«Rethinking the Wheel»Lenken wir künftig mit einem Kuscheltier?
Wie sieht das Lenkrad der Zukunft aus? 18 Master-Studenten der Hochschule für Gestaltung und Kunst Lausanne (Ecal) haben zu dieser Frage ihre ganz eigenen Visionen umgesetzt.
Vieles wurde am Automobil in seiner 136-jährigen Geschichte verändert – und derzeit ändert sich daran noch viel mehr. Das Basisrezept aber ist stets geblieben: vier Räder, ein Motor, ein Lenkrad. Ebendieses Lenkrad könnte aber bald hinfällig werden oder sich zumindest grundlegend verändern, sollten die Autos dereinst tatsächlich autonom verkehren. An dieser Vision arbeiten viele Autohersteller weiterhin – auch BMW, dessen Tochtermarke Mini sich nun Gedanken zum Thema Lenkrad der Zukunft gemacht hat.
Oder besser gesagt: Mini liess Gedanken dazu machen. Unter dem Projektnamen «Rethinking the Wheel», also «Das Lenkrad neu gedacht», hat sich die Hochschule für Gestaltung und Kunst Lausanne (Ecal) dieses Themas angenommen. 18 Master-Studenten des Ecal-Studiengangs für Industriedesign entwickelten ihre ganz eigenen Visionen des Volants der Zukunft, neun dieser Projekte wurden nun an der «Munich Creative Business Week» vorgestellt. Die Initiative dazu kam von Mini Schweiz: «Wir wollten ein Projekt, bei dem jenseits von Konventionen gedacht wird», sagt Timo di Pardo, Chef von Mini Schweiz. «Die Studenten sollten mit dem Mini-Design spielen», ergänzt Marketing-Managerin Alessia Pezzini. «Die Idee mit dem Lenkrad kam letztlich von ihnen.»
Fokus auf Nachhaltigkeit
Im steten Dialog mit Christian Bauer, der bei Mini das Interieur-Design verantwortet, und unter der Leitung von Ecal-Designer Christophe Guberan liessen die Master-Studenten der Kunsthochschule Lausanne ihren Ideen freien Lauf, griffen dabei die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf und entwickelten ihre ganz eigene Vision der Mobilität von morgen. «Ich war beeindruckt von der Breite der Ideen», sagte Christian Bauer bei der Präsentation des Projekts in München. «Die haben wirklich gute Arbeit geleistet.» Auch Ecal-Direktor Alexis Georgacopoulos gefallen die Arbeiten «seiner» Studentinnen und Studenten: «Sie zeigen nicht nur, wie vielseitig Design sein kann, sondern auch, wie die junge Generation die Dinge sieht.»
Vielseitig sind die neun finalen Entwürfe tatsächlich. Unter dem Titel «Flax» fragte sich die deutsche Studentin Carolin Schelkles etwa, ob Lenkräder nicht auch aus ganz anderen Materialien bestehen könnten, und gestaltete ein aufwendig geflochtenes Volant aus Flachs. «Ich fand heraus, dass das Material einige spannende Eigenschaften aufweist», erzählt die Master-Studentin. Verstärke man die brüchigen Flachsfasern beispielsweise mit Bioresin, einem auf Basis nachwachsender Rohstoffe entwickelten Kunststoff, entstehe ein starkes Material, ähnlich wie Fiberglas. Auch der Schweizer Antoine Jacquat widmete sich der Materialwahl. Sein «Re-Wheel» kann am Ende seines Lebenszyklus recycelt werden – es besteht aus wiederverwerteten Pneus und Aluminiumguss.
Verspielt und radikal
Einen ganz anderen Ansatz wählte die Japanerin Tsubasa Koshide: Mit «Mini Nyan» entwarf die Studentin ein Lenkrad in Form eines flauschigen Kuscheltiers. «Für ein ruhigeres, aber dennoch aufregenderes Fahrgefühl», wie die Studentin meint. Der Italiener Giacomo De Paoli hat das Volant ganz entfernt und durch eine Art Sprachtrichter ersetzt. Die Idee hinter seinem Projekt «Your Mini»: Da man in Zukunft nicht mehr lenke, sondern nur noch Passagier sein werde, könne man das Auto ausschliesslich per Spracheingabe bedienen. Der Mini soll dabei mehr sein als nur ein Fortbewegungsmittel: «Ich versuchte, eine Freundschaft zwischen dem Sprachassistenten und dem Benutzer zu erschaffen», erklärt der italienische Design-Student.
Der Deutsche Manuel Steffan ging noch verspielter an das Thema heran. Sein «Hang in!» erinnert an das Zaumzeug für Pferde, gelenkt wird mit einer Art Zügel. «Man interagiert damit mit dem Auto, als würde man segeln oder eben ein Pferd reiten», erklärt der Student aus München. Einen sehr radikalen Ansatz wählte Danpeng Cai mit seiner Arbeit «Screw it», was wörtlich übersetzt «Schraub es» und umgangssprachlich «Vergiss es» bedeutet. Auf das Projekt des chinesischen Studenten trifft beides zu, denn ein Lenkrad werde man künftig nicht mehr zwingend benötigen (also: «Screw it!»), weshalb Cai eine Schraube mit Flügelmutter gestaltet hat, mit der sich allerlei Gegenstände als Lenkradersatz anschrauben lassen (also: «Screw it»).
Mini sieht das Projekt «Rethinking the Wheel» zwar mit einem Augenzwinkern, doch das Lenkrad an sich grundlegend zu überdenken, hält Interieur-Design-Chef Christian Bauer für eine gute Idee. Allerdings: «Wenn man für ein Serienauto etwas gestaltet, müssen etliche Vorgaben bezüglich Sicherheit und Produktion eingehalten werden, was die Kreativität deutlich einschränkt. Das Design benötigt vielleicht eine Woche, doch der Prozess bis zum finalen Produkt dauert viel länger.» So ging es bei diesem Projekt nicht darum, das Lenkrad der Zukunft zu finden, sondern der Weg war das Ziel. «Es ist wichtig, dass die Studenten sehen, wie die grossen Unternehmen funktionieren», erklärt Ecal-Direktor Alexis Georgacopoulos. «Deshalb machen wir viele solche Projekte.»
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