädagogisches Konzept.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, kritisierte das Festhalten am Gottesdienstverbot als «nicht nachvollziehbar». Zusammen mit der Evangelischen Kirche werde man noch diese Woche Vorschläge unterbreiten, unter welchen hygienischen Vorsichtsmassnahmen Gottesdienste in den Kirchen bald wieder möglich sein sollten.
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