Kommentar zur 13. AHV RenteWarum ich mich frage, ob ich – entgegen aller Vernunft – auch Ja stimmen soll
Wenn die Elite ihre eigenen Prinzipien vergisst, muss sie sich nicht wundern, wenn die kleinen Leute auch mal etwas für sich wollen.
Ob es am Schluss wirklich 71 Prozent sind, die für eine 13. AHV-Rente stimmen, werden wir noch sehen. Aber dass das Anliegen viel Sympathie geniesst, ist sicher. Obwohl eigentlich klar ist, dass die Initiative, die dahinter steht, unvernünftig ist. Wir werden immer älter und fangen später mit dem Arbeitsleben an, und dies erst noch Teilzeit. Eigentlich, so müsste man meinen, sollte man statt für eine Rentenerhöhung für eine Rentenalterserhöhung stimmen, so wie es die Jungfreisinnigen und ihre Mutterpartei, die FDP, wollen.
Trotzdem wird das kaum passieren. Warum? Weil die Partei, stellvertretend für die wirtschaftliche Elite dieses Landes, in den letzten 20 Jahren viel Glaubwürdigkeit verloren hat. Angefangen mit der Swissair über die UBS, die Axpo und die Credit Suisse, liessen sich die Verantwortlichen, nachdem sie Millionenboni kassiert hatten, vom Staat retten, als es brenzlig wurde. Das waren zum Teil dieselben Leute, die vorher zweistellige Millionenbeträge verdient hatten und unter dem Label «Freunde der FDP» uns allen erzählten, dass der Staat, wenn nicht des Teufels, so doch ein aufgeblähtes Übel ist.
Wenn man liest, wie es den Menschen geht, die nicht an der Bahnhofstrasse shoppen, sondern im Caritas-Laden einkaufen, dann ist der Gegensatz zu denen, die von den zahlreichen Rettungsaktionen profitierten, halt schon sehr gross. Seien dies die Swissair-Piloten, die unter 60 Jahren mit einer stattlichen Rente pensioniert wurden, seien es die Stromhändler der staatlichen Axpo oder all die CS-Banker, die nun ein volles Jahr lang bei vollem Lohn und oft mit wenig Arbeit einen neuen Job suchen können. Sie alle sind zwar vielleicht auch nicht glücklich dabei. Aber wie soll man denn jenen, die es nötig hätten, erklären, warum sie sich nicht mit 2000 Franken zusätzlich, welche die 13. Rente in etwa bringen würde, auch einmal eine Reise leisten dürfen?
Und noch etwas geht oft vergessen: Die AHV ist eben nicht eine Sozialleistung, so wie es die Ergänzungsleistungen sind, sondern eine Versicherung, die jedem zusteht. Auch dem, der vielleicht seine Wohnung besitzt und daneben noch ein Konto mit Erspartem hat, das bei der Pflege im Alter helfen soll. Denn die Frau oder der Mann fällt bald einmal durch bei den Anforderungen für die Ergänzungsleistungen, selbst wenn die Wohnung bescheiden und das Konto nicht gross ist.
Das stärkste Argument der Gegner der 13. AHV-Rente ist die fehlende Finanzierung. Etwa 4,1 Milliarden Franken würde sie jährlich kosten. Das ist viel Geld, und die Initianten sagen nicht so klar, wie sie finanziert werden soll. Wenn sich das der Staat mit einer Mehrwertsteuererhöhung holt, trifft es wiederum jene am meisten, die nicht viel zum Leben haben. Wenn es über die Lohnprozente geht, dann gefährdet man im Hochlohnland Schweiz die Arbeitsplätze. Und die Nationalbank macht nicht mehr so viel Gewinn wie früher, von ihr kann die Finanzierung angeblich auch nicht kommen.
Wenn ich dann aber gleichzeitig lese, dass die Kantonalbanken Rekordgewinne einfahren, weil sie die gestiegenen Zinsen nur den Hypothekenschuldnern weitergeben, aber nicht den Sparern, und sich darum Rekordboni auszahlen, dann frage ich mich schon, ob das nicht anders ginge. Wenn ich gleichzeitig aus der Feder von namhaften Professoren lese, dass die Nationalbank die Banken mit 8,5 Milliarden Franken Zins subventioniert und ihre Währungsverluste so verbucht, dass es noch über Jahre keine Gewinnausschüttung für die Bundeskasse gibt, obwohl das ganz anders ginge, dann, ja dann frage ich mich inzwischen auch, ob ich zu dieser Initiative, gegen alle Vernunft, nicht doch Ja sage. Zum Glück sind es bis zur Abstimmung noch sechs Wochen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.