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Dürre am Horn von Afrika
Krieg in der Ukraine, Tote in Somalia

Krank und unterernährt: Viele somalische Kinder sind akut vom Tod bedroht - wie die 2-jährige Najax Ahmed Mahumed in einem Krankenhaus in Mogadiscio.
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Somalische Ziegen sind äusserst genügsame Tiere, sie stehen Hitze und Trockenheit durch, selbst unter harschen Bedingungen liefern sie noch verlässlich Milch. Doch auch die zähen Paarhufer kommen irgendwann an ihre Grenzen. Wenn erst einmal ganze Ziegenherden verhungern und verdursten, so wie es seit dem Herbst in vielen ausgedörrten Gebieten Somalias zu beobachten ist, dann ist das ein düsterer Vorbote.

Im Nordosten Afrikas weiss man, wie die Zeichen zu deuten sind: Erst sterben die Tiere, dann die Menschen.

«Wer aus den Städten hinausfährt, sieht immer wieder Kadaver von Tierherden liegen», sagt der Somalier Mowlid Mudan, schon seit dem Herbst verenden sie in grosser Zahl. Und wer hoffte, dass die Regensaison 2022 Erleichterung schaffen könnte, wurde enttäuscht. «Es hat viel zu wenig geregnet in den vergangenen Wochen», sagt Mudan, der gerade aus den Orten Baidoa und Kismaayo in die Hauptstadt Mogadiscio zurückgekehrt ist, wo man ihn per Videocall erreicht.

Mudan arbeitet für die Hilfsorganisation Save the Children und er erzählt von bitteren Momenten, die er in diesen Tagen erlebt. Hirten in Not zieht es jetzt in die Städte, in der Hoffnung, dass Verwandte vielleicht noch etwas Geld oder Essen haben; oder dass sie Helfer finden, die Camps für Notleidende betreiben. Mudan sieht eine der Familien noch vor sich, die erschöpft das Team von Save the Children erreichten, die Eltern suchten nach Hilfe für ihr schwer unterernährtes Baby. Die Helfer waren zur Rettung bereit, aber sie konnten nichts mehr tun. Das Kind war am nächsten Morgen tot.

Sorgt sich um das Wohl der somalischen Kinder: Mowlid Mudan von der Hilfsorganisation Save the Children.

«Oftmals kommen die Leute zu spät, es wäre wichtig, die Jüngsten schon zu versorgen, bevor sie in einen so kritischen Zustand verfallen,» sagt Mudan. Ohne Milch und Fleisch ihrer Herden droht den Hirtenvölkern am Horn von Afrika die Katastrophe, viele können nur noch durch Hilfe von aussen überleben. Auch die Existenz vieler Ackerbauern ist bedroht, weil ihre Ernten ausfallen werden.

Noch seien es einzelne Kinder, die sterben, sagt Mudan, «aber so wie sich die Dinge entwickeln, muss man damit rechnen, dass die Mortalität rasch nach oben klettern wird». Somalia ist eine jener Regionen, die von den Landwirtschaftsexperten der Vereinten Nationen jüngst als besonders bedrohte Hunger-Hotspots eingestuft wurden. Nach UN-Analyse sind bis zu 750'000 Menschen in diesen Gefahrenzonen vom Hungertod bedroht, ausser Jemen und Afghanistan liegen alle diese Gebiete in Afrika.

Am Horn von Afrika ist nun schon die vierte Regensaison mehr oder weniger ausgefallen, und Experten warnen, dass massive und schnelle Hilfe nötig sein wird, um das Schlimmste abzuwenden. «Es ist bereits sehr spät für diese Schritte», sagt die Entwicklungsexpertin Laura Hammond von der School of Oriental and African Studies in London. «Es gibt keinen Zweifel, dass die Hilfe sehr dringend gebraucht wird.» Auch unabhängige Experten stützen also die Einschätzungen der Vereinten Nationen.

Das Wasser reicht einfach nicht

Klimaveränderungen und das Phänomen La Niña werden im Wesentlichen dafür verantwortlich gemacht, dass die Dürreperioden am Horn von Afrika schon so lange andauern und ausreichender Regen seit Jahren ausbleibt. «Die Hirten ziehen mit ihren Herden umher, und wenn es dann irgendwo kurz regnet, sammeln sich dort so viele Menschen und Tiere, dass alles, was wächst, sehr schnell wieder verschwindet.» Das Wasser reicht einfach nicht.

Die zweijährige Tochter von Ifrah Mohamud kämpft im Krankenhaus in Mogadiscio ums Überleben. 

