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Kundgebungen in Zürich
Ein gelber Schutzschirm für die jüdische Bevölkerung

«Never again is now» Solidsritätsjundgebung für Israel auf dem Münsterplatz
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Am Donnerstagabend spannen auf dem Münsterhof in Zürich Hunderte Menschen gelbe Regenschirme auf. Dann werden die Namen der Opfer vom Hamas-Angriff verlesen. Auf der Bühne sagt der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer: «Es ist nicht nur eine Pflicht der Schweizer Behörden, unsere jüdische Bevölkerung zu schützen. Es ist eine Bürgerpflicht von uns allen, unabhängig von der politischen Weltanschauung.»

750 gelbe und schwarz-gelbe Regenschirme haben die Organisatoren der Kundgebung «Never again is now» («Nie wieder ist jetzt») an die Teilnehmenden verteilt. Sie stehen symbolisch für einen Schutzschirm, den die Gemeinschaft allen jüdischen Mitmenschen, die Antisemitismus erfahren, bieten will.

«Never again is now» Solidsritätsjundgebung für Israel auf dem Münsterplatz

Und Gelb ist ihre Farbe der Hoffnung. In Israel werden gelbe Bänder nun von Familienmitgliedern getragen, die um Angehörige in der Geiselhaft der Hamas bangen. Die Farbgebung erinnert auch den Judenstern, der Jüdinnen und Juden in Nazideutschland aufgezwungen wurde.

«Nie wieder» heisst es in Deutschland und ganz Europa ermahnend in Gedenken an den Holocaust. «Nie wieder ist jetzt», sagen nun die Teilnehmenden an der Kundgebung auf dem Münsterhof. Seit der Gewalteskalation im Nahen Osten seien Jüdinnen und Juden auch in der Schweiz vermehrt antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, teilt das aus Privatpersonen bestehende Organisationskomitee mit.

«Christliche Kirchen tragen besonders Verantwortung»

Die Organisatoren schätzen, dass etwa 2000 Menschen gekommen sind. Unter ihnen ist auch eine Zürcherin, deren Sohn mit einer Israelin verheiratet ist. «Sie haben zwei Kinder, 4 und 8 Jahre alt, und leben eigentlich in Tel Aviv», sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will.

Weil sie um die Sicherheit der Kinder fürchten, sei die Familie jetzt in ihrer Wohnung in Zürich untergekommen. «Es hat ihnen den Boden unter den Füssen weggezogen. Alle leiden, besonders für die Kinder ist es schlimm», sagt sie. Im Haus in Tel Aviv sei nun eine andere Familie aus der Stadt untergekommen. Ihr Zuhause: zerbombt.

Teilnehmerin Never again is now auf dem Münsterplatz

Während der halbstündigen Kundgebung hält eine ganze Reihe von Zürcher Persönlichkeiten kurze Ansprachen, darunter SP-Ständerat Daniel Jositsch, Regierungsrat Mario Fehr, der Zürcher FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger und FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff.

Gekommen ist auch der Präsident der Mitte-Partei Schweiz Gerhard Pfister. Der Angriff auf Israel zeige, dass sich alle Demokratien stärker schützen müssten gegen Terrorismus, sagt er. «Demokratische Gesellschaften müssen überall dem Antisemitismus viel stärker entgegentreten als bisher. Auch in der Schweiz.»

«Never again is now» Solidsritätsjundgebung für Israel auf dem Münsterplatz

Und der reformierte Kirchenratspräsident Michel Müller sagt: «Gerade auch weil die christlichen Kirchen in ihrer Geschichte zum Antisemitismus beigetragen haben, tragen sie eine besondere Verantwortung dafür, ihn heute zu verhindern.»

«‹Auge um Auge› ist ein Teufelskreis der Gewalt»

Zur gleichen Zeit, unweit entfernt auf dem Bürkliplatz: Peace-Flaggen und Gedenkkerzen. Dass die «Kundgebung für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina» gleichzeitig stattfindet, ist Zufall. Zu dieser aufgerufen haben die Gruppe Schweiz ohne Armee und die Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina. Sie fordern das unverzügliche Ende der Gewalt, auf beiden Seiten. Hunderte sind dem Aufruf am Donnerstagabend gefolgt.

Auch auf dem Bürkliplatz haben sich Menschen zu einer Kundgebung zusammengefunden.

Vor einer Schweigeminute in Gedenken an die Opfer im Nahen Osten werden auf der Bühne die Reden von zwei Menschen verlesen, die anonym bleiben wollen. Gemäss der Organisatoren handelt es sich um einen palästinensischen und eine israelische Friedensaktivistin aus der Schweiz.

«‹Auge um Auge, Zahn um Zahn› führt nur zu einem Teufelskreis der Gewalt», heisst es in der Rede des Palästinensers. Er träume davon, dass die gesamte Region «zu einem Dorf des Friedens wird, in dem palästinensische und israelische Kinder Seite an Seite aufwachsen, voneinander lernen und Freundschaften schliessen». Er sehe nur zwei Optionen für Frieden: ein unabhängiges Palästina, das in Frieden neben Israel existiert; oder eine Ein-Staat-Lösung, die allen Menschen gleichberechtigt Schutz und Sicherheit bietet.

«Man sagt mir, in diesem Krieg habe man keine Wahl. Aber wir haben immer eine Wahl.»

aus der Rede einer israelischen Aktivistin

Die israelische Aktivistin beschreibt, wie sie in den Tagen nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober in den sozialen Medien eine Todesnachricht nach der anderen erhielt, während sie selbst in ihrem Büro in Zürich sass und sich nicht konzentrieren konnte. «An manchen Tagen geht meine Traurigkeit so tief, dass ich das Gefühl habe, nie den Grund des Brunnens der Trauer zu erreichen.»

Eine Sprecherin las stellvertretend die Rede einer israelischen Aktivistin vor.

Die Polarisierung beschäftigt die Frau. «Meine israelischen Kollegen, selbst in Zürich, sind in ihrer Sorge und Angst misstrauisch gegenüber jedem, der auch nur einen Palästinenser kennt.» Auf der anderen Seite würden ihre palästinensischen Bekannten in sozialen Medien Inhalte verbreiten, die den Schrecken der Hamas-Angriffe nicht im Ansatz erwähnen und Israel für alles verantwortlich machen würden.

«Man sagt mir, in diesem Krieg habe man keine Wahl. Aber wir haben immer eine Wahl», schliesst sie ihre Rede.

Manchmal stelle sie sich vor, wie Israel und die palästinensische Führung mit den umliegenden Nationen im zerstörten Kibbuz Be’eri zusammenkommen und eine neue Vision für die Region entwickeln. «Das klingt verrückt, ich weiss. Aber ist es nicht viel verrückter, unschuldige Menschen in ihren Häusern zu töten?»