Teure KrankenkassenPrämienschock: Gewerkschaften kritisieren knausrige Kantone
Die Krankenkassenprämien klettern steil nach oben. Trotzdem passen die Kantone ihre Unterstützung für Ärmere laut einer Studie nur leicht nach oben an.
Schweizerinnen und Schweizer werden nächstes Jahr für ihre Krankenkasse im Durchschnitt 6,6 Prozent mehr bezahlen. Diese unerfreuliche Nachricht verkündete Gesundheitsminister Alain Berset (SP) im September. Wie sich nun herausstellt, scheinen die Kantone nicht gewillt, den «Prämienschock» abzudämpfen. Im Gegenteil: Laut einer Erhebung des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) ist in fast allen kantonalen Budgets kaum mehr Geld für die Prämienverbilligung vorgesehen.
Die staatliche Prämienverbilligung steht grundsätzlich Menschen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen zu. Für sie stellen die Kopfprämien des Schweizer Gesundheitswesens – also Prämien, die unabhängig von Einkommen und Vermögen berechnet werden – die grössere Belastung dar als für Wohlhabende. Gemäss SGB müssten nun die entsprechenden Budgets gesamtschweizerisch um mindestens 7,4 Prozent angehoben werden. Diese Zahl kommt durch die Addition des Prämienanstiegs von 6,6 Prozent und des erwarteten Wachstums der Bevölkerung um 0,8 Prozent zustande.
Tatsächlich aber sehen die entsprechenden kantonalen Budgetposten laut den SGB-Erhebungen im Schnitt nur einen Anstieg von 4,2 Prozent vor. Er läge in der Rechnung der Gewerkschaften also um 3,2 Prozentpunkte zu tief. Für die Menschen mit tiefen Löhnen sind damit rund 65 Millionen Franken zu wenig budgetiert, wie SGB-Zentralsekretär Reto Wyss sagt.
«Es wird schwarzgemalt»
Nun sind die Budgets freilich nicht mit Kostendächern zu verwechseln. Ein Antragsteller, der alle Bedingungen erfüllt, wird Prämienverbilligung erhalten, auch wenn am Ende des Jahres das Budget überschritten ist. Hinzu kommt, dass die Datengrundlagen, auf die sich die SGB-Studie stützt, nicht ganz den neuesten Stand wiedergeben. Mancherorts dürften die Beträge seit Erstellung der Studie angehoben worden sein. Geschehen ist dies offenbar zum Beispiel im Kanton Zürich. Hier war zunächst sogar ein Minus von 0,6 Prozent budgetiert. Inzwischen ist daraus ein Plus von 2,3 Prozent geworden, wie die Gesundheitsdirektion auf Anfrage klarstellt.
Reto Wyss hält das Gesamtbild trotzdem für zuverlässig. Dies zeigten die Erfahrungen mit vergleichbaren Erhebungen der Vorjahre. «In vielen Kantonen wird wie so oft bei der Budgetierung schwarzgemalt.» Linke Anträge auf Aufstockung der Prämienhilfe seien verschiedentlich abgelehnt worden.
Für Wyss ist es ein schlechtes Zeichen, wenn die Kantone im Voranschlag bei der Prämienverbilligung knausern. Oft bedeute es, dass die Regierungen planten, die Regeln zu verschärfen. Das heisst, dass gewisse Kategorien von Versicherten ihren Anspruch auf staatliche Unterstützung verlieren könnten. Die Prämienverbilligung wird nach einem komplizierten Geflecht von Regeln ausgerichtet, das sich von Kanton zu Kanton unterscheidet. Die Kantonsregierungen haben dabei relativ viel Freiraum, um die Regeln anzupassen.
So ist etwa im Kanton Bern die Prämienverbilligung nicht an die Höhe der Krankenkassenprämie gekoppelt. Laut einer Sprecherin der zuständigen Direktion sind für die Berechnung allein das Reineinkommen und das Vermögen der Antragstellenden massgeblich. Aus diesem Grund bewegt sich die Entwicklung des entsprechenden Budgetpostens im Rahmen der Vorjahre – trotz «Prämienschock» im kommenden Jahr.
Kampf um linke Initiative
Für die Gewerkschaften ist die Situation insgesamt unbefriedigend. Aus ihrer Sicht hilft der Staat den Leuten, die unter der hohen Prämienlast leiden, viel zu wenig. Sie rüsten sich nun für eine harte Auseinandersetzung, die auf nächsten Mittwoch angesetzt ist. Der Ständerat wird dann über die sogenannte Prämienentlastungsinitiative der SP debattieren. Die Initiative will in der Verfassung verankern, dass kein Haushalt mehr als 10 Prozent seines Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben muss. Das Volksbegehren selber gilt im Parlament als chancenlos; doch hofft die Linke auf einen – im wahrsten Sinne des Wortes – gehaltvollen Gegenvorschlag.
In der Tat beschloss der Nationalrat im Sommer einen massiven Ausbau der Prämienverbilligung. Der Bundesrat jedoch und ein grosser Teil der Bürgerlichen halten diesen Gegenvorschlag, der rund zwei Milliarden Franken kosten dürfte, für nicht finanzierbar. Sie hoffen nun, dass der Ständerat die Entscheide des Nationalrats kippt. Sollte sich ihre Hoffnung erfüllen, wird die Linke fast mit Sicherheit an ihrer Initiative festhalten. Dann dürfte am Ende das Volk entscheiden, wie viel es sich die Hilfe für die Ärmeren kosten lassen will.
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