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Lesende fragen Peter Schneider
Können wir überhaupt nachhaltig denken?

Ein Mitarbeiter der APG, einer Firma fuer Plakatwerbung, bringt am 30. April 2007 an einer Plakatwand in Zuerich eine Tabakwerbung der Zigarettenmarke Winston an. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Nachhaltigkeit ist etwas Existenzielles, aber können wir das überhaupt: Nachhaltig denken mit unserem auf begrenzte Lebenszeit begrenzten Vorstellungsvermögen? In vielem Kleinen sicher, aber so vieles liegt doch jenseits unserer Vorstellungen, unerwartete Folgen zeigen sich erst später. Asbest galt vor 50 Jahren als Superbaustoff, und dann …

Wie können wir mit so vielen falschen Erwartungen, Wunschvorstellungen umgehen, die wir alle irgendwie teilen, deren Resultate sich aber erst viel später zeigen? Es trotzdem versuchen, im Risiko, uns zu irren? Oder besser: sich taoistisch gar nicht einmischen in den Lauf der Dinge? S.F.

Lieber Herr F.

Es ist eine Binsenwahrheit, aber eben doch wahr: Man kann sich gar nicht nicht einmischen. Wir sind derart mit unserer Umwelt und mit den anderen Menschen verschränkt, verwoben, vernetzt, durchmischt (wie immer man es nennen will). Alles, was wir tun oder lassen, hat Fernwirkungen in der Zukunft.

Viele dieser Wirkungen verpuffen irgendwie, verdünnen sich, sind irrelevant; viele andere aber eben auch nicht. Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass der individuelle menschliche Horizont begrenzt ist. Aber eine nicht unwichtige Korrektur unseres eingeschränkten Vorstellungsvermögens liegt darin, dass es eben nicht nur eine einzige menschliche Perspektive gibt.

Es gibt verschiedene Generationen mit verschiedenen Perspektiven, es gibt viele verschiedene lokale Perspektiven, es gibt in vielen Fragen einen brauchbaren wissenschaftlichen Konsensus über «Technikfolgen». Was Asbest betrifft, so gab es schon Warnungen vor dessen krebserzeugender Wirkung, viele Jahrzehnte bevor dessen Verwendung als Baustoff verboten wurde (in der Schweiz vor etwas mehr als dreissig Jahren).

Die Wissenschaft spricht von «Merchants of Doubt», mit deren Hilfe die Industrie wissenschaftliche Kontroversen vortäuscht, wo es längst keine mehr gibt.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es Stimmen, die den mit der Industrialisierung einhergehenden Treibhauseffekt beschrieben haben. Dass Rauchen schädlich ist, wusste die Tabakindustrie schon längst, als sie noch Werbung schaltete, in der «Doctors» für ihre Lieblingszigarettenmarke Reklame machten. Die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes und ihr Kollege Erik M. Conway nennen sie die «Merchants of Doubt», mit deren Hilfe die Industrie wissenschaftliche Kontroversen vortäuscht, wo es längst keine mehr gibt.

Wir kennen diese Broker des Zweifels heute zur Genüge aus den Klima- und auch Impfdebatten. Natürlich können «wir» uns in vielen Dingen irren, sind nicht alle unerwünschten Nebenwirkungen erwünschter Wirkungen überschaubar. Aber das sollte uns ja eher dazu anhalten, vorsichtig mit Risiken umzugehen, statt uns politisch in blindem Draufgängertum zu gefallen. Und einfach weiterzumachen wie bisher.