Sammler im Interview«Um Lego zu sammeln, braucht man heute einen Cheflohn»
Nach dem Zürcher «Jahrhundertfund» kommt es heute zur zweiten Lego-Auktion. Thomas Ley (52) sagt, warum ein erwachsener Mann massenweise Spielzeug hortet. Und wieso jetzt Schluss ist.
Herr Ley, heute geht die Lego-Auktion in Otelfingen in die zweite Runde. Was ist Ihre erste Erinnerung an Lego?
Ein roter Helikopter, mein erstes Set. Ich habe es auf dem Weg in die Ferien bekommen, an der Raststätte in Würenlos. Da war ich drei Jahre alt. Jahrzehnte später habe ich mir dieses Modell wieder zugelegt.
Wie kommt man als erwachsener Mensch dazu, Spielzeug zu sammeln?
Wie die meisten Sammler war ich schon als Kind von Lego angefressen. Meine Eltern haben ein paarmal versucht, mich auf anderes zu bringen. Das hat nicht funktioniert. Erst als Teenager habe ich mich von Lego abgewendet. Da haben mich Mode, Platten und Mädchen mehr beschäftigt – Spielzeug fand ich doof. Sammler nennen diese Jahre «The Dark Ages». Mit 19 Jahren kam ich zurück zu Lego.
Wieso?
Lego hat 1990 eine neue Serie mit roten Raumschiffen herausgebracht. Die fand ich als Space-Fan total cool. Da habe ich mir quasi im Stillen ein Set zum Geburtstag geschenkt. Und von da an habe ich mir jedes Jahr die aktuelle Space-Linie zu Weihnachten gekauft.
Mit einer Faszination für den Weltraum könnte man auch viel anderes machen, als Lego zu sammeln.
Das stimmt. Warum eigentlich Lego? Ich kann das gar nicht beantworten. Mir hat es immer Spass gemacht, das nachzubauen, was auf der Packung abgebildet ist. Ich habe das Bauen zelebriert und das Modell danach gern in den Händen gehalten.
Aber warum nicht Playmobil?
Das war mir zu kindlich.
Haben Sie auch mit den Modellen gespielt?
Nein. Mir ging es um das Zusammenbauen und das Aufstellen.
Das heisst, Sie haben Ihre Wohnung mit Lego dekoriert?
Nein. Als erwachsener Mensch kannst du die Leute nicht in eine mit Lego vollgestellte Wohnung einladen. Du brauchst einen Lego-Raum.
Ein Zimmer nur für Lego?
Ja. Als ich noch allein wohnte, hatte ich ein Zimmer voller Lego. Ab 1999 hat Lego «Star Wars»-Sets produziert, da war ich als Space-Fan natürlich angefixt. Da kaufte ich zu viel und hatte zu wenig Zeit, das zu sortieren. Die Kartonschachteln stapelten sich. Irgendwann habe ich mir für die Sammlung ein Atelier gemietet. Etwa 20 Quadratmeter in einer alten Fabrik. Das habe ich dann schön eingerichtet mit Regalen. Eine Zeit lang war die Sammlung fast herzeigbar.
20 Quadratmeter? Wie viele Sets besassen Sie?
Ungefähr 1200. Am Anfang habe ich jedes Jahr etwa zehn Sets gekauft – immer die, die neu rauskamen. Ende der 90er-Jahre, noch als Student, entdeckte ich dann Ebay. Plötzlich war es möglich, meine Sammlung zu vervollständigen, Sets zu kaufen, die Lego schon lange nicht mehr produzierte. Und dann hatte ich irgendwann einen Job und noch keine Familie, das heisst, ich hatte Geld zur Verfügung. Ich war quasi ein Kind mit viel Geld. Da habe ich immer mehr gekauft.
Sie hatten also diese 1200 Kartonkisten in einer alten Fabrik. Können Sie erklären, was Ihnen daran Freude bereitet hat?
Ehrlich gesagt: Das ist total irrational. Es ist der Versuch, eine kleine Welt zu kontrollieren, die eigene Welt im Griff zu haben. Du kannst dich zurückziehen in diesen Lego-Raum. Aber das braucht Zeit und Disziplin, sonst kippt es sehr schnell in ein messiehaftes Sammeln. Am Schluss machte mir meine Sammlung keinen Spass mehr. Dieser unaufgeräumte Raum deprimierte mich eher.
Und dann?
Vor etwa drei Jahren dachte ich plötzlich: Jetzt ist fertig. Ich habe mein Atelier aufgegeben und angefangen, die Sets zu verkaufen. Was von der Sammlung noch da ist, lagert jetzt im Estrich und im Keller. Ich kaufe mir zwar ab und zu noch ein Set, aber der Sammelwahn ist weg.
Wie kann man sich diesen Sammelwahn denn vorstellen?
Für mich gibt es zwei Typen von Sammlern. Die freien Sammler mögen ein bestimmtes Sujet gern und sammeln ohne wirkliches Ziel. Die anderen haben einen Komplettismuswahn; sie wollen bestimmte Serien oder Reihen vervollständigen. Das ist eine Sucht. Ich gehörte zur zweiten Sorte.
Und plötzlich war diese Sucht weg?
Ja. Ein Grund ist sicher, dass Lego irgendwann vor zehn Jahren meine Zielgruppe entdeckte. Früher dachte ich, ich sei relativ einsam mit dieser komischen Manie. Heute weiss ich: Es gibt extrem viele von mir. Ich würde sagen, mittlerweile produziert Lego ein Drittel des Sortiments für Leute wie mich. Das missfällt mir.
Wieso?
Lego wird immer mehr zum Luxusprodukt. Das Sortiment ist darauf ausgerichtet, dass reiche Papis für sich und ihre Kinder Lego kaufen. Deshalb sind die Sets heute viel grösser und teurer als früher. Und wegen der höheren Preise auf dem Zweitmarkt gibt es immer mehr Sammler, die sich geschlossene Sets ins Regal stellen. Die höchste Form von Komplettismus. Du baust die Modelle nicht mehr – du besitzt sie nur noch.
Wie viel Geld braucht man, um Lego zu sammeln?
Um alle neuen «Star Wars»-Sets zum Ladenpreis zu kaufen, braucht man pro Jahr etwa 3000 Franken. Mit anderen Worten: Für dieses Hobby braucht man mittlerweile einen Cheflohn. Ein Student kann sich das nicht mehr leisten. Ich denke, dass der Lego-Hype deshalb mit meiner Generation aufhört.
Die Lego-Bubble wird platzen?
Ja. Ich weiss, es werden jetzt Artikel geschrieben, die sagen, Lego sei wertvoller als Gold wegen des Wertzuwachses. Das gilt aber nur für wenige Sets. Der Wiederverkaufswert ist in den letzten Jahren zurückgegangen.
Ihnen werden die Sets also nicht aus den Händen gerissen?
Nein, zumal die meisten von ihnen ja schon einmal ausgepackt wurden. Aber einige konnte ich trotzdem teuer verkaufen. Sets, für die ich vielleicht 100 Franken ausgegeben habe, konnte ich für 700 Franken verkaufen. Die meisten verkaufe ich aber für höchstens das Doppelte des Ursprungspreises, ganz alte sogar für weniger, als ich sie ursprünglich eingekauft habe. Die Sammlung, die derzeit in Otelfingen versteigert wird, ist eine Ausnahmeerscheinung.
Welchen Verkaufswert hätte Ihre ganze Sammlung?
Etwa 40’000 Franken. Und ich habe sie für ungefähr 20’000 Franken erworben.
Was machen Sie mit dem Geld, das Sie jetzt aus dem Verkauf Ihrer Sammlung bekommen?
Das kommt in die Haushaltskasse. Wir haben davon schon Ferien finanziert. Das hat meine Familie wieder versöhnt mit meiner Sammelmanie.
Haben Ihre Kinder eigentlich auch Freude an Lego?
Ich habe ein paarmal versucht, meine zwei Töchter dafür zu begeistern – mit wenig Erfolg.
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