Max Küng lacht am GolfplatzSo etwas habe ich noch nie gesehen!
Unser Autor macht Velopause und beobachtet eine eigenartige Prozession.
Unlängst schwärmte ich davon, wie schön es sei, im eigenen Keller auf dem Hometrainer zu strampeln. Dem ist in der Tat so, doch auch das Fahrradfahren en plein air hat seinen Reiz. Was mich immer wieder verblüfft: Man tritt ein paarmal in die Pedale, schon hat man die Stadt hinter sich und erfährt Terra incognita, verschwindet in einem Wald, der so kühl ist wie ein Keller, fährt über heuduftende Wiesen oder durch spektakulär unspektakuläre Agglomerationsgebiete.
Dabei entdeckt man nicht selten Dinge, von denen man nicht wusste, dass sie überhaupt existieren; manche davon erscheinen auf den ersten Blick wie Rätsel oder Wunder gar. Letzte Woche etwa sah ich seltsame, hellgraue Formen in der Landschaft. Ich hielt an, besah die Sache. Die hellen Formen massen mehrere Meter und erinnerten an die biomorphen Sujets des Künstlers Jean Arp. Es waren grubenartige Löcher auf einer ansonsten makellosen und wie der Schädel eines Fussballfans kurz geschorenen Wiese. Erich von Däniken würde beim Anblick dieser Landschaftsphänomene ausrufen: «Zeugnisse ausserirdischer Besucher! Beweise der Existenz der Prä-Astronautik!»
Dann erschienen auf der Wiese seltsame Wägelchen. Sie fuhren wie von Geisterhand gelenkte Kinderwagen, besassen auch diese Dimensionen. Mit etwas Abstand folgten den Wägelchen Menschen, doch sie trugen keine Raumanzüge, sondern bunte Freizeitkleidung, die stark mit der harmonisch in Grüntönen gehaltenen Natur kontrastierte.
Langsam schritten sie über die Wiese, eine träge Prozession. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Wie Androiden mit vorauseilenden Robo-Haustieren. Dann hielten die Menschen inne, machten sich an den Wägelchen zu schaffen, zogen in der Sonne glänzende Stangen heraus und rieben mit Lappen daran herum. Da wurde mir klar: Es war ein Golfplatz, den ich betrachtete! Die mysteriösen Gruben auf der Wiese waren von Menschenhand geschaffene Miniwüsten aus Sand, Hindernisse, in der Golfsprache «Bunker» genannt. Die Wägelchen waren Elektro-Caddys mit Golftaschen.
Ich habe auch mal Golf gespielt, im Engadin, weil ich im Hotel Werbung sah für einen «gratis Golfkurs», wobei mich das Wort «gratis» mehr lockte als «Golf». Gratis, Gratins und Gratifikationen, damit bin ich zu kriegen. Doch ich hegte auch eine leise Hoffnung, dass in mir vielleicht ein verstecktes Talent schlummerte, das entfesselt würde. Eventuell startete ich subito nach dem Gratiskurs eine steile Profikarriere, obwohl ich damals schon angejahrt und etwas ausser Form war, denn: Auch Golfprofis sind ja oft recht reif und sehen nicht selten eher aus wie Barpianisten denn wie Spitzensportler. Allerdings merkte ich beim Gratiskurs schnell, dass ich über keinerlei Talent verfügte. Minigolf war wohl eher meine Kragenweite, auch finanziell gesehen.
Auf dem Platz schickte sich einer an, einen Ball zu schlagen. Erst schwang er seinen Schläger probehalber, dann machte es «klack!». Der Ball flog davon, aber nicht so weit, wie er sollte, landete in etwas, das aussah wie ein Feuchtbiotop: das Wasserhindernis. Es machte leise «plopp». Ich lachte laut, was mir sofort leidtat, aber mir war, als lachten auch die Lurche im Tümpel, die Molche und die Kröten sowie die in den Bäumen hockenden Vögel. Der schlechte Golfspieler hob seinen Kopf und schaute mit einem Trump-Blick in meine Richtung. Schnell stieg ich zurück auf mein Velo und fuhr davon. Auch einer dieser Vorzüge des Fahrradfahrens: Ruckzuck ist man im nächsten Wald verschwunden und lässt die Dinge hinter sich.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
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