Tote Seevögel in AlaskaHitzewelle verursachte grösstes Massen-Wildtiersterben der Neuzeit
Forscher haben rekonstruiert, wie vor zehn Jahren vier Millionen Trottellummen aufgrund einer marinen Hitzewelle verhungert sind. Bis heute hat sich der Bestand nicht erholt.
- Eine marine Hitzewelle in Alaska liess Millionen Trottellummen verhungern.
- Die Meereserwärmung führte zu einem dramatischen Rückgang der Seevogelpopulation.
- Die Trottellummen fanden kaum Futter, da Fische in kühlere Gewässer auswichen.
Wasser erwärmt sich zwar langsamer als Luft. Trotzdem macht der Klimawandel auch den Bewohnern der Meere zu schaffen. Das bekannteste Beispiel sind Korallen, die ausbleichen und sterben, wenn das Meer zu warm wird. Weniger bekannt ist, dass marine Hitzewellen in einer Art Rückkopplungseffekt auch dramatische Auswirkungen auf Tiere an Land haben können.
Einen besonders drastischen Fall beschreibt ein Team um Heather Renner vom Alaska Maritime National Wildlife Refuge in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Science»: Demnach sind in Alaska vier Millionen Trottellummen, entengrