Krieg in der UkraineGegenoffensive stockt, russischer Kommandant ist skeptisch
Amerikanische Geheimdienste bezweifeln laut einem Medienbericht den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive. Ein russischer Kommandant traut der eigenen Armee keinen Sieg mehr zu.
Amerikanische Geheimdienste rechnen nicht damit, dass es der Gegenoffensive der ukrainischen Armee gelingt, die besetzte Stadt Melitopol zu erreichen. Das berichtet die «Washington Post». Die Zeitung bezieht sich auf eine anonyme Quelle aus dem US-Geheimdienstapparat. Laut dieser würde die ukrainische Armee wegen der starken russischen Befestigungen und der ausgedehnten Minenfelder in der Region wahrscheinlich schon mehrere Meilen vor Melitopol nicht weiter vorrücken können.
Wenn sie zutrifft, dann bedeutet diese Einschätzung im Wesentlichen, dass die Gegenoffensive ihr Hauptziel, die von Russland besetzte Landbrücke zur ebenfalls besetzten Halbinsel Krim zu unterbrechen, wahrscheinlich nicht erreichen wird. Melitopol ist ein strategisch wichtiger Verkehrsknotenpunkt und gilt als «Tor zur Krim». Ein Eingeständnis, dass eine Rückeroberung der Stadt misslingt, hätte weitreichende Folgen für den gesamten Krieg. Experten gehen davon aus, dass ein ukrainischer Durchbruch zum Asowschen Meer vermutlich den Zusammenbruch grosser Teile der russischen Armee in der Ukraine zur Folge hätte.
Grossangriff der Ukraine steht möglicherweise noch bevor
Seit Monaten konzentriert sich deshalb die ukrainische Armee darauf, eine entsprechende Schwachstelle in den russischen Verteidigungslinien zu finden. Abgesehen von kleineren Geländegewinnen und der Befreiung einiger Dörfer waren diese kleinen Vorstösse von oft nur einem Dutzend Soldaten bisher aber nicht erfolgreich. Nach anfänglichen Verlusten in den Minenfeldern und durch Luftangriffe hält die ukrainische Armee die vom Westen gelieferten Kampf- und Schützenpanzer grösstenteils zurück, es könnte also sein, dass ein grosser Angriff ukrainischer Verbände erst noch bevorsteht. Es kursierten aber ebenfalls schon seit einigen Monaten Gerüchte, wonach in Teilen der amerikanischen Regierung nur noch mit geringen Rückeroberungen durch die ukrainischen Streitkräfte gerechnet wird.
Die russische Armee ist derzeit allerdings auch kaum zu grösseren Angriffen in der Lage. Wenn nun die ukrainische Gegenoffensive endgültig zum Stillstand käme, würde der Krieg wahrscheinlich in eine neue Phase der Stellungsgefechte eintreten oder ganz einfrieren. Diese Möglichkeit brachte laut dem Institute for the Study of War nun auch ein russischer Kommandant, der an der Front im Süden im Einsatz sein soll, erneut ins Spiel. Er geht in einem Post auf Telegram davon aus, dass die russische Armee die Ukraine nicht militärisch besiegen und auch keine Städte besetzen könne. Der Russe erwartet einen Zustand, der weder Krieg noch Frieden ist, also womöglich dem von 2015 bis 2022 schwelenden Konflikt im Donbass ähnelt – nur in wesentlich grösserem Massstab. Für die Ukraine wäre das eine schwierige Situation, da jederzeit wieder mit einem Aufflammen des Kriegs gerechnet werden müsste.
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