Reaktionen auf harte MassnahmenLäden konsterniert, Kantone kritisch, Köppel sauer
Lockdown für Läden und Homeoffice-Pflicht: «Ein schwerer Schlag», kritisiert der Detailhandel, die SVP geht auf Berset los und stellt Forderungen. Und es gibt auch positive Stimmen.
Die vom Bundesrat verfügte Schliessung der Non-Food-Läden (zum News-Ticker) sei für den Detailhandel «ein schwerer Schlag», schreibt Swiss Retail am Mittwoch. Dies werde viele Geschäfte in eine existenzbedrohende Lage manövrieren.
Die stabilen beziehungsweise moderat rückläufigen Ansteckungs- und Hospitalisierungszahlen seien als positives Zeichen zu werten, wenn auch die Beurteilung der aktuellen Situation wegen des mutierten Coronavirus zurzeit schwierig sei. Diese unklare Sachlage hätte nicht zur Verhängung von verfrühten Konsequenzen zu Lasten des mit 310'000 Stellen grössten Arbeitgebers in der Schweiz führen sollen, betont der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation.
In seiner Medienmitteilung heisst es weiter, der Detailhandel sei – wie schon immer kommuniziert und aus internen Auswertungen betreffend Krankheitsausfällen erhärtet – kein Ansteckungsherd. Obwohl sich der Detailhandel im «Lockdown light» anpassungsfähig, proaktiv und vorbildlich gezeigt habe, werde er jetzt unverhältnismässig mit einem Lockdown bestraft.
Für Mitarbeitende im Detailhandel sei die Aussicht auf Kurzarbeit aufgrund von Ladenschliessungen sehr belastend und führe zu einer grossen Verunsicherung. Die erneute Schliessung der Geschäfte, die nicht Güter des täglichen Gebrauchs verkaufen, bedeute schweizweit einen monatlichen Umsatzverlust von rund 3,2 Milliarden Franken.
Die Covid-19-Härtefallverordnung greife bislang bei einem Lockdown als Hilfe für die direkt oder indirekt betroffenen Detailhändler deutlich zu kurz, betonte Swiss Retail. Man fordere vom Bund umgehend eine «moderate» Fixkosten-Beteiligung.
Kantone kritisieren Laden-Lockdown und Homeoffice-Pflicht
Die kantonalen Gesundheitsdirektoren zeigen Verständnis für die Verlängerung und Verschärfung der Massnahmen des Bundes gegen das Coronavirus. Aus epidemiologischer Sicht sei der Schritt angezeigt, teilte die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren (GDK) am Mittwoch mit. Die Fallzahlen seien auf einem zu hohen Niveau. Zudem liessen die Mutationen des Virus einen weiteren Anstieg befürchten.
Auch die vom Bundesrat beschlossenen Erleichterungen für den Zugang zu den Härtefallhilfen begrüsste die GDK am Mittwoch in einer Mitteilung. Positiv gewürdigt werden von ihr auch die Ausweitung der Maskenpflicht am Arbeitsplatz sowie der verstärkte Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmenden.
Keine Mehrheit gefunden hätten bei den Kantonen dagegen die Homeoffice-Pflicht und die Schliessung von Läden und Märkten des nicht-täglichen Bedarfs. Begrüssenswert sei wiederum, dass der Bundesrat die Dispensierung von der Pflicht, eine Maske zu tragen, präzisiert habe.
SP: «Bundesrat übernimmt endlich Verantwortung»
Die SP Schweiz ist zufrieden mit den neuen Corona-Beschlüssen des Bundesrates. Dieser Schritt sei nötig, um die Zahl der Erkrankten rasch und dauerhaft zu senken, erklärte die Partei am Mittwoch – und fügte an: «Der Bundesrat übernimmt endlich Verantwortung».
Alles andere als eine Verschärfung der Corona-Massnahmen wäre fahrlässig, betonte SP-Mediensprecher Nicolas Haesler gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Man würde riskieren, dass tausende weitere Menschen sterben und hunderttausende Menschen ihre wirtschaftliche Existenz verlieren.» Erfreulich sei insbesondere der bessere Schutz für die besonders gefährdeten Personen.
Die wirtschaftlich Betroffenen müssten jetzt aber zwingend angemessen entschädigt werden. Die am Mittwoch angekündigten Ausweitungen bei den wirtschaftlichen Unterstützungen seien zu begrüssen, gingen aber zu wenig weit. Die Situation für die betroffenen Branchen werde unhaltbar. Die Menschen könnten nicht länger auf Hilfen warten. Gefordert seien hier auch die Kantone: Sie müssten mit der Auszahlung vorwärts machen.
Es sei ein wiederkehrendes Versäumnis in der Corona-Krise, dass zu wenig auf die Wissenschaft gehört worden sei und zu stark auf Lobbys und politische Interessen, erklärte die SP weiter. Es gebe keinen Zielkonflikt zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Im Gegenteil: Das wirksamste Hilfsprogramm für Unternehmen, Mitarbeitende und Selbstständige seien sinkende Fallzahlen. «Menschenleben können nicht in Geld aufgewogen werden.»
CVP: «Verschärfte Massnahmen leider notwendig»
Für die CVP sind die Verschärfungen der Corona-Massnahmen durch den Bundesrat «leider notwendig». Die Partei begrüsst insbesondere die starke Vereinfachung der Härtefallregelung. Die Hilfe für die betroffenen Branchen könne nun rasch und unbürokratisch erfolgen.
