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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Good girls, hört auf mit dem blöden Dauer­lächeln!

Wie kann man so jung sein – und gleichzeitig ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert?, fragt Claudia Schumacher.
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Kann man wirklich eine Stunde lang durchlächeln wie ein zugekokster Teletubby, selbst dann, wenn das Gespräch ernste Themen streift? Ich sitze in einem leider eng bestuhlten Café mit Buch, komme aber kaum zum Lesen wegen der zwei Nasen neben mir: ein älterer, smart gekleideter Herr und eine junge, sehr gepflegte und übertrieben freundliche Frau. Bei der Konstellation erwische ich mich, wie ich innerlich schon mal den #MeToo-Hashtag setze.

Das Gespräch am Nebentisch verläuft aber anders. Tatsächlich scheint es sich um eine beiläufige Bewerbung zu handeln: Er ist Unternehmer, sie arbeitet für ihn. Nun will sie die Leitung der Marketingabteilung. Doch anstatt über ihre Leistungen und Ideen zu reden, bestätigt sie ihn ständig in seinen Gedanken, lacht zu laut über seine Witze und widerspricht ihm kein einziges Mal. Dazu dieses gruselige Dauerlächeln in ihrem Gesicht, wie eine umgedrehte Permanent-Make-up-Braue.

«Ich weiss, dass du fleissig bist und nett, aber hast du die Entscheidungskraft und den eigenen Kopf, den du zum Führen brauchst?», fragt er sie. Nicht mal an diesem Punkt kann sie aufhören zu lächeln. Schliesslich rufen die 50er-Jahre an: Sie vermissen eines ihrer konformsten Mädchen.

Wie kann man so jung sein – und gleichzeitig ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert?

Der Buchtitel ist längst zum Sprichwort geworden: «Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin. Warum Bravsein uns nicht weiterbringt» heisst ein millionenfach verkaufter Bestseller aus dem Jahr 1994 von der Psychologin Ute Erhardt, die aufzeigt, warum konforme Frauen im Beruf und in der Liebe den Kürzeren ziehen und damit ihre eigene Gleichberechtigung erschweren. Das Buch sorgte vor fast 30 Jahren für Furore.

Ihr steht nicht nur euch selbst auf dem Schlauch, sondern allen anderen Frauen gleich mit.

Trotzdem laufen im Jahr 2023 noch immer erschreckend viele gefallsüchtige Frauen herum. Sie sind von Konsens besessen. Sie lächeln lieber feige, als mal zu widersprechen und anzuecken. Sie können nicht Nein sagen. Sie biedern sich an und sind bereit, alles für ihr Gegenüber zu tun, ausser: ihr wahres Gesicht zu zeigen. Tatsächlich kenne ich dieses Verhalten von Männern nicht.

Gute Mädchen dieser Welt, ihr nervt! Wir bräuchten euch eigentlich, um das mit der Gleichberechtigung zu schaffen. Stattdessen steht ihr nicht nur euch selbst auf dem Schlauch, sondern allen anderen Frauen gleich mit. Weil ihr gewisse Klischees über unser Geschlecht auf beklemmende Weise bestätigt.

Wenn wir von alten Männern, die sich egozentrisch oder übergriffig verhalten, Veränderung erwarten – müsst ihr dann nicht fairerweise auch eure Erziehung zur Gefallsucht überwinden? Wir können uns bis zum Sanktnimmerleinstag über Steinzeitmänner ärgern, die uns zum Lächeln auffordern. Oder wir lächeln alle miteinander einfach nur noch dann, wenn uns danach ist. Könnte sich gut anfühlen, verdammt gut sogar.