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Max Küng denkt gross
Stehen zwei Zürcher das erste Mal am Meer…

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Der Witz ist ein Klassiker der in den letzten Jahren unter Druck geratenen Humorsparte «Regionale Eigenheiten und Klischees», doch man kann ihn noch immer erzählen, denn es geht um Zürich, da hält sich das Mitgefühl ringsherum in Grenzen. Der Witz geht so: Stehen zwei Zürcher das erste Mal am Meer. Fragt der eine: «Wie findest dus?» Schweigt der andere, zuckt dann mit der Schulter und meint: «Ich habs mir grösser vorgestellt.»

Die beiden Zürcher können gleich am Meer stehen bleiben, denn wir brauchen sie in ein paar Sätzen wieder als Statisten. Es geht nun um etwas, das viel grösser als das Meer ist! Es geht um einen Stapel Spielkarten.

Es mag bieder klingen, aber ich liebe Spielabende. Scrabble, Risiko, Halma: Egal, Hauptsache, ich gewinne. Am schnellsten vergeht die Zeit mit Brändi Dog, einem Brettspiel, bei dem nicht gewürfelt, sondern mit Bridge-Karten gespielt wird. Bei einem Brändi-Dog-Abend griff sich ein Mitspieler den Stapel Spielkarten, um sie zu mischen. Er fragte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass der Stapel Karten in seinen Händen nach dem Mischen in derselben Kombination auf den Tisch zu liegen kommt wie zuvor, wie viele Kombinationen mit zweiundfünfzig Karten möglich seien. Es war eine seiner Klugscheisserfragen, ich stieg trotzdem drauf ein, rechnete die Sache im Kopf durch. Im Rechnen war ich nie gut, also sagte ich «Tausend!», weil tausend immer gut klingt.

Der Mischer lachte auf und sagte: «Die Zahl ist die Fakultät von 52, wobei man Fakultät mit einem Ausrufezeichen darstellt.» Ich sagte: «Hä?» Er erklärte.

Eigentlich sei es ganz einfach: «52! heisst 52x51x50x49x48 … und so weiter. So kommst du auf die Anzahl der Möglichkeiten, wie zweiundfünfzig Spielkarten gemischt sein können. Lies mal den Essay von Scott Czepiel dazu.»

Dies tat ich – und seither kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, weil die an sich so simple Sache mein Vorstellungsvermögen übersteigt. Für die Erläuterung des Essays können wir die beiden am Meer wartenden Witz-Zürcher gebrauchen, denn Scott Czepiel verwendet in seiner Ausführung ein hübsches Bild, um die Grösse von 52! zu verdeutlichen.

Zusammengefasst: Die beiden Zürcher begeben sich zum Äquator, stellen einen Timer auf 52! Sekunden. Dann beginnen die beiden, die Erde zu umrunden, aber gemächlich, sie tun nur einen Schritt alle Milliarde Jahre. Wenn sie auf diese Weise die Erde umrundet haben, nimmt einer von ihnen einen Schluck aus dem Meer, dann umrunden sie die Erde wie zuvor: Nur alle Milliarde Jahre einen Schritt! Dann wieder ein Schluck Meerwasser. Dann wieder um die Erde. Und so weiter, bis das Meer leer ist. Dann legen sie ein Blatt Papier auf den Boden, das Meer wird wieder aufgefüllt, und alles beginnt von vorne – und zwar so lange, bis der Papierstapel bis zur Sonne reicht. Aber auch dann ist noch üppig Zeit auf dem Timer! Also alles nochmals von vorne, bis der Stapel wieder zur Sonne reicht, und dies dann tausendmal hintereinander – immerhin ist danach ein Drittel von 52! Sekunden verstrichen.

Das gibt eine Ahnung von der Zahl, die sogar für einen Zürcher nur schwer vorstellbar ist: 52!. Und diese Ahnung von Ewigkeit steckt in einem Stapel Spielkarten, zweiundfünfzig Stück, gemischt wie wohl nie zuvor und nie danach. Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich es mir vorstellen.

Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».