Aber nun ist da auch noch dieser Krieg in der Ukraine, weit weg von den ausgedörrten Ebenen Somalias, aber in seinen Folgen doch sehr akut für alle afrikanischen Regionen, die auf Hilfe angewiesen sind. «Die schwierige Lage in Somalia ist nicht alleine Ergebnis der Ukraine-Krise», sagt Laura Hammond, aber der Konflikt mache es doch sehr viel komplizierter, die Hungerprobleme zu entschärfen.

Ähnliches gilt auch für weitere Krisenherde auf dem Kontinent, wo das Elend zunimmt, besonders alarmierend ist die Lage in Äthiopien und der dortigen Kriegsregion Tigray, sowie dem Sahel-Gürtel, der südlich der Sahara vom Osten des Kontinents bis nach Westafrika verläuft.

Das Land Tschad hat bereits den Notstand ausgerufen, was nicht nur mit klimatischen Verhältnissen zu tun hat, sondern mit den vom Konflikt in der Ukraine getriebenen Preissteigerungen für Lebensmittel und Treibstoff. «Im Sudan und Äthiopien etwa kämpfen die Menschen schon mit Preissteigerungen um 40 Prozent», sagt Ulf Terlinden, Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi. Wer ohnehin nur ein paar Dollar am Tag hat, um seine Familie durchzubringen, rückt so schnell an den Abgrund.

Düngemittel werden wegen des Ukraine-Kriegs knapp

Hinzu kommt, dass der Ukraine-Krieg zu Engpässen bei Düngemitteln führt und viele Bauern sie nicht mehr bezahlen können. Die Vereinten Nationen rechnen mit schweren Folgen für die kommerzielle landwirtschaftliche Produktion auf dem afrikanischen Kontinent selbst, zumal auch die Spritpreise nach oben geschnellt sind. Das Welternährungsprogramm schätzt, dass alleine in Äthiopien die lokale Getreideernte um 21 Prozent einbrechen dürfte.

Um Hunger-Hotspots zu entschärfen, wird, wie Terlinden sagt, «schnelle und massive Hilfe» nötig sein, das Thema müsse auf die Agenda des kommenden G-7-Treffens. Gestiegene Preise und Lieferengpässe werden dabei den Finanzbedarf für die internationale Hilfe in die Höhe treiben. «Die Weltgemeinschaft muss sich klarmachen, dass eine Organisation wie das Welternährungsprogramm WFP für eine fixe Summe an Zuwendungen heute deutlich weniger einkaufen kann als früher», sagt die Entwicklungsökonomin Laura Hammond aus London.

Am Horn von Afrika, das ist schon jetzt absehbar, wird die Entschärfung der Situation an den Hunger-Hotspots sehr kompliziert und mühsam, auch weil regionale Konflikte und Kriege die Verteilung von Hilfe erheblich erschweren. In Somalia stammten früher 92 Prozent des importierten Weizens aus der Ukraine und Russland, weil diese Zufuhr nun wegbricht und durch andere Quellen ersetzt werden muss, droht auch in den Städten grösseres Elend.

Und ausserhalb der Städte? «Man wird auch mit der Gruppe al-Shabaab verhandeln müssen, um Hilfe zu den Bedürftigen zu bringen», sagt Omar Mahmood, Somalia-Experte der International Crisis Group. Die radikal-islamistische Miliz, die gegen die Regierung und internationale Truppen kämpft, kontrolliert grosse Gebiete ausserhalb der somalischen Städte und hat seit dem von Trump angeordeten Abzug der US-Truppen in 2020 an Stärke zugelegt. Nun hat Biden den Abzug wieder rückgängig gemacht und sich für eine erneute ständige Stationierung von US-Truppen in Somalia entschieden.

Womöglich werden viele Menschen versuchen, in Gegenden zu wandern, die von der Regierung kontrolliert sind und wo mit internationaler Hilfe zu rechnen ist. Aber das wird nicht allen Notleidenden gelingen. Insofern bleibt die grösste Schwierigkeit, die Nahrung und Hilfe wirklich dorthin zu schaffen, wo sie am dringendsten benötigt wird.

Und wie überall in Kriegsgebieten werden bewaffnete Gruppen versuchen, Steuern auf solche Lieferungen einzutreiben – oder einen Teil gleich ganz abzuzweigen. «Das lässt sich in solchen Verhältnissen oftmals gar nicht vermeiden», sagt Ulf Terlinden. Helfer reden nicht gerne über dieses Dilemma, aus dem niemand einen Ausweg kennt.