Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kurioser Unfall in Saas-Fee
Ärztin lässt zwei Verletzte liegen, die wohl von ihrem Hund angefahren wurden

Im Eingangsbereich des Hotels Schweizerhof in Saas-Fee ereignete sich der Unfall mit drei Verletzten.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Eigentlich wäre die ganze Geschichte zum Lachen. Doch bei dem kuriosen Unfall, der sich zum Jahresbeginn 2021 in Saas-Fee ereignete, wurden zwei Personen schwer verletzt. Weil sich zudem die am Unfall beteiligte Ärztin einfach vom Unfallort entfernte, ohne auf die Polizei zu warten, wurde sie per Strafbefehl und später auch vom Bezirksgericht Visp verurteilt. Da sie diese Entscheide anficht, muss sich nun Ende Januar das Kantonsgericht Wallis mit dem Fall beschäftigen.

Die am Zürichsee wohnhafte Medizinerin verbrachte mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern die Weihnachtsferien in einem der teuersten Hotels von Saas-Fee. Zwei Suiten hatte die Familie eine Woche lang gemietet, so steht es im Urteil des Bezirksgerichts, das dieser Redaktion vorliegt. Weil bei der Abreise nicht alles Gepäck gleichzeitig ins Elektroauto passte, fuhren der Mann und die beiden Kinder voraus, die Ärztin blieb mit dem Hund und einem Teil des Gepäcks zurück. Dann kam es kurz nach Mittag zum folgenreichen Unfall.

Mit der Pfote aufs Gaspedal

Der Portier des Viersternhauses war gerade dabei, das Gepäck der Frau in ein Elektroauto zu laden, und bat sie, mit dem Hund schon mal auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, was sie auch tat. Doch stieg die Frau mit ihrem fünf Monate alten Labrador wieder aus und nahm stattdessen auf dem Beifahrersitz Platz. Weil der Hund wohl mit der Pfote aufs Gaspedal kam und gleichzeitig der Schlüssel steckte, schoss der Wagen «mit voller Leistung nach hinten, kollidierte mit einer Mauer und der Glasschiebetür am Eingang», wie die Polizei in ihrem Protokoll später festhielt. 

Der Portier und eine Frau, die ebenfalls nach ihren Weihnachtsferien abreisen wollte, wurden dabei vom Fahrzeug erfasst und schwer verletzt: Der Portier, ein knapp 30-jähriger Mann aus der Region, wurde unter dem Wagen eingeklemmt und zog sich einen doppelten Unterschenkelbruch sowie einen Bänderriss zu. Sein Bein war um 90 Grad abgeknickt, wie Zeugen sagten. Die Touristin aus Deutschland konnte sich mit einem Sprung zur Seite retten, erlitt jedoch einen Handgelenkbruch und einen Muskelriss am Bein. Auch die Ärztin wurde verletzt – sie hatte danach «Kopf- und Schulterschmerzen», wie es in den Unterlagen des Gerichts heisst.

Yellow Labrador female pup.Sitting on white paper.

Doch statt sich um die am Boden liegenden Verletzten zu kümmern, erkundigte sich die Ärztin nach einem Taxi. Weil der empörte Hoteldirektor und seine Frau nicht auf diesen Wunsch reagierten, rief die Frau ihren Mann an. Der erschien kurz darauf in einem Taxi am Unfallort, wo er das Gepäck seiner Frau einlud, bevor sie samt Hund gemeinsam davonfuhren. Beim Ortseingang des autofreien Kurorts luden sie schliesslich das Gepäck in ihr Auto um und fuhren los in Richtung Zürich. Dann kam ein Anruf: Die Polizei beorderte sie per Telefon zurück an den Unfallort.

Dafür wurde die Ärztin später von der Staatsanwaltschaft per Strafbefehl verurteilt. Doch statt es bei der geringen Strafe wegen des Verstosses gegen das Strassenverkehrsgesetz zu belassen, engagierte sie einen Zürcher Anwalt.

Ärztin soll sich entschuldigen

Im Rahmen des folgenden Verfahrens erweiterte der Staatsanwalt die Anklage um den Vorwurf der fahrlässigen einfachen Körperverletzung. Im Sommer 2022 kam es zur Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Visp. Neben dem ausführlichen Protokoll, das die Polizei am Unfalltag erstellte, sagten an der Verhandlung weitere Zeugen aus. Über 70 Seiten stark ist die schriftliche Urteilsbegründung. Darin kommt das Gericht zum Schluss, dass die Ärztin wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall sowie der fahrlässigen Körperverletzung schuldig sei. Die Geldstrafe von 14’700 Franken muss die Frau aber nur zahlen, wenn sie sich in den nächsten zwei Jahren wieder strafbar macht. Es bleiben allerdings eine Busse von 4680 Franken sowie die Kosten für das Verfahren und eine Parteientschädigung. Weil die Frau auch gegen dieses Urteil rekurrierte, kommt es am 25. Januar in Sitten zur Berufungsverhandlung.

Der Anwalt der beschuldigten Ärztin bezweifelt, dass der Labrador die Unfallfahrt ausgelöst hat. «Dass dies so ist, konnte aus meiner Sicht in der Strafuntersuchung nicht erstellt werden.» Die Unfallursache sei vielmehr beim mitbeschuldigten Fahrzeuglenker zu suchen, der alle Sicherungspflichten ausser Acht gelassen habe, «indem er den Schlüssel stecken liess, den Rückwärtsgang einstellte, die Türen offen liess und die Handbremse wohl auch nicht zog», sagt Anwalt Jan Berchtold. Seine Klientin habe selbst «massive Verletzungen und einen Schock» erlitten, «weshalb sie nicht in der Lage war, sich um die anderen Verletzten oder die Schadensregelung zu kümmern». Die anderen Verletzten seien jedoch bereits wenige Minuten nach dem Unfall ärztlich versorgt gewesen. Seine Klientin sei längere Zeit am Unfallort geblieben, bevor sie sich mit ihrem Mann entfernte. «Sie kehrte sofort zurück, als sie kurze Zeit später von der Polizei kontaktiert wurde», so ihr Anwalt.

Der Anwalt der Touristin aus Deutschland, die beim Unfall ein gebrochenes Handgelenk und einen Muskelanriss erlitt, betont auf Anfrage, dass sich die Ärztin bis heute nicht bei seiner Klientin entschuldigt habe. «Das gebrochene Handgelenk konnte zwar mit einer Metallplatte fixiert werden, doch die darüberliegenden Sehnen verursachen noch immer Schmerzen», sagt er. Der Unfall beschäftige sie bis heute. «Auch weil sich die Ärztin nie bei ihr gemeldet hat.» Dafür gäbe es nun bei der Berufungsverhandlung vor dem Kantonsgericht in Sitten nochmals eine Gelegenheit.