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Intervention wegen Online-Wahlkampf
Anti-Rassismus-Kommission kritisiert SVP – und wird zum Kampagnensujet

«Rassistisch, fremdenfeindlich, hetzerisch»: Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) kritisiert die SVP-Wahlkampfkampagne scharf. Die SVP reagiert und spricht von «Zensur».
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Die SVP verbreitet die Sujets täglich in sozialen Medien: Kriminalfälle mit Ausländern als Täter und dem Slogan «Neue Normalität?». Für die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) ist der Fall klar: «Die Kampagnensujets sind nicht nur rassistisch und fremdenfeindlich, sondern sie sind hetzerisch und schüren bewusst negative Emotionen.» Die Kampagne verzerre die Realität und ziele darauf ab, Angst und Ablehnung gegenüber ausländischen Personen zu erzeugen.

Das teilte die EKR der SVP in einem Brief mit. Im Schreiben vom 25. September, das dieser Redaktion vorliegt, fordert die EKR die SVP dazu auf, die Sujets von der Website zu entfernen und deren Verbreitung in den sozialen Medien zu stoppen. (Lesen Sie zum Thema: Kriminalität – Wie viele von 100 Ausländern straffällig werden – und was hinter dieser Zahl steckt)

«Neue Normalität» ist mit einem Fragezeichen versehen

Nun hat die SVP das Schreiben beantwortet. Sie zeigt sich befremdet und empört. Die SVP fordert ihrerseits die EKR auf, ihre «ungeheuerlichen und antidemokratischen Unterstellungen» sofort zurückzuziehen. Die SVP sieht sich in ihrer Meinungsäusserungsfreiheit verletzt. Auf Anfrage wählt die Partei noch schärfere Worte: Sie spricht von «Zensur». Die EKR verbiete die SVP-Kampagne.

Verbieten kann die EKR der SVP freilich nichts. Gehört es nicht ebenfalls zur Meinungsäusserungsfreiheit, dass sie eine Kampagne kritisieren darf? SVP-Wahlkampfleiter Marcel Dettling sagt dazu: «Dann hätte die EKR die Kampagne öffentlich kritisieren müssen.» Sie habe dies aber heimlich getan, in einem Brief an die SVP. Damit übe die Kommission Druck aus, und das lasse sich die SVP nicht bieten. Bei anderer Gelegenheit hatte die SVP gefordert, dass sich die EKR nicht in Abstimmungs- und Wahlkämpfe einmischt.

Die Kampagne seiner Partei erachtet Dettling als unproblematisch. Sie greife konkrete, dokumentierte Fälle von Kriminalität auf und enthalte keine Verallgemeinerungen. Der Slogan «neue Normalität» sei mit einem Fragezeichen versehen. Damit zieht die SVP auch Lehren aus dem Messerstecher-Inserat, mit dem sie laut einem Bundesgerichtsurteil die Anti-Rassismus-Strafnorm verletzt hat: Die Aufschrift «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» war verallgemeinernd.

«Wir haben die Aufgabe, auf Dinge hinzuweisen, die in der Gesellschaft ein feindseliges Klima gegenüber bestimmten Gruppen schaffen.»

Martine Brunschwig Graf, Präsidentin EKR

Die SVP dreht nun den Spiess um und verwendet die Kritik der EKR für ihre eigenen Zwecke. Sie will diese als neues Inseratesujet verwenden. Die Botschaft: «Achtung Zensur: Die Anti-Rassismus-Kommission will nicht, dass Sie dieses Inserat lesen.» 

Dient es also der SVP im Wahlkampf, von der EKR kritisiert zu werden? Dettling verneint. Das Beispiel zeige aber, wie im Wahlkampf versucht werde, die SVP zu diskreditieren. Zurzeit würden ohnehin alle SVP-Vertreter als Rechtsextreme dargestellt. 

«Man darf nicht einfach schweigen»

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus ist nicht überrascht. Sie hat damit gerechnet, dass die Kritik der SVP-Kampagne zu zusätzlicher Publizität verhelfen könnte, wie Präsidentin Martine Brunschwig Graf auf Anfrage sagt. «Für uns darf das aber kein Grund dafür sein, einfach zu schweigen.» Es dürfe nicht sein, dass die EKR es nicht wage, eine solche Kampagne zu thematisieren, weil die SVP daraus Kapital schlagen könnte. 

«Wir sind die Anti-Rassismus-Kommission. Wir haben die Aufgabe, auf Dinge hinzuweisen, die in der Gesellschaft ein feindseliges Klima gegenüber bestimmten Gruppen schaffen», sagt Brunschwig Graf. Das Recht, über alle Themen zu debattieren, bringe auch Verantwortung für die Wahl der Worte und Bilder mit sich. Der Meinungsäusserungsfreiheit werde da eine Grenze gesetzt, wo die Menschenwürde verletzt werde.

Aus Sicht der EKR ist das in der Kampagne der Fall – auch wenn die SVP einzelne Fälle nennt und nicht verallgemeinert. Suggeriert werde in der Summe trotzdem, dass «Ausländer» eine Gefahr darstellten. Die EKR verweist auch auf die Argumentation des Bundesgerichts zum Messerstecher-Inserat. Das Bundesgericht verwies auf den «Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers» und ein «feindseliges Klima», das geschaffen werde. «Genau das ist auch bei der aktuellen Kampagne der Fall», sagt Brunschwig Graf.