Kommentar zur Wahlkampagne Die Freiheit der SVP ist nicht grenzenlos
Die Anti-Rassismus-Kommission schaltet sich im Fall der Rechtspopulisten zu Recht ein. Ständige Grenzüberschreitungen schaden unserer Demokratie.
Schrille Töne und Tabubrüche gehören zum Grundrauschen jedes Wahlkampfs. Zu anhaltend diffamierenden Grenzüberschreitungen darf es aber nicht kommen. Sie strapazieren die Demokratie über den Wahltag hinaus. Die Anti-Rassismus-Kommission handelt richtig, wenn sie im Fall der SVP-Kampagne zu Kriminalfällen mit Ausländern interveniert.
In ihrer Social-Media-Kampagne thematisiert die SVP unter dem Slogan «Neue Normalität?» Kriminalfälle mit ausländischen Tätern. Die Kampagne ist gemäss Auffassung der Kommission «rassistisch», «fremdenfeindlich» und «hetzerisch», weil sie «bewusst negative Emotionen» schüre und darauf abziele, Angst und Ablehnung gegenüber ausländischen Personen zu fördern.
Selbst wenn die Justiz ein Strafverfahren eröffnen würde, kämen solche Schritte zu spät.
Die «neue Normalität» darf nicht sein, dass Ausländerinnen und Ausländer pauschal verunglimpft werden – und dies nach dem Wahlkampf auch bleiben. Das zu verhindern, ist die Aufgabe der von der ehemaligen FDP-Nationalrätin Martine Brunschwig Graf präsidierten Anti-Rassismus-Kommission. Sie vertraut offenbar darauf, dass die SVP ihre Selbstverantwortung wahrnimmt. Darum der Dialog hinter den Kulissen.
Sie hätte auch brachial vorgehen und die SVP wegen Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm anzeigen können. Darauf hat die Kommission verzichtet – aus guten Gründen. Selbst wenn die Justiz einschreiten und ein Strafverfahren eröffnen würde, kämen solche Schritte zu spät. Bis zu einem rechtskräftigen Gerichtsurteil vergehen in der Regel Jahre. Die Kampagne hätte ihre schädliche Wirkung längst entfaltet.
Statt «Zensur» zu schreien, sollte die SVP ihre Verantwortung wahrnehmen und die Kampagne stoppen.
Dass der SVP die Intervention der Kommission nicht passt, dass sie über einen Druckversuch, Zensur und Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit klagt: Es passt zur Einstellung der Rechtspartei. Die SVP lässt sich ungern einschränken, ist in dieser Angelegenheit aber keineswegs ein Opfer. Ihre Anschuldigungen gegen die Kommission sind auch darum falsch, weil diese weder Dinge zensieren noch verbieten, sondern im äussersten Fall «bloss» klagen kann.
Selbst in einer Demokratie sind die Freiheiten glücklicherweise nicht grenzenlos. Man darf Einzelne und Gruppen nicht nach Gutdünken herabwürdigen. Das gilt für die politische Linke wie die Rechte. Eine solche Eskalation und eine weitere Vergiftung des politischen Klimas will niemand in diesem Land. Statt «Zensur» zu schreien, sollte die SVP ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen, die Anti-Rassismus-Kommission ernst nehmen und ihre Social-Media-Kampagne stoppen.
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