Schweizer «Tatort»Von «lahm» bis «souverän»: Die Kritik aus Deutschland
In den deutschen Medien fallen die Reaktionen auf den gestrigen «Tatort» aus Zürich vornehmlich negativ aus. Aber es gibt auch andere Stimmen – und akzeptable Zahlen.
Fast die Hälfte unserer Lesenden gaben der am Sonntag ausgestrahlten Zürcher Episode «Blinder Fleck» in unserer Umfrage 4 Sterne; und rund ein Viertel verteilte 3 Sterne. Auch unsere Kritik urteilte erleichtert: endlich ein akzeptabler «Tatort» aus Zürich. Aber wie sah man es im «Tatort»-Stammland Deutschland?
Die Reaktionen sind heterogen. Und was auffällt: Die Reaktionen zwischen dem Gros der Feuilletonkritik und dem Gros der bundesdeutschen Zuschauerinnen und Zuschauer liegen diesmal weit auseinander. Die Zuschauerkommentare auf der Website Tatort-fans.de beispielsweise fallen vornehmlich positiv aus: «Ein spannender Tatort, geht doch» heisst es dort. Ein anderer Kommentator vergibt dort begeistert 5 Sterne mit Ausrufezeichen und resümiert: «interessante Geschichte; das Team (insbes. Grandjean!) wird immer sympathischer; die Synchronisation haben die Schweizer nun offenbar im Griff.» Ähnlich urteilt ein anderer: «Endlich mal ein spannender Tatort ohne Kammerspiel, hochtrabende Hintergründe usw. Mir hats gefallen.»
Einer fasst zusammen: «Und da solls immer noch Leute geben, die der Meinung sind, aus der Schweiz kommen nur unverständliche und langweilige TO–Produktionen … meiner Meinung nach war der heutige Schweizer Beitrag in allen Bereichen sehr gut gemacht. Echt zufriedenstellender Sonntagabend-Krimi – und dazu wirklich auch noch Krimi.» Auf der ARD-Website selbst – auf der diese «Tatort»-Folge im Schnitt 3,5 Sterne erhält, jubelt jemand gar: «Super Tatort!»
«Hart am Rand der Soap»
Die deutsche Feuilletonkritik sieht es allerdings mehrheitlich ganz anders. Der «Spiegel» resümiert voller Spott und vernichtender Verkleinerungsform: «4 von 10 Punkten. Drohnenkrieg und Völkermord: Die beiden wuchtigen und schwierigen Themen sprengen den Rahmen dieses Zürcher Krimili.» Die SZ sieht diese Episode immer wieder «hart am Rand einer Soap». Sie spricht dem geschilderten Fall zwar Relevanz zu, aber «die Flughöhe in Sachen emotionale Komplexität ist schon fast gefährlich niedrig». Die «Zeit» ätzt über einen «lahmen Fall» voller verschenkter Momente. Und der «Merkur» titelt: «Der Schweizer Krimi ist eine lahme Luftnummer.»
Aber es gibt auch andere Stimmen. Die FAZ widmet «Blinder Fleck» eine längere, differenzierte Rezension. Sie hält fest, es sei erstaunlich, «wie sehr sich Tonart und Konsistenz dieser Episode von dem zugleich langatmigen wie zu grellen Vorgänger ‹Seilschaft› unterscheiden.» Die FAZ resümiert: «Insgesamt ist hier ein vielschichtiger, souverän gespielter und leider wieder hochaktueller Film über kaum zu bewältigende Kriegstraumata gelungen.» Und SWR3 findet: «Alles in allem ist es ein solider Krimi.»
Ordentliche Zahlen
Tatsächlich hat die Zürcher Folge in Deutschland für einmal den durchschnittlichen Marktanteil (2022: 26,9 Prozent) getoppt wie auch die durchschnittliche Zuschauerzahl (2022: 8,14 Millionen). Denn er kam auf 8,31 Millionen Zuschauer und einen achtbaren Marktanteil von 30,1 Prozent.
Es gibt, so die Pressestelle von ARD auf Anfrage, jedoch einen Wermutstropfen. Man dürfe nicht mit dem allgemeinen Durchschnitt vergleichen, sondern müsse den der Erstausstrahlungen anschauen. «Und die Tatort-Erstausstrahlungen hatten 2022 einen Durchschnittswert von 8,91 Mio. Zuschauern. Da reicht es dann leider nicht ganz bei dem gestrigen Wert.» SRF unterstreicht freilich, dass dieser 6. Fall aus Zürich mit 30,1 Prozent Marktanteil der «in Deutschland erfolgreichste Schweizer Tatort seit 1993» ist. Immerhin.
In der Schweiz erreichte «Blinder Fleck» 390'000 Zuschauerinnen und Zuschauer (mehr als auch schon), bei einem Marktanteil von 29,3 Prozent (zum Vergleich: Die erste Zürcher Folge im Herbst 2020 hatte einen Marktanteil von 36,7 Prozent, Folge Nummer 2, «Züri brännt», dann nur noch 28,7 Prozent).
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