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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Nur Ja heisst Ja?

Berichtet aus ihrem Umfeld: Claudia Schumacher.
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BotTalk

«Ja sagen zu Dingen, die wir nicht wollen, das tun wir alle dauernd, darin sind wir viel zu geübt», sagt eine Freundin beim Kaffeetrinken. Wir, das heisst vor allem: wir Frauen. Es ist ein altes Lied: Frauen werden dazu erzogen, brav zu sein und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Es fällt uns schwer, bei uns selbst zu bleiben. Bloss kein Problem verursachen! Als Tochter, Freundin oder Mutter wird in männerdominierten Gesellschaften von uns erwartet, mehr auf die Bedürfnisse anderer zu achten als auf unsere eigenen.

Wir unterhalten uns über die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung, die Frauen gesetzlich besser vor Vergewaltigungen schützen soll. Sie wird gerade in verschiedenen Ländern diskutiert: Sex soll nur mit der verbalen Zustimmung der Frau erlaubt sein. «Dass wir das gesetzlich so festschreiben, finde ich absolut richtig», sagt meine Freundin, aber: Es falle Frauen nicht nur unglaublich schwer, Nein zu sagen. Sie würden aus Harmoniebedürfnis auch oft Ja sagen zum Willen anderer, selbst wenn sich dieser über ihre eigenen Wünsche hinwegsetze.

Meine Freundin arbeitet als Tantra-Masseurin – in dieser Rolle merkt sie oft, wie Frauen lächelnd alles abnicken. Für sie ist das ein Problem. Denn sie arbeitet auch mit Frauen, die sexuelle Traumata erlebt haben und die bei ihr einen Raum suchen, um ihren Körper wieder auf gesunde Weise zu erleben. Da ist es essenziell, dass diese Frauen nichts, was sie an ihren Körpern macht, als übergriffig empfinden. Deshalb übt sie mit ihnen vor der Massage das Grenzenziehen. Etwa mit dem Ja-Nein-Vielleicht-Spiel: Sie streichelt, zwickt und haut auf die Arme der Frauen und bittet darum, dass sie bei den verschiedenen Berührungen Ja, Nein oder Vielleicht sagen. Nur will das einfach nicht klappen. Denn viele Frauen sagen zu allem Ja, «selbst beim Zwicken, das echt unangenehm ist», erzählt meine Freundin.

Ein kleiner Akt des Widerstands – und eine gute Übungsanlage.

Mir gibt das zu denken. Denn wir reden nicht über einen Club, in dem eine Frau betrunken um vier Uhr morgens an einen Mann gerät, der Dinge mit ihr anstellen will. Wir reden über einen Massageraum, in dem Frauen eine andere Frau bezahlen, damit sie ihnen guttut. Selbst hier fällt es vielen schwer, auf die eigenen Wünsche zu achten, obwohl sie explizit dazu ermutigt werden.

Meine Freundin kennt das Problem von sich selbst. «Aber ich mache Fortschritte!», sagt sie und lacht. Etwa, wenn ihr mal wieder ein Mann stundenlang die Welt erklären wolle. Früher hätte sie lächelnd ausgeharrt und sich danach bei einer Freundin ausgekotzt. «Heute spare ich mir das Lächeln und beende das Gespräch, bevor mir ein Ohr abfällt», sagt sie.

Ein kleiner Akt des Widerstands – und eine gute Übungsanlage.