Gastbeitrag zum PrämienwachstumKosten im Gesundheitswesen: Das hilft wirklich
Das Volk, die Ärzte, die Kassen, die Pharma: Nur wenn alle mitmachen, bremsen wir den Prämienanstieg. Eine Auslegeordnung aus Sicht einer Nationalrätin und Ärztin.
Anfang Juni hat die Bevölkerung zu Recht beide Gesundheitsinitiativen verworfen. Die Kostenbremse barg das Risiko einer Rationierung sowie einer Zweiklassenmedizin. Die Prämieninitiative hätte zu Mehrkosten und Umverteilung geführt, ohne das Problem an der Wurzel zu packen.
Die Frage bleibt: Was hilft, Kosten im Gesundheitswesen einzusparen? Die kurze Antwort lautet, dass wir alle einen Beitrag leisten müssen. Die Politik hat vorwärtsgemacht:
Efas, die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen, eliminiert Fehlanreize zugunsten stationärer Behandlungen. In der Schweiz werden nur rund 30 Prozent der Operationen ambulant durchgeführt, in den USA sind es 70 bis 80 Prozent. Sofern die Vorlage die Referendumsabstimmung übersteht, sind jährliche Einsparungen von 1 bis 3 Milliarden Franken möglich.
Das Projekt Digisanté des Bundesamtes für Gesundheit stösst die überfällige Digitalisierung im Gesundheitswesen in der Schweiz an. Die ETH und McKinsey haben das Einsparpotenzial 2019 auf 8,2 Milliarden Franken beziffert.
Wohl kaum ein anderes politisches Gebiet hat so viele neue Vorstösse und Regulierungen in den letzten Jahren erfahren wie das Gesundheitswesen. Eine Motion zum Bürokratieabbau wurde kürzlich im Parlament eingereicht.
Im Parlament ist ein klarer Wille erkennbar, in der Spitalplanung überregional zu denken.
Tardoc, der neue Tarif für medizinische ambulante Einzelleistungen, wurde erfreulicherweise vom Bundesrat zusammen mit einigen Pauschalen genehmigt. Bei den Verhandlungen zum Umsetzungsvertrag müssen Spitäler und niedergelassene Ärzte kompromissbereit sein. Die kosteneffiziente Grundversorgung und die defizitäre ambulante Kindermedizin sollten dabei nicht geschwächt werden.
Wir dürfen das Dilemma von Machbarem versus Finanzierbarem nicht der Front, also den Leistungserbringern, überlassen.
In der Bevölkerung muss die Gesundheitskompetenz gestärkt werden. Es ist nicht sinnvoll, unreflektiert und jederzeit sofort alle denkbaren Leistungen einzufordern. Gut beraten, beanspruchen Patienten nicht die maximale, sondern die optimale Behandlung. Auch demografischer Wandel und medizinischer Fortschritt führen zu steigenden Kosten. Wir dürfen das Dilemma von Machbarem versus Finanzierbarem nicht der Front, also den Leistungserbringern, überlassen.
In der Ärzteschaft, der Pflege und weiteren Gesundheitsberufen gibt es schwarze Schafe. Es ist die Pflicht von allen, aufzudecken, wenn sich Ärzte oder andere Personen im Gesundheitswesen fehlverhalten. Sonst resultiert noch mehr Bürokratie. Und dies erschwert das Leben von ganz vielen Ärzten und weiteren Akteuren im Gesundheitswesen, die täglich ihr Bestes geben. Meldestellen gibt es, diese sollten besser bekannt sein.
Bei den Krankenkassen ist Vertrauen und ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit gefragt. Der Zusammenschluss der Branchenverbände ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Bei den Pharmafirmen ist transparente Kommunikation wichtig. Gewinne werden vom Staat gerne gesehen. Bei der Medikamentenpreisgestaltung gibt es Modernisierungsbedarf. Ausserdem landen zu viele Medikamente im Abfall, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist nötig.
Trotz allem hat die Schweiz immer noch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Die Zufriedenheit mit den medizinischen Leistungen ist hoch. Wir wollen uns weiterhin ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen leisten – auch das haben die vergangenen Abstimmungen gezeigt.
Bettina Balmer ist Zürcher FDP-Nationalrätin und arbeitet als Kinderchirurgin im Kinderspital Zürich.
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