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Messerstecher von Würzburg
Kranker Flüchtling blieb ohne Hilfe

Zeichen der Trauer: In der Würzburger Altstadt erinnern Kerzen an die Opfer des Messerstechers vom 25. Juni.
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Zehn Tage, nachdem ein afrikanischer Flüchtling in Würzburg drei Frauen erstochen und mehrere weitere schwer verletzt hat, wird die Vorgeschichte der Bluttat klarer. Der mutmassliche Täter, der Somalier Abdirahman Jibril A., der 2015 nach Deutschland kam, fiel mehrmals als psychisch angeschlagen auf. Seine Krankheit blieb aber weitgehend unbehandelt.

In den Akten finden sich fünf Aufenthalte in der Psychiatrie. Zuletzt hielt er sich diesen Januar acht Tage und Mitte Juni für eine Nacht auf Einweisung der Polizei in einer geschlossenen Anstalt auf. In beiden Fällen entliess er sich letztlich selbst – eine akute Fremd- oder Eigengefährdung war ihm laut Klinik nicht nachzuweisen. In mindestens drei Fällen hatte Abdirahman A. bereits vor der Tat am 25. Juni mit einem Messer gedroht und dabei allfällige Gewaltbereitschaft demonstriert.

Betreuung schien unnötig

Nach zwei solchen Drohungen im Januar hatte die Behörde nicht nur die Einweisung veranlasst, sondern auch ein Strafverfahren eingeleitet, ein psychiatrisches Gutachten angefordert und eine Betreuung beantragt. Offenbar betrachteten die Behörden den Fall aber als Bagatelle: Die Erstellung des Gutachtens wurde verschleppt, das Verfahren im April schliesslich eingestellt. Damals entschied das Gericht auch, dass eine Betreuung des Somaliers nicht nötig sei.

Der Fall stockte auch, weil Abdirahman A. faktisch nicht im Obdachlosenheim, sondern mehr oder weniger auf der Strasse lebte und sich Kontaktversuchen hartnäckig entzog. Mindestens zwölfmal hätten Sozialarbeiter seit Januar versucht, mit ihm in Kontakt zu treten, sagten die Würzburger Behörden dem «Spiegel» – ein letztes Mal zwei Tage vor der Tat. Vergeblich. Hilfsangebote seien stets abgelehnt, Termine nie eingehalten worden. In der Stadt fiel der Somalier wiederholt als verwirrt auf. Er soll zudem Heroin und Crystal Meth konsumiert haben. Landsleuten erzählte er, er werde von Geheimdiensten verfolgt.

«Psychisch extrem auffällig»

Am 31. Mai stellten die Behörden erneut einen Antrag auf Betreuung, wieder wurde eine Expertin mit einem psychiatrischen Gutachten beauftragt. Diese las sich in die Akten ein und vereinbarte einen Termin mit Abdirahman A. – zum Gespräch kam es aber nicht mehr. Seit Januar war ein halbes Jahr vergangen. Der Somalier selbst hatte eine Betreuung damals ebenso abgelehnt wie im Juni.

Laut dessen Anwalt machte der junge Mann im Gefängnis einen psychisch «extrem auffälligen» Eindruck. Er habe nur zu sich selbst gesprochen und sei eigentlich nicht vernehmungsfähig gewesen. Ein Gutachten soll nun klären, ob er überhaupt schuldfähig ist.

Sieht «eklatanten Verdacht» auf islamistisches Motiv: Joachim Herrmann (CSU), der bayerische Innenminister.

Die Staatsanwaltschaft in München teilte derweil mit, dass man beim Somalier entgegen manchen Medienberichten bis jetzt kein islamistisches Propagandamaterial gefunden habe. Da der Täter laut Zeugen bei seiner Gewalttat «Allahu Akhbar» gerufen und diese danach «seinen Jihad» genannt hatte, hält der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Verdacht eines islamistischen Motivs aber nach wie vor für «eklatant».

Verschiedene Studien belegen, dass Menschen, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind, häufig unter psychischen Problemen leiden – in Deutschland etwa jeder Zweite. Drei von vier hätten selbst Gewalterfahrungen gemacht, zwei von fünf klagten über Depressionen. Um die Menschen zu behandeln, fehlen aber die Ressourcen. Selbst jene Flüchtlinge, die sich behandeln lassen wollen, mussten in den letzten Jahren meist Monate, teilweise Jahre auf ihre Therapie warten.