Kolumne OmbudsmannNicht beschwerdefrei, aber kostenlos
Die Gratiszeitung «20 Minuten» löst nur wenige Beschwerden aus. Wie bei den Tamedia-Titeln sorgen aber oft die Online-Kommentare für Ärger.

Die Ombudsstelle der Tamedia Deutschschweiz ist auch für die drei Sprachausgaben von «20 Minuten» zuständig. Die Gratiszeitung gehört wie die Tamedia-Titel zur Zürcher TX Group. Es irrt jedoch, wer annimmt, die deutschsprachige Ausgabe von «20 Minuten» löse angesichts einer Druckauflage von 298’429 Exemplaren und einer Reichweite von 878’000 Leserinnen und Lesern mehr Beschwerden aus als die Zeitungen der Tamedia. Das Gegenteil ist der Fall.
Gingen im vergangenen Jahr rund 250 Reaktionen ein, die Tamedia-Titel, deren Verlag und den Vertrieb betrafen, so waren es im Fall der drei Sprachausgaben von «20 Minuten» lediglich 21 Beanstandungen. Kann sein, dass dem so ist, weil das Blatt gratis ist. Kann aber auch sein, dass die Pendlerzeitung, die keine redaktionellen Kommentare zum aktuellen Zeitgeschehen publiziert, bei der Leserschaft weniger Anstoss erregt und daher beliebter ist.
Andere gingen ein
Auf jeden Fall spricht für «20 Minuten», dass die Gratiszeitung inzwischen seit über zwei Jahrzehnten auf dem Markt ist. Andere kostenlose Publikationen wie zum Beispiel der «Express» in Washington D.C. haben nicht überlebt. Das 2003 etablierte Blatt mit einer Auflage von 180’000 Exemplaren, das vor allem vor U-Bahn-Stationen verteilt wurde, war zu seinen besten Zeiten bis zu 60 Seiten dick (bei «20 Minuten» sind es meist 24 Seiten).
Doch 2019 wurde der «Express» ein Opfer des gestiegenen Handy-Konsums in den U-Bahn-Zügen und der sinkenden Passagierzahlen der Washingtoner Metro. Dagegen haben die SBB mit täglich 1,3 Millionen Reisenden im vergangenen Jahr so viele Leute befördert wie noch nie zuvor.
Wie im Fall von Tamedia-Titeln sind auch bei «20 Minuten» Online-Kommentare Quelle wiederholten Ärgernisses. Nicht immer äussert sich das so drastisch wie im folgenden Fall: «20 min Kommentarfreischalt-Redaktion=PFUI-Teufel!» Derweil folgert eine Leserin, die «20 Minuten»-Community verbreite Falschmeldungen und sei rechtsradikal: «Ich wünsche Ihnen angesichts dieser katastrophalen Zustände bestimmt kein Glück mehr. Sie würden’s dringend benötigen.» Ins gleiche Horn stösst eine zweite Leserin, der zufolge Schweizer Medien, zu denen sie auch «20 Minuten» zählt, «links-braun» sind, was die Berichterstattung über den Krieg in Gaza betrifft.
Was die Kritiker bemängeln
Indes verwehrt sich ein Leser höflich gegen die Verwendung des Begriffs «Beamter» in einem Artikel, weil das Wort negativ behaftet sei und Betroffene diffamiere – dies deswegen, weil der Beamtenstatus in der Schweiz längst abgeschafft worden sei. Richtig sei «Regierungsangestellter». Als «Frechheit» stuft dafür ein zweiter Leser einen Beitrag auf 20min.ch ein, der berichtete, Deutschland erwäge den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware, um Teenager besser vor Pornokonsum zu schützen: «Weil dann wissen, wo man ist und wann nicht mehr zu Hause oder alleine! (sic).»
Neben durchaus ernst zu nehmenden Reaktionen hat es im vergangenen Jahr, ohne nähere Begründung, auch ein kryptisches Feedback auf Englisch gegeben: «20 Minutes is the Club of Loosers! Thanks to accept Reality! (sic)». Fragt sich, wer hier zu den Verlierern zählt. Die Leserschaft von «20 Minuten» ist es kaum.
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