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Meinung

Kommentar zur Flutkatastrophe
Libyen erlebt, was anderen Staaten der Welt bevorsteht

Tage der Trauer in Derna: Ein Mann sitzt neben Gräbern von Opfern der Sturzflut.
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Natürlich hatte es Warnungen gegeben. Schon eine Woche bevor Sturmtief Daniel die libysche Küste verwüstete, sahen Meteorologen die Gefahr enormer Regenmassen an der nordafrikanischen Küste. Und den erbärmlichen Zustand der Staudämme oberhalb der Stadt Derna, die infolge der Niederschläge zusammenbrachen, beklagte erst 2022 eine umfangreiche Studie. Unbedingt stellt sich daher die Frage, wer vor Ort Schuld am Tod Tausender Menschen trägt. Das allein wäre jedoch eine verkürzte, sogar eine irreführende Lehre aus der Katastrophe. (Mehr dazu: Allein in Derna werden 20’000 Tote befürchtet)

Die wichtigste Lektion daraus ist: Die Risiken infolge des Klimawandels steigen. Hier mag Libyen als gescheiterter Staat ein spezieller Fall sein. Die infolge des Bürgerkriegs rasch wechselnden Machthaber haben die Infrastruktur jahrelang vernachlässigt, Katastrophenschutz stand nicht oben auf ihrer Agenda. Viele Bewohner der Küstenstädte waren völlig ahnungslos, als das Unwetter über sie hereinbrach.

Zugleich ist das Land aber auch exemplarisch für das, was Millionen Menschen infolge der Erderwärmung längst erleben und vielen Weltregionen erst bevorsteht. Wie so oft traf es in Libyen vor allem die Ärmsten und damit jene, die mit ihren eigenen Emissionen am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und die höchstens ein paar Krümel von den Öl-Einnahmen des Landes abbekamen. Sichtbar wurde zudem, wie «verbundene Klimarisiken» die Gefahren potenzieren können: In Libyen prasselten extreme Regenmengen auf einen ausgetrockneten Boden; das erwärmte Mittelmeer verlieh dem Sturm besondere Wucht. Trifft so ein Wetterextrem auf ein wenig entwickeltes Konfliktgebiet, ist die humanitäre Katastrophe absehbar.

Deutlich günstiger für alle wäre es, die Erderwärmung zu begrenzen und die Emissionen schneller zu senken als bislang.

Unzweifelhaft wären auch in solchen Ländern eine gute Regierungsführung und die Deckung von Grundbedürfnissen wie Bildung, Nahrung und Trinkwasser wichtig, um sich gegen Naturgefahren zu wappnen. Nur: Das zu erreichen, ist schon in einer Welt ohne verschärften Treibhauseffekt schwer genug. Ein ungebremster Klimawandel droht diese Ziele vollends unerreichbar zu machen.

Immer stärker kristallisiert sich heraus, dass die Grenzen vielerorts fast erreicht oder schon überschritten sind. Feldfrüchte sterben eben bei zu hohen Temperaturen oder zu wenig Wasser ab. Brücken lassen sich oft nicht so weit verstärken, um jeder Flut gewachsen zu sein, Deiche nicht beliebig hoch bauen. Anpassungsmassnahmen stossen auch an finanzielle Grenzen: Wer soll für den Wiederaufbau ganzer Städte bezahlen, wenn das Risiko wächst, dass diese beim nächsten Extremwetter erneut zerstört werden – noch dazu in armen Ländern? Auf diese Weise schnürt die Erderwärmung den Spielraum zur Anpassung immer weiter ein und wird selbst zum Armutsrisiko. Armut macht wiederum verwundbar für Naturgefahren. Ein wahrer Teufelskreis.

Sich an den Klimawandel anzupassen, ist wie Schwimmen gegen den Strom: Gute Schwimmer können das – aber auch sie nicht ewig, und schon gar nicht, wenn aus dem trägen Fluss ein reissender Wasserfall wird. In dieser Notlage müssen reichere Staaten den ärmeren natürlich bei der Anpassung stärker finanziell helfen. Deutlich günstiger für alle wäre es aber, die Erderwärmung selbst zu begrenzen und die Emissionen schneller zu senken als bislang. Langfristig ist das sogar die einzige Option, will man nicht selbst von dem Strom mitgerissen werden.