Kolumne OmbudsmannWer arbeitet, macht Fehler
Wenn eine Redaktion es versäumt, Fehler zu korrigieren, so tun es Leserinnen und Leser. Manchmal kritisieren sie allerdings nicht belegte, sondern angebliche Patzer.
Das «Reader’s Digest», 1922 gegründet, war bis 2009 Amerikas meistverkauftes Magazin. Seine Auflage von heute 10,5 Millionen in 21 Sprachen dürfte die höchste aller Zeitschriften weltweit sein. «‹Reader’s Digest› hat es geschafft, seine Anziehungskraft im digitalen Zeitalter aufrechtzuerhalten, indem es an den Wunsch seiner Leserschaft nach komprimierten und leicht verdaulichen Inhalten appelliert, sich auf erbauliche und optimistische Geschichten konzentriert und eine starke Markenreputation über viele Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat», definiert Marketingmanager Hammad Ullah auf der Website «Quora» den Erfolg.
In der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins ist einmal der folgende «Spruch des Tages» eines anonymen Verfassers erschienen: «Wer arbeitet, macht Fehler, wer wenig arbeitet, macht wenig Fehler, wer nicht arbeitet, macht keine Fehler, wer keine Fehler macht, wird befördert.» Fehler machen, unbeabsichtigt oder wider besseres Wissen, auch Journalistinnen und Journalisten.
Dessen ist sich das Kapitel «Fehlerfreiheit und Wahrheit» im 2023 neu aufgelegten Tamedia-Handbuch «Qualität in den Medien» bewusst: «Fehlerkorrekturen müssen für die Leserschaft jederzeit einsehbar sein.» Wenn eine Redaktion es aber versäumt, Fehler zu korrigieren, so tun es Leserinnen und Leser, auch wenn sie nicht immer belegte, sondern auch angebliche Patzer kritisieren.
Reizthema Nahost
Nicht ganz ein Viertel aller Beschwerden, die 2024 den Ombudsmann erreicht haben, betrafen die Vorgabe «Fehlerfreiheit und Wahrheit». Während es im Jahr zuvor kein einzelnes Thema gegeben hatte, das mehrere Reaktionen auslöste, war es im vergangenen Jahr die Berichterstattung über den Nahost-Konflikt und deren Kommentierung im Netz. Die Beiträge über Israels Krieg in Gaza nach dem Massaker der Hamas seien «einer stark pro-zionistischen Einseitigkeit» verfallen», monierte zum Beispiel ein Leser: «Gemäss allen Regeln der Fairness war/ist das völlig unakzeptabel.»
Dagegen fand ein anderer Leser, Zeitungen würden «mittels Desinformation und Hetze», wozu das Auslassen wichtiger Fakten gehöre, die Leserschaft zu Ablehnung und Hass gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens erziehen. Das zeige, «dass Israel- und Judenhass eine Einheit bilden, ein Ausdruck von Antisemitismus». Und eine Leserin fragte, ob sich diese Redaktion schon je einmal überlegt habe, wie viel Hass durch unseriöse Medienberichte gesät werde. Ihr pauschales, unschwer zu widerlegendes Fazit: «Für mich sind die Tamedia-Zeitungen eben links-braun.»
Doch Anlass für externe Korrekturen kann auch weniger gewichtige Berichterstattung sein. Als «historische Falschmeldung» stufte ein Leser die Information eines Artikels ein, der erste Fiat Topolino sei 1957 gebaut worden, was in Wirklichkeit in der Zeit zwischen 1936 und 1955 der Fall gewesen sei: «Bitte ordnen Sie eine bebilderte Gegendarstellung der 1. und 2. Generation Topolinos zur leserfreundlichen Korrektur dieser perfiden Falschmeldung an.» Nicht immer trifft zu, was der Wiener Schriftsteller Karl Kraus (1874–1936) über Presseleute geschrieben hat: «Ein Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hat.»
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