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Krieg in der Ukraine
Selenski überrascht mit Gedanken­spielen zur Krim

Rückt die Krim wieder in den Mittelpunkt: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski an der Krim-Konferenz in Kiew. Ziel bleibe auf jeden Fall die völlige Räumung der Insel von den russischen Truppen. 
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Mit einem Mal steht die Krim wieder im Mittelpunkt. Mindestens 42 ukrainische Drohnenangriffe an einem Tag auf die Krim, die selbst das russische Verteidigungsministerium zugibt. Zuvor schon, gemäss Kiew, Kommandounternehmen ukrainischer Kräfte und die Zerstörung einer russischen Raketenstellung ebenfalls auf der Krim. Bereitet die Ukraine eine militärische Befreiung der von Russland besetzten Halbinsel vor – oder ist sie im Gegenteil zu Verhandlungen bereit? Auf den ersten Blick scheint jedes Szenario möglich, seitdem Präsident Wolodimir Selenski und andere Offizielle die Krim wieder in den Mittelpunkt rücken.

Den Auftakt machte Selenski am 23. August auf der Internationalen Krim-Plattform in Kiew. Da sagte Selenski: «Ich bin nicht überzeugt, dass wir heute das Recht haben, öffentlich über eine militärische Befreiung der Krim von der Besatzung zu sprechen.» Vier Tage später fragte eine Fernsehjournalistin beim Präsidenten nach, was er damit gemeint habe. «Weniger Opfer», antwortete der Präsident. «Wenn wir an den Verwaltungsgrenzen der Krim sind, dann denke ich, dass man politisch die Demilitarisierung Russlands auf dem Territorium der ukrainischen Krim erzwingen kann.» Selenski fuhr fort, das sei vielleicht «besser» als ein Versuch der militärischen Rückeroberung.

Das dahinterstehende Gedankenspiel könnte folgendes sein: Sollte die ukrainische Armee einmal die russischen Besatzer aus dem Landstreifen an der Küste des Asowschen Meeres vertreiben, dann erreicht sie die Verwaltungsgrenzen zur seit 2014 von Moskau besetzten, illegal annektierten Krim. Der Kreml könnte die Krim dann nur noch über Eisenbahn- und Autobrücken über die Kertsch-Meerenge versorgen sowie über ebenfalls verletzliche Flugzeuge oder Schiffe. Die Krim wäre isoliert vom restlichen Russland, und Moskau könnte sich gezwungen sehen, die Krim letztlich zu demilitarisieren und vielleicht gar aufzugeben.

Möglich aber ist auch, dass der ukrainische Präsident nur öffentlich den Eindruck erwecken wollte, verhandlungsbereit zu sein, ohne seine Position tatsächlich zu ändern. Denn Selenski bekräftigte auf der Krim-Konferenz auch: «Die Krim ist Ukraine. Wir kämpfen für die Krim und alle anderen zeitweise besetzten ukrainischen Territorien und werden unsere Territorien nicht für irgendeine Mitgliedschaft in irgendeiner Union eintauschen.» Selenski bezog sich damit auf Spekulationen, die Ukraine könne etwa den Anspruch auf die Krim gegen eine Mitgliedschaft in EU oder Nato aufgeben.

Kiew will militärische Handlungsfähigkeit beweisen

Sowohl Selenski wie auch sein ihm nahestehender Militärgeheimdienstchef betonen die militärischen Fähigkeiten der Ukraine, auch auf der Krim. Mit der möglichen Zerstörung eines russischen S-400-Raketensystems auf der Krim am 23. August, einer Landung ukrainischer Kommandos im Westen der Krim tags darauf und mindestens 42 von Moskau zugegebenen Drohnenangriffen einen weiteren Tag später wollte Kiew zum Zeitpunkt der Krim-Konferenz und des ukrainischen Unabhängigkeitstages offenbar militärische Handlungsfähigkeit beweisen.

Selenski betonte auf der Krim-Konferenz, die Ukraine gebe sich nur mit der völligen Räumung der Krim durch Russland zufrieden. «Und zu denken, die Krim werde nach der Deokkupierung einfach nur eine Touristenoase sein, ist nicht die Wahrheit. Niemand wird mehr die Möglichkeit haben, die Krim zu besetzen, weil dort eine Flotte sein wird … aber die ukrainische.»

Rauch über der Brücke auf die Krim: Die Ukraine schickt Drohnen auf die Krim und meldet die Landung von Kommandos auf der Insel. Präsident Wolodimir Selenski will damit Handlungsfähigkeit beweisen. 

Die «Washington Post» meldete am Sonntag, US-Offizielle erwarteten, Selenski werde Angriffe auf die Krim verstärken. Militärgeheimdienstchef Kirill Budanow betonte am Montag, die ukrainische Armee könne heute «jeden Punkt auf der Krim erreichen». Diese Angriffe müssten «intensiviert werden». Die Krim werde «nur auf einem kombinierten Weg» zur Ukraine zurückkehren: «mithilfe sowohl der Diplomatie wie auch von Waffen».

Weder Selenskis Beteuerungen noch ukrainische Angriffe auf russische Ziele auf der Krim ändern allerdings etwas an wesentlichen Fakten: Die Ukraine hat weder eine ausreichend starke Flotte noch Landungsboote oder Transportflugzeuge in grosser Zahl, die eine militärische Befreiung der Krim starten könnten. Und an Land ist die ukrainische Armee von den Verwaltungsgrenzen zur Krim noch weit über 100 Kilometer entfernt. Und diesen Vormarsch hatte Selenski ja als Voraussetzung einer politisch erzwungenen Demilitarisierung genannt.

Kritik an der ukrainischen Strategie

Vor allem US-Militärplaner sind der Ansicht, dass die in Richtung des Asowschen Meer zielende ukrainische Sommeroffensive auch deshalb noch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hat, weil Kiew seinen Truppen an vielen Stellen der Front verteilte, statt sie in der Südukraine für einen Durchbruch an einer Stelle zu konzentrieren. US-Generalstabschef Mark Milley drängte seinen ukrainischen Gegenpart Waleri Saluschni gemäss der «New York Times» am 10. August, seine Strategie zu ändern. Ähnliche Diskussionen gab es offenbar wenige Tage später bei einem Treffen Saluschnis und seiner Generäle mit Nato-Militärchef General Christopher Cavoli und Englands höchstem Militär Tony Radakin in Polen, berichtete der englische «Guardian».

Ukrainische Offizielle und auch das Institut für Kriegsstudien in Washington melden zwar ukrainische Geländegewinne in der Südukraine. So sei die Stadt Robotyne erobert worden – ein entscheidender Durchbruch aber fehlt weiter. US-Militärs gehen gemäss amerikanischen Medien davon aus, dass die Ukraine ihre Offensivziele nicht mehr in diesem Jahr erreicht und der Krieg mindestens noch im Jahr 2024 weitergeht.