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«Lasst uns an die Arbeit gehen»

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht am Mittwoch vor dem EU-Parlament. Foto: Patrick Seeger (Keystone)
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Am Ende war das Votum deutlicher als erwartet: Ursula von der Leyen und ihre 26 Kommissare bekamen in der Schlussabstimmung im EU-Parlament die Stimmen von 461 Abgeordneten, während 157 gegen das neue Team votierten und 89 sich enthielten. «Die grosse Mehrheit macht mich glücklich und demütig», sagte die künftige Kommissionspräsidentin.

Von der Leyen sprach von einem «Vertrauensvotum für eine Agenda des Wandels». Die 61-Jährige will schon in den ersten 100 Tagen die Weichen für ein grünes, modernes und gerechtes Europa stellen. Das erste und vielleicht wichtigste Projekt ist der «grüne Deal», der Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll. Ursula von der Leyen will schon am 11. Dezember ein Programm mit einer Verschärfung der Klimaziele für 2030 vorlegen.

Klimakommission

Neu sollen die klimaschädlichen Treibhausgase bis dahin 50 bis 55 Prozent unter dem Stand von 1990 liegen. Diese Transition müsse gerecht und sozial verträglich gestaltet werden, betonte von der Leyen. Ihre Kommission will auch einen Vorschlag für einen europaweiten Mindestlohn vorlegen. Eine weitere Priorität ist die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft mit klaren Regeln. Ähnlich wie beim Datenschutz soll die EU mit Blick auf die künstliche Intelligenz globale Standards setzen.

Bis im Frühjahr ist zudem ein Neuanlauf bei der festgefahrenen Reform des Asylsystems und der Migrationspolitik vorgesehen. Europa werde Menschen mit Anspruch auf Asyl immer Schutz bieten, sagte von der Leyen. Die EU müsse aber auch sicherstellen, dass Menschen ohne Recht auf Aufenthalt in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt würden.

Die EU solle sich in den nächsten fünf Jahren für alle spürbar wandeln und demokratischer werden. Europa sei in der einmaligen Position, den Wandel weltweit anzuführen. Ein starkes Europa sei wichtig für eine bessere Welt.

Von der Leyen tritt ihr Amt offiziell am Sonntag an. Der Start fällt in eine schwierige Phase, in der Europas Wirtschaft schwächelt und der Brexit nach wie vor ungelöst ist. Die Stabübergabe mit Jean-Claude Juncker soll im Haus der europäischen Geschichte über die Bühne gehen, einem Museum zwischen der Brüsseler Dépendance des EU-Parlaments und der EU-Kommission. «Machen wir uns an die Arbeit», sagte von der Leyen. Sie will noch am Sonntag mit Regierungschefs der grössten Industriestaaten telefonieren und am Montag zur UNO-Klimakonferenz in Madrid reisen.

Offene Rechnungen

Das Vertrauensvotum ist nicht viel mehr als ein Vertrauensvorschuss. Der Applaus während und am Ende der Rede hielt sich in Grenzen. Von Begeisterung oder Aufbruchstimmung war wenig zu spüren. Ursula von der Leyen hatte drei Kandidaten auswechseln müssen, die bei den Anhörungen für ihr Team im Parlament durchgefallen waren.

Im Parlament gibt es auch viele offene Rechnungen, weil die Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen vor dem Sommer als Quereinsteigerin den Abgeordneten vorgesetzt hatten.

«Die grosse Mehrheit macht mich glücklich und demütig.»

Ursula von der Leyen

Dies, nachdem keiner der Spitzenkandidaten der Europawahl vom Mai im EU-Parlament eine Mehrheit hinter sich organisieren konnte. Ursula von der Leyen war im Juli vom EU-Parlament überhaupt nur mit neun Stimmen Mehrheit als Kommissionspräsidentin nominiert worden. Von der Leyens Programm hat auch jetzt einen stark links-grünen Anstrich. Bei der Wahl im Sommer hatten der Christdemokratin aus Deutschland deshalb einige Abgeordnete der eigenen konservativen Parteienfamilie die Unterstützung versagt.

Diesmal stimmten Konservative, Sozialdemokraten und Liberale praktisch geschlossen für von der Leyen und ihr Team. Die Unterstützung sei kein Freifahrschein, hiess es allerdings aus den Reihen der Sozialdemokraten. Grüne enthielten sich überhaupt, während Euroskeptiker sowie EU-Gegner gegen die deutsche Christdemokratin stimmten. Grüne Abgeordnete äusserten Zweifel, ob den schönen Überschriften auch Taten folgen werden, versprachen aber konstruktive Opposition. Man werde Vorschläge der Kommission von Fall zu Fall prüfen.

Nach der Abstimmung gab es gute Wünsche, aber auch Forderungen von allen Seiten. Als einer der Ersten gratulierte Vorgänger Jean-Claude Juncker auf Twitter: «Ich weiss, dass wir unter deiner Führung ein stärkeres, grüneres und digitaleres Europa sehen werden.»