Treffen in LembergLage beim Atomkraftwerk Saporischschja alarmiert UNO
Generalsekretär António Guterres sucht in der Ukraine nach Lösungen. Russland lehnt entmilitarisierte Zone ab.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat am Donnerstagnachmittag in der westukrainischen Stadt Lwiw UNO-Generalsekretär António Guterres sowie den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen über den Krieg in der Ukraine getroffen. Dabei sollte unter anderem die Lage bei dem von der russischen Armee besetzten Atomkraftwerk Saporischschja besprochen werden. Russland und die Ukraine hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder gegenseitig vorgeworfen, mit Angriffen in der Nähe des Kraftwerks die Möglichkeit einer atomaren Katastrophe in Kauf zu nehmen. Eine Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Agentur IAEA oder sogar, wie von Guterres vorgeschlagen, die Einrichtung einer demilitarisierten Zone um den Reaktor sind bisher nicht zustande gekommen, und ein Sprecher des russischen Aussenministeriums erteilte dieser Idee am Donnerstag auch eine klare Absage: Die Demilitarisierung der Region um das Kraftwerk sei unannehmbar, da in der Nähe die Front verlaufe.
Russland behauptet ausserdem, es gebe «Hindernisse» für die Kontrollen, und die Vereinten Nationen hätten einen bereits vereinbarten Besuch abgesagt. Die UNO bestreitet dies. Generalsekretär Guterres soll in der Sache bereits mit dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu telefoniert haben. Wie eine Lösung aussehen könnte, ist derzeit aber weiterhin unklar. Selenski verlangte auch am Donnerstag wieder den Abzug der russischen Truppen aus der Region.
Erhöhung der Getreideexporte
Vor den Treffen zeichnete der ukrainische Präsident in einem Spital in der Stadt verwundete Soldaten aus. Guterres besuchte die Universität von Lwiw und sprach dort über die Rolle akademischer Bildung für die Entwicklung moderner Demokratien. Vor dem Dreiertreffen besprachen sich zunächst nur Selenski und Erdogan, neben dem besetzten AKW soll es dabei um eine Erhöhung der Getreideexporte gegangen sein. Die Türkei hatte angekündigt, nach neuen Möglichkeiten für eine diplomatische Lösung des Krieges suchen zu wollen. Ende März waren Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul ergebnislos beendet worden.
Die Türkei war gemeinsam mit den Vereinten Nationen massgeblich an der Vereinbarung zum Export von Getreide und anderen Nahrungsmitteln aus der Ukraine beteiligt. Erdogan unterhält auch nach wie vor gute diplomatische Beziehungen zum Kreml und traf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erst Anfang August in Sotschi. Dass Erdogan – mit oder ohne die UNO – zwischen den Kriegsparteien vermitteln kann, halten Beobachter aber für unwahrscheinlich. Russland wie die Ukraine scheinen derzeit noch beide auf einen militärischen Sieg ihrerseits zu setzen. Dazu stehen sowohl Selenski wegen der von Russland besetzten Gebiete als auch Putin wegen der hohen Verluste seiner Truppen innenpolitisch unter Druck. Ob in dieser Situation eine Verhandlungslösung für beide Seiten als Erfolg dargestellt werden kann, ist sehr fraglich.
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