Kolumne «Miniatur des Alltags»Ausgebremst
Die Spätsommertage verlocken einen dazu, ein Bad im See zu geniessen. Blöd nur, wenn man dabei ins Territorium eines Tiers eindringt.
Es war ein Montag, ein herrlicher Spätsommerabend. Perfekte Bedingungen für einen Feierabendschwumm. Bereits vom Steg in der Badi meiner Wahl sah ich, dass das Holzfloss für einmal praktisch leer war. Wenn ich noch einer Motivation bedurft hätte, ins kühle Nass zu springen, hätte ich sie damit gehabt.
Der Schwumm im bereits nicht mehr ganz hochsommerlich aufgeheizten Wasser war erfrischend, und ich freute mich, mich auf dem Floss an der Abendsonne aufzuwärmen. Für einmal konnte ich mir eine Ecke aussuchen, war das Floss doch mittlerweile ganz leer.
Schläfrig liess ich mich hin- und herschaukeln und genoss es, meine Ruhe zu haben, obwohl im Wasser und auf dem Sprungturm reger Betrieb herrschte. Da sp¨ürte ich an meinem Bein plötzlich einen stechenden Schmerz. Ich staunte nicht schlecht, als ich ein sicher zwei Zentimeter grosses Insekt entdeckte, das sich an meinem Bein gütlich tat. Als Reiterin habe ich schon viele Brämen gesehen in meinem Leben – und auch schon einige erschlagen. Dieses Exemplar hatte es nun aber auf mich abgesehen.
Obwohl mir die sofort anschwellende und juckende Stelle am Bein klarmachte, dass das Insekt mich erwischt hatte, liess es nicht locker. Es umkreiste und bedrängte mich von allen Seiten. Auch dezidierte und präzise «Ohrfeigen» mit der Hand, mit denen ich zum Beispiel Wespen meist erfolgreich vertreibe, beeindruckten das gefrässige Biest nicht. Langsam dämmerte mir, warum ich an diesem schönen Spätsommerabend das Floss für mich allein hatte.
Und schliesslich hat die Bräme hinbekommen, was bis jetzt weder kreischende Kinder noch Schlangen im Wasser noch Möwendreck auf dem Floss geschafft haben: Sie hat mich vom Floss vertrieben. So ausgebremst habe ich mich noch selten gefühlt.
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