Eine einfachere Härtefallregelung reicht für die CVP jedoch nicht. Die Partei habe bereits letzte Woche die Wiedereinführung des Covid-Kreditprogramms gefordert. Sie verstehe nicht, dass der Bundesrat dieses bewährte Instrument nicht sofort wieder einführen, sondern nur prüfen wolle. «Unser Land kann und muss es sich leisten können, allen Betroffenen die nötige wirtschaftliche Hilfe zu gewähren», so Parteipräsident Gerhard Pfister.
Die CVP unterstützt den Entscheid des Bundesrates vom Mittwoch. Die Homeoffice-Pflicht, die Einschränkungen für Treffen im öffentlichen Raum und privaten Umfeld sowie die Schliessung der Läden, die keine Waren des täglichen Bedarfs anbieten, würden dazu beitragen, die Kontakte weiter zu minimieren und Neuansteckungen zu verhindern. Oberstes Ziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitssystems sowie weitere schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern.
Grüne unterstützen «Kursänderung» des Bundesrates
Die Grünen unterstützen laut ihrem Parteipräsidenten Balthasar Glättli die Verschärfung der Corona-Massnahmen. Endlich habe der Bundesrat den Ernst der Lage erkannt. Die Grünen begrüssten diese «Kursänderung», erklärte der Zürcher Nationalrat am Mittwoch.
Der bisherige Schweizer «Mittelweg» sei eine Sackgasse gewesen, hielt die Partei zudem schriftlich gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA fest. «Das zeigen die anhaltend hohen Infektionszahlen, die vielen Todesfälle und die drohende Explosion der Ansteckungen aufgrund der mutierten Viren.»
Die neuen Massnahmen seien hart und verlangten der Bevölkerung und der Wirtschaft viel ab. Aber sie müssten nun so lange beibehalten werden, bis sich die epidemiologische Lage bleibend entspanne. Umso wichtiger sei nun eine grosszügige, unbürokratische und rasche Unterstützung der betroffenen KMU und der Selbständigen.
Der Bundesrat habe sich endlich auch bereit erklärt, die Härtefallunterstützung auszubauen und zu vereinfachen. Auch diese Massnahmen kämen zwar spät, sie seien für tausende Unternehmen aber überlebenswichtig.
Bereits heute sei jedoch absehbar, dass auch diese Massnahmen nicht ausreichten. Der Bund müsse betroffenen Betrieben endlich die ungedeckten Fixkosten entschädigen und höhere à-fonds-perdu-Beiträge ermöglichen.
SVP aufgebracht
Für die SVP scheint der Bundesrat mit seinen am Mittwoch beschlossenen verschärften Corona-Massnahmen den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren. Statt die Risikogruppen – laut SVP etwa sechs Prozent der Bevölkerung – zu schützen, für die das Coronavirus eine lebensbedrohliche Gefahr darstelle, drangsaliere er die Mehrheit der Bevölkerung, die mit Schutzkonzepten arbeiten und leben könnte.
Anders als im Frühling 2020 würden weite Teile der Bevölkerung die bundesrätlichen Corona-Massnahmen nicht mehr mittragen, teilte die SVP am Mittwoch mit. Dies verwundere nicht angesichts der «chaotischen und nicht nachvollziehbaren Politik» der Mehrheit des Bundesrates unter der Federführung von Gesundheitsminister Alain Berset.
Mit dem neuen «harten Lockdown» setze sich der Bundesrat zudem kaltschnäuzig über die Entscheide der Wirtschaftskommission des Nationalrates hinweg. Diese Stilllegung breche ganzen Branchen das Genick. Berset würden weder die Kosten seiner Massnahmen noch deren Umsetzbarkeit interessieren. Die Vernehmlassung in den Kantonen erfolge jeweils ohne Preisschild.
Die SVP verlangt verbindliche nationale Schutzkonzepte für Alters- und Pflegeheime sowie verlässliche Daten, um auf dieser Basis künftig Corona-Entscheide zu fällen. Auch seien Schnelltests an der Grenze durchzuführen. Dort, wo es nachweislich kaum zu Ansteckungen komme und gute Schutzkonzepte bestünden, sei das faktische Arbeitsverbot sofort aufzuheben. Dazu zählt die SVP Restaurants, Fitnesszentren und Läden.
Die SVP fordert den Bundesrat auf, alle am Mittwoch verfügten Massnahmen rückgängig zu machen. Andernfalls müsse das Parlament in einer ausserordentlichen Session die Bundesratsentscheide korrigieren können.
Diese Forderung stellt zuvor bereits Fraktionschef Thomas Aeschi in einem Tweet auf:
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Und SVP-Nationalrat Roger Köppel ärgert sich: «Wirklich lausig, wie diesen neuen extremen Verbote begründet werden», schreibt er in einem Tweet.
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Geäussert hat sich auch die FDP. Sie sieht das erfolgversprechendste Rezept in einer raschen und rigorosen Impfkampagne, um Konkurse zu vermeiden. So könnten die Einschränkungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufgehoben werden. Dem Bund fehle jedoch ein klare Impfstrategie. Ohne klare Zahlen könne man unmöglich wissen, wo man stehe. Und Nationalrat Christian Wasserfallen tweetete:
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cpm/sda
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