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Stromausfall in Kuba
«Macht das Licht an»: In Kuba regt sich seltener Protest

TOPSHOT - A car drives along a street during a nationwide blackout caused by a grid failure in Havana, on October 19, 2024. Technical breakdowns, fuel shortages and high demand have caused the country's thermoelectric power plants to constantly fail, forcing the government to declare an energy emergency and take measures such as closing schools and factories. (Photo by ADALBERTO ROQUE / AFP)
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In Kürze:
  • Kuba erlebt einen landesweiten Stromausfall nach Kraftwerkszusammenbruch.
  • Hurrikan Oscar verschärfte die Krise durch zusätzliche Schäden an der Infrastruktur.
  • Kubanerinnen verlassen das Land angesichts wirtschaftlicher Not und Versorgungsengpässen.
  • Regierung macht US-Embargo verantwortlich und droht Protestierenden mit harter Gesetzesdurchsetzung.

In Kuba funktioniert nichts mehr. In den aufgetauten Kühlschränken krabbelt Ungeziefer, der öffentliche Verkehr steht still, die Schulen sind geschlossen, in den Spitälern werden nur noch die dringendsten Operationen durchgeführt. Am vergangenen Freitag fiel im ganzen Land plötzlich der Strom aus. Seither hat sich das Leben von elf Millionen Kubanerinnen und Kubanern verdunkelt.

Die Regierung arbeite «unermüdlich» daran, die Stromversorgung wiederherzustellen, sagte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel zuletzt mehrmals. Am Sonntag hatten mehrere hunderttausend Menschen vorübergehend für einige Stunden Strom, bevor wieder das gesamte Netz ausfiel. Am Montag meldete die Energiebehörde von Havanna, die Hälfte der Hauptstadt habe wieder Strom. Nachhaltig und landesweit gelöst ist das Problem aber sicherlich nicht, wie Beiträge verzweifelter Bürgerinnen und Bürger auf Sozialen Medien zeigen.

Weil die Leute ihre Handy-Akkus nicht aufladen können, dringen relativ wenig Informationen nach aussen. Klar ist, dass es für viele Menschen um das Überleben geht. Sie kochen auf den Trottoirs mit Brennholz. An mehreren Orten bilden sich lange Schlangen von Menschen, die für die wenigen verfügbaren Gasflaschen anstehen.

Residents prepare a soup over an open fire during a blackout following the failure of a major power plant in Havana, Cuba, Saturday, Oct. 19, 2024. (AP Photo/Ramon Espinosa)

Auf der kubanischen Kleinanzeigenseite «Revolico» werden Stromgeneratoren und Solarzellen für Preise bis zu umgerechnet 2000 Franken verkauft, was für viele Menschen etwa einem Jahresgehalt entspricht. Wer Glück hat, bekommt Taschenlampen, Ventilatoren und vielleicht sogar einen Generator von Verwandten aus den USA zugeschickt. 

Ausgelöst wurde die Stromkrise durch den Zusammenbruch des maroden Kraftwerks Antonio Guiteras am Freitag. Als wäre der Schaden nicht schon gross genug, traf am Sonntag der Hurrikan Oscar auf Kubas Ostküste, was die Infrastruktur weiter beschädigte. Immerhin hat sich Oscar zuletzt abgeschwächt. 

In der Bevölkerung macht sich neben Konfusion und Verzweiflung zunehmend auch Wut breit. Videos auf sozialen Netzwerken zeigen, wie Menschen an mehreren Orten der Hauptstadt Havanna und in anderen Provinzen auf Pfannen und Kochtöpfe schlagen, eine bekannte Protestform in Lateinamerika. «Macht das Licht an», riefen dabei Dutzende Menschen, unter ihnen Frauen mit Kindern auf dem Arm, im Viertel Santo Suárez in Havanna.

Wer kann, verlässt das Land

Acht Jahre nach dem Tod von Fidel Castro haben die Menschen weniger Achtung vor einem Regime, das das Land zunehmend abgewirtschaftet hat. Unter Präsident Miguel Díaz-Canel hat sich die ohnehin prekäre Wirtschaftslage weiter verschlechtert. Die Inflation ist hoch, die Lebensmittel sind knapp und die Löhne tief. Mehr als eine Million Menschen, etwa ein Zehntel der Bevölkerung, haben die Insel seit Anfang 2022 verlassen.

Die Vergangenheit zeigt, dass Stromausfälle und damit verbundene Versorgungsengpässe für das Regime gefährlich sind. Im Juli 2021 gingen Tausende Demonstranten auf die Strasse. Im März dieses Jahres waren es in Kubas zweitgrössten Stadt Santiago Hunderte. Der aktuelle Stromausfall ist aber um einiges gravierender und bereits jetzt der grösste seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Das Regierungsversagen ist offensichtlich. Die Stromversorgung ist marode. Kuba ist bis heute fast komplett von fossilen Brennstoffen wie Gas, Diesel und Heizöl abhängig, wobei Diesel und Heizöl importiert werden müssen. Der selbst in einer ökonomischen Krise steckende sozialistische Bruderstaat Venezuela hat seine Lieferungen zuletzt gekürzt. Kubas Regierung hat angekündigt, Fotovoltaikanlagen bauen zu lassen. Doch die sind frühestens 2028 fertig.

Cuba's President Miguel Diaz-Canel arrives at the inauguration ceremony of Mexico's President-elect Claudia Sheinbaum at the Congress of the Union in Mexico City on October 1, 2024. (Photo by CARL DE SOUZA / AFP)

Wie üblich macht Präsident Díaz-Canel das seit Anfang der 60er-Jahre geltende Handelsembargo der USA für die Misere verantwortlich. Der 64-Jährige hat bereits angekündigt, gegen Proteste – er spricht von «Vandalismus» – «mit der Strenge der revolutionären Gesetze» vorzugehen.

Die Proteste würden auch von Leuten genutzt, die vom Ausland aus gesteuert würden, so der Präsident weiter. Ohnehin setzte er zuletzt auf sozialen Medien in hoher Kadenz Botschaften ab. Er bedauert etwa, dass die Feierlichkeiten für den Tag der Kultur wegen des Stromausfalls ausfallen würden. Das sei aber kein Problem, schliesslich habe man ja «Heimat, Revolution und Sozialismus». Fehlt nur noch der Strom, möchte man anfügen.