Medizinische VorsorgeWann lohnt sich eine Krebs-Früherkennung?
Mammografie, Darmspiegelung, PSA-Test: Von den angebotenen Untersuchungen sind nicht alle gleich zuverlässig. Was die Methoden bei welcher Krebsart leisten.
Mammografie, PSA-Test, Darmspiegelung: Seit Jahrzehnten gibt es für einzelne Krebsarten routinemässige Vorsorgeuntersuchungen. Doch nicht alle sind gleich zuverlässig – und für viele Krebsarten gibt es noch gar keine Vorsorgemethoden. Kommt dazu, dass es in der Schweiz kein flächendeckendes Screening gibt, für keine Krebsart. Gewisse Kantone bieten einzelne Screenings an, andere nicht.
Was können die einzelnen Früherkennungstests leisten?
Gebärmutterhalskrebs
Sowohl der herkömmliche Krebs-Abstrich (Pap-Test) als auch neuere Tests auf Humane Papillomaviren (HPV) sind laut Jakob Passweg, Chefarzt am Universitätsspital Basel und Präsident der Stiftung Krebsforschung Schweiz, «extrem effiziente und wirksame» Vorsorgemethoden. Wobei der Abstrich ohne erhöhtes Risiko nur alle drei Jahre erfolgen muss – und nicht jährlich, wie es lange praktiziert wurde. Kommt dazu, dass es eine Impfung gibt, die wirksam vor einer Infektion mit den Krebs auslösenden HPV schützt. In Zahlen: Bei Frauen, die nicht gegen HPV geimpft sind, können regelmässige Vorsorgeuntersuchungen das Gebärmutterhalskrebs-Sterberisiko um einen Faktor 12 oder mehr senken; bei geimpften Frauen um den Faktor 4 oder mehr.
Darmkrebs
Die Darmspiegelung (Koloskopie) ist laut Passweg die «beste» Vorsorgeuntersuchung. «Sie hat den Vorteil, dass man während der Untersuchung entartete Polypen entfernen kann.» Screening und Behandlung gehen dabei Hand in Hand. Diese Untersuchung könne man allen empfehlen, ab 50 Jahren. «Das einzige Unangenehme ist die Entleerung des Darms.» Bei einem unauffälligen Befund muss die Untersuchung nur alle zehn Jahre erfolgen. In Zahlen: Mit einer Darmspiegelung kann man 95 Prozent oder mehr aller gewachsenen Tumore entdecken. Zudem halbiert eine Koloskopie ungefähr das relative Risiko, an Darmkrebs zu erkranken oder zu sterben.
Eine weitere, ähnlich wirkungsvolle Methode zur Früherkennung von Darmkrebs ist der Blut-im-Stuhl-Test, der alle zwei Jahre durchgeführt werden sollte. Findet der Arzt oder die Ärztin Blut, gilt es mit einer Darmspiegelung herauszufinden, woher das stammt.
Brustkrebs
Die Mammografie ist keine perfekte Untersuchungsmethode. Einerseits kann man damit laut Passweg eine gewisse Anzahl Fälle neu entdecken. Und man kann auch eine gewisse Anzahl Betroffene behandeln und einen kleinen Anteil retten. Andererseits führen positive Tests oft auch zu einer Überbehandlung, weil viele Tumore laut Passweg «in den nächsten zehn Jahren nicht zum Tod führen werden». In Zahlen: Von 1000 Frauen, die an einem Mammografieprogramm teilnehmen, sterben im Durchschnitt 15 an Brustkrebs; von 1000 Frauen, die nicht teilnehmen, sind es 19. Etwa 4 von 1000 Frauen werden also durch das Screening vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt. Umgekehrt erhalten circa 10 von 1000 gescreenten Frauen eine Überdiagnose.
Prostatakrebs
Der PSA-Test ist notorisch unzuverlässig. Man könne damit zwar feststellen, dass etwas nicht gut sei, sagt Passweg. Häufig handelt es sich dabei aber nicht um Krebs, sondern um eine gutartige Prostataveränderung. Ein positiver Test hat zudem Folgerisiken: Eine allfällige Bestrahlung oder eine radikale Entfernung der Prostata geht mit einem beachtlichen Risiko von Inkontinenz und/oder Impotenz einher. In Zahlen: Von 1000 Männern, die sich einem PSA-Test unterziehen, haben 380 einen erhöhten PSA-Wert. 250 von ihnen haben aber keinen Prostatakrebs, sondern sie erhielten eine Fehldiagnose. Umgekehrt werden gerade einmal 3 von 1000 Männern durch den PSA-Test davor bewahrt, an Prostatakrebs zu sterben. Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat berechnet: Das Risiko von anhaltender Inkontinenz beträgt je nach Behandlung bei einigen bis 15 Prozent, bei der Impotenz liegen die Werte zwischen 17 und 45 Prozent.
Lungenkrebs
Bei einem Lungenkrebs-Screening wird mittels niedrig dosierter Computertomografie die Lunge der Betroffenen durchleuchtet. Die Methode ist laut Passweg eine umstrittene, aber durchaus wirksame Vorsorgeuntersuchung für schwere Raucher. «Das Dilemma ist: Soll man Raucher noch belohnen, indem man ihnen ein Screening anbietet?» Gemäss dem nationalen Gremium für Krebsfrüherkennung senken schwere Raucher oder Ex-Raucher ihr Lungenkrebs-Sterberisiko um bis zu 20 Prozent, wenn sie während zehn Jahren alle ein bis zwei Jahre zur Früherkennung gehen.
Hautkrebs
Vor Hautkrebs kann sich jeder und jede selber schützen, indem er oder sie den Körper regelmässig auf Veränderungen absucht und bei Auffälligkeiten auf der Haut eine Ärztin oder einen Arzt aufsucht. Laut Krebsliga gibt es jedoch zu wenig wissenschaftliche Daten, um eine systematische Früherkennung von Hautkrebs bei Personen ohne erhöhtes Risiko zu empfehlen.
Wie erfolgreich sind generell Vorsorgeuntersuchungen?
Mit einem Screening kann man laut Passweg gewisse krebsspezifische Mortalitätsraten senken. Sprich: Ein Darmkrebs-Screening kann das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, verringern. Keine einzige Screeningmethode kann allerdings die sogenannte Gesamtmortalität reduzieren, also das Risiko, in einem definierten Zeitfenster an einem Herzinfarkt oder irgendeiner anderen Ursache zu sterben. Für manche Fachleute spricht dies gegen die Früherkennung. Doch der Nachweis eines solchen Effekts sei schwierig, sagt Passweg. «Aus meiner Sicht reicht es, wenn man nachweisen kann, dass es bei Frauen, die eine Mammografie hatten, weniger Brustkrebs-Todesfälle gibt als bei solchen, die sich nicht untersuchen liessen.»
Dieser Artikel erschien erstmals am 21. April 2024, anlässlich des Weltkrebstages 2025 publizieren wir ihn in einer aktualisierten Version.
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