Forderungen zur ReisefreiheitLauter Hilferuf der Flugbranche an den Bundesrat
Wer geimpft, genesen oder negativ auf Covid-19 getestet ist, soll frei aus- und einreisen können. Das verlangt eine Allianz aus Wirtschaftsvertretern und Sozialpartnern.

Der Hilferuf könnte lauter nicht sein: Eine in der Schweiz wohl einzigartige Allianz von Vertretern aus Luftfahrt, Wirtschafts- und Tourismusverbänden, Flughafenbetreibern und Gewerkschaften schlug am Donnerstag Alarm, um den Bundesrat auf die bedrohliche Lage für die Flugbranche aufmerksam zu machen.
Zu diesem Zweck empfing eine Delegation der Swiss, des Flughafens Zürich und der Zürcher Regierung SVP-Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin im Flughafen Zürich. Fast leere Check-in-Hallen, eine geschlossene Zuschauerterrasse, kaum Fluglärm: Gute Bedingungen also, um den höchsten Regierungsvertreter durch den Flughafen zu führen – und ihm zu zeigen, wie die Flugbranche unter der Corona-Krise leidet.
Und um ihm die «Back to the Air»-Initiative zu präsentieren, mit der die stillstehenden Flugzeuge endlich wieder abheben sollen. Mit drei Kernanliegen möchten sie «zurück zur Reisefreiheit»:
Risikobasierter Ansatz: Zwischen Ländern mit ähnlichem Ansteckungsrisiko soll es keine Reisebeschränkungen mehr geben. Die Sicherheit soll über eine breit angelegte Impf-, Test- und Tracing-Strategie erreicht werden.
Impfen und Testen: Wer nachweislich geimpft, genesen oder negativ auf Covid-19 getestet ist, soll frei aus- und einreisen und sich in der Schweiz bewegen können. Für den Nachweis soll kein PCR-Test mehr notwendig sein, ein Antigen-Schnelltest soll genügen.
Digitaler Nachweis: Der Nachweis über die Impfung, die Genesung oder den negativen Test soll standardisiert und digital möglich sein.
Mehr als 30 Organisationen und Unternehmen haben diese Forderungen unterzeichnet, darunter Swiss, Easyjet, die Flughäfen Zürich, Genf und Basel-Mulhouse, Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerkschaftsbund, der Schweizer Tourismus-Verband, der Schweizer Reise-Verband und Schweiz Tourismus. Auch der Luftfahrt-Branchenverband Aerosuisse, die Pilotengewerkschaft Aeropers und die Kabinenpersonal-Gewerkschaft Kapers gehören zu den Unterzeichnern.
Wie die Massnahmen zur «Rückkehr zur Reisefreiheit» im Detail aussehen sollen, wollen beteiligte Organisationen am Freitagmorgen in Bern vorstellen.
Griechenland macht es vor
Parmelin sagte, er werde das Papier nach Bern bringen. Mehr versprach er nicht. Immerhin stellte er einen regen Dialog in Aussicht: «Wir – Kantone, Unternehmen, Sozialpartner, Bund – haben noch viel zusammen zu tun. Diesen Weg können wir nur gemeinsam gehen.»
Ihm und dem gesamten Bundesrat sei bewusst, welche enormen Herausforderungen die Pandemie für den Flughafen, die Swiss, die Region, ja den ganzen Kanton Zürich bedeuteten.
Doch wie realistisch sind die Forderungen der Allianz überhaupt? Ein Blick über die Grenze hilft bei der Beurteilung. So hat Griechenland, das ebenfalls stark vom Tourismus und dem Flugverkehr abhängig ist, soeben beschlossen, ab 14. Mai Bürgern aus EU- und Schengenländern, die geimpft sind oder einen negativen PCR-Test vorweisen, die Einreise ohne Quarantänepflicht zu erlauben.
Passagierzahlen auf extrem tiefem Niveau
«Die Schweiz ist von einem gut funktionierenden Luftverkehr abhängig», sagte Andreas Schmid, Verwaltungsratspräsident des Flughafens Zürich. «Die Menschen wollen wieder reisen, sobald sich die Lage verbessert.» Und es sei wichtig, dass die Unternehmen die vom Staat verbürgten Kredite schnell wieder zurückzahlen und auf eigenen Beinen stehen könnten.
Doch im Moment fehle es am Boden und in der Luft an Planungssicherheit. Dauernde Änderungen würden Passagiere verunsichern und Geschäftsreisen verunmöglichen. Das Resultat: Derzeit betragen die Passagierzahlen nur 11 bis 15 Prozent des Niveaus von 2019.

«Wir erwarten keineswegs, dass der Bundesrat die Reisebedingungen nur aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen lockert», sagte Swiss-Chef Dieter Vranckx. Ihm sei die richtige Balance aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Faktoren wichtig. «Das Ziel sind Lösungen, die das gesundheitliche Element nie in Gefahr bringen, aber die pragmatisch umsetzbar sind.»
Er wolle die Forderungen nicht als Kritik an der bisherigen Pandemiepolitik verstanden wissen. Doch wieso prescht die Allianz mit ihrer Initiative genau jetzt vor? Vranckx’ Antwort: Die Swiss habe schon vor einem Monat mit der Arbeit begonnen. Es habe Zeit in Anspruch genommen, die zahlreichen Ansprechpartner mit unterschiedlichen Interessen an einen Tisch zu bringen.
Sprich: Der erste Schritt zur «Back to the Air»-Initiative scheint von der Swiss ausgegangen zu sein. Sie ist eine der Hauptbetroffenen der Krise. Das Parlament hatte vor einem Jahr einen Hilfskredit von 1,5 Milliarden Franken gutgeheissen, um ihre Liquidität sicherzustellen.
«Der Flughafen Zürich ist der Suezkanal der Schweiz.»
Der Standortkanton zählt nicht zu den Unterzeichnenden der «Back to the Air»-Initiative, aber er unterstützt die Forderung nach «nachvollziehbaren und handhabbaren Regeln für ein sicheres Reisen». Das sagten CVP-Regierungspräsidentin Silvia Steiner und FDP-Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh.
«Der Flughafen Zürich ist der Suezkanal der Schweiz», sagte Walker Späh. Stehe er still, stocke der internationale Handel, der Tourismus, der Wirtschaftsstandort Schweiz. «Wenn wir es nicht schaffen, den internationalen Reiseverkehr wieder zum Funktionieren zu bringen, wird sich das unvermeidlich auf unsere Arbeitsplätze auswirken – nicht nur im Kanton Zürich.»
Der Kanton sei von den Folgen der Pandemie überproportional betroffen. Und besonders hart hat es die Flughafenregion getroffen. Allein am Flughafen wurden 3000 Stellen abgebaut. «Ich jammere nicht auf Vorrat», sagte die Volkswirtschaftsdirektorin.
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