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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Nichts ist so sexy wie echtes Selbst­bewusst­sein, aber …

Wir müssten das Selbstbild und das Fremdbild in Einklang bringen, schreibt Claudia Schumacher.

Vielleicht kommt Ihnen diese Geschichte bekannt vor: Sie begegnen einem Menschen, dessen Selbstbewusstsein Sie umhaut. Diese Person hat sich und ihr Leben fest im Griff, wow! Und dann verlieben Sie sich – und lernen den anderen wirklich kennen.

Die Chancen stehen gut, dass die oder der Neue deutlich unsicherer und verwirrter auf Sie wirkt, als das am Anfang der Fall war. Ein guter Grund, das Weite zu suchen, ist das aber nicht: Ziemlich sicher geht es Ihrem Gegenüber nämlich mit Ihnen genauso.

Das liegt teils in der Natur des Kennenlernens: Intimität aufbauen heisst, dass wir uns verletzlich machen müssen. Trotzdem ist Selbstbewusstsein laut Forschung eine Voraussetzung für vieles: beruflichen Erfolg, Empathie, weniger Angst und mehr Vertrauen, gute Kommunikation und Beziehungsfähigkeiten. Die schlechte Nachricht: Offenbar verfügt kaum jemand von uns über echtes Selbstbewusstsein (womit immerhin ein paar Probleme dieser Welt erklärt wären.)

«Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind.»

Charles Bukowski

Die amerikanische Psychologin Tasha Eurich hat ein Jahrzehnt lang das Phänomen des Selbstbewusstseins erforscht – und damit die menschliche Komödie: 95 Prozent aller Menschen glauben, dass sie selbstbewusst sind, während das in Wahrheit aber nur auf 10 bis 15 Prozent tatsächlich zutrifft. Und diejenigen, die sehr überzeugt sind von ihrem Selbstbewusstsein, haben oft ein besonders schlechtes.

Da ist die Forschung ganz bei Charles Bukowski: «Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind.» Sehr von sich selbst überzeugt zu sein, heisst nicht, dass man sich seiner selbst bewusst wäre. Aber was ist echtes Selbstbewusstsein?

«Echtes Selbstbewusstsein entsteht, wenn man sein Selbstbild und das Fremdbild in Einklang bringt.»

Laut Eurich besteht es aus zwei Komponenten, einer inneren und einer äusseren: Man muss sich selbst kennen. Und verstehen, wie andere einen sehen. Der Typ, der beim ersten Treffen gut gelaunt von seinem tollen Leben erzählt, seinem Gegenüber aber keine Fragen stellt und nicht merkt, dass die Stimmung verrutscht, hat kein Selbstbewusstsein – denn er versteht nicht, wie er wirkt. Und die Frau, die sich selbst immer fertigmacht, auch wenn andere ihr dauernd auf die Schulter klopfen, hat auch keins.

Zu den interessantesten Forschungsergebnissen von Eurich zählt, dass Selbstbeobachtung den meisten Menschen nicht dabei hilft, ihr Selbstbewusstsein zu steigern – solange sie sich existenzielle «Warum?»-Fragen stellen. Besser ist es offenbar, sich praktische «Was kann ich tun, damit …»-Fragen zu stellen. Ebenso wichtig ist es, dass es einen interessiert, was andere von einem denken. Echtes Selbstbewusstsein entsteht, wenn man sein Selbstbild und das Fremdbild, das andere von einem haben, in Einklang bringt. Und das ist zum Glück keine Frage von Talent, sondern eine von Übung und Ehrlichkeit.