Rückkehr zur NormalitätDiese Hindernisse muss der Schweizer Tourismus noch aus dem Weg räumen
Am fünften Tourismusgipfel pochten Branchenvertreter beim Bundesrat auf schnelle Öffnungsschritte. Doch der Weg dorthin ist steinig.
Der darbende Schweizer Tourismus ist dringend auf die wichtigen Gäste aus Europa, den USA und China angewiesen. Am Mittwochnachmittag haben darum Vertreter von gewichtigen Branchenzweigen wie Hotellerie, Gastronomie und Seilbahnen über Videochat bei Gesundheitsminister Alain Berset, Finanzminister Ueli Maurer und Wirtschaftsminister Guy Parmelin vorgesprochen.
Die Diskussion drehte sich unter anderem um weitere finanzielle Hilfen: So ging laut dem Bund zwar eine der bisher ausbezahlten zwei Milliarden Franken an Härtefallgeldern ans Gastgewerbe. Zudem erhielt die Branche bisher zwei Milliarden Franken an Kurzarbeitsentschädigung. Doch plant Bundespräsident Parmelin, dem Bundesrat im November weitere Unterstützungsmassnahmen für die Branche zu beantragen.
Wichtiger für den Fremdenverkehr sind aber die Massnahmen, die das Geschäft endlich wieder zum Laufen bringen sollen. Auf dem Weg dahin sind aber noch zahlreiche Fragen zu klären:
Ab wann gelten Impfprivilegien?
Die abschreckende Quarantäne für Touristen aus Risikoländern bei der Einreise in die Schweiz soll wegfallen, wenn die Personen entweder geimpft, bereits immun oder negativ getestet sind, fordert die Branche.
Die Europäische Kommission hatte am Montag Vorschläge in diese Richtung gemacht. Demnach sollen vollständig Geimpfte grundsätzlich wieder in die EU einreisen dürfen. Das soll selbst dann der Fall sein, wenn die epidemiologische Lage im Heimatland der Einreisenden schlecht ist. Kinder von Geimpften müssten für die Einreise einen negativen PCR-Test vorweisen können.
In der Schweiz sind dagegen diesbezüglich keine Bewegungen bekannt. Der Bund prüfe die Lage regelmässig, schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage. Hier gilt nach wie vor die Regel, dass alle Personen bei einer Einreise aus einem Risikoland einen negativen PCR-Test vorweisen und sich in Quarantäne begeben müssen – auch Geimpfte.
Wann kommt der Impfpass?
Um eine Covid-19-Impfung, eine durchgemachte Erkrankung oder ein negatives Testergebnis zuverlässig zu dokumentieren, ist ein digitales und international anerkanntes Covid-Zertifikat nötig. Das BAG hat angekündigt, dass ein solcher «Grüner Pass» im Sommer zur Verfügung stehen soll. Aktuell schaut sich der Bund noch Lösungen von zwei Anbietern an. Druck kommt laut «NZZ am Sonntag» aber von den Ärzten und Apothekern, die eine eigene, schnellere Lösung entwickeln wollen.
Der Ausweis der Schweiz soll so lanciert werden, dass er mit dem «Digital Green Certificate» der Europäischen Union kompatibel ist. Grundsätzlich verfolgt die Schweiz eine Politik der Gegenseitigkeit: Schweizer mit einem Gesundheitspass dürfen ohne Einschränkungen in Drittstaaten einreisen. Im Gegenzug kann die Bevölkerung aus jenen Ländern mit deren Gesundheitspass in die Schweiz kommen.
Was ist mit nicht zugelassenen Impfstoffen?
Touristen aus wichtigen Herkunftsländern wie Grossbritannien, Indien und China werden mit Wirkstoffen geimpft sein, die in der Schweiz und in der EU nicht oder nur unter Auflagen zugelassen sind. Die Rede ist von den Herstellern AstraZeneca, Sinovac und Sinopharm aus China oder Sputnik V aus Russland.
Das ist potenziell problematisch. So soll der Sinovac-Impfstoff die Grenze von 50 Prozent Wirksamkeit, die die Weltgesundheitsorganisation WHO vorgibt, nur knapp erreichen. Pfizer/Biontech dagegen, der neben Moderna und Johnson & Johnson in der Schweiz zugelassen ist, erreicht 95 Prozent. Mit weniger wirksamen Impfstoffen geimpfte Personen könnten ein Risiko dafür darstellen, das Virus und Mutationen ins Land zu schleppen.
Die Tourismusbranche, für die unter anderen die Chinesen sehr wichtig sind, sieht kein Problem dabei, solche Personen ins Land zu lassen. Eine BAG-Sprecherin sagt dagegen, man kläre derzeit, mit welchen Impfstoffen man in der Schweiz als geimpft gelten solle.
Wird schnell genug geimpft?
Ein grosser Teil des Problems wäre gelöst, wenn die Fallzahlen in der Schweiz und anderswo gegen null tendieren würden, wie das im letzten Frühsommer der Fall war. Davon ist man allerdings weit entfernt: Auf der neusten BAG-Risikoländerliste stehen 39 Länder; aus allen Nachbarländern stehen zumindest einige Regionen darauf.
Sinken könnten diese Zahlen einerseits durch die Saisonalität der Pandemie, durch harte Massnahmen wie in Deutschland. Oder natürlich durch die Impfung. Die Hoffnung: Bis im Spätsommer soll in Europa die Herdenimmunität erreicht sein.
Könnte die Schweiz mutiger sein?
Der Kanton Graubünden hat beim Tourismus einen Sonderweg eingeschlagen. Personen, die zweimal gegen das Virus geimpft wurden, müssen nicht in Quarantäne – auch wenn sie aus einem Risikogebiet einreisen. Die Wirkung dieser Massnahme sei nicht ausgewertet worden, heisst es dazu beim Kanton. Zudem fährt Graubünden eine umfassende Teststrategie. Dazu gehören unter anderem regelmässige Tests in Schulen und Unternehmen. Die Eidgenossenschaft hat die Bündner Teststrategie übernommen.
Das benachbarte Ausland zeigt ebenfalls Mut zur Innovation: Deutschland hat Nordfriesland mit den beliebten Nordseeinseln Sylt, Amrum, Föhr und Pellworm zu touristischen Modellregionen erklärt. Gäste aus dem Inland können dort unter strengen Auflagen Ferien machen. Beispielsweise müssen sie alle 48 Stunden einen negativen Test vorweisen.
Italien will ab 15. Mai Gebiete mit niedrigen Fallzahlen für Touristen aus dem Ausland öffnen. Personen, die als Covid-frei gelten, sollen ohne Quarantäne einreisen können.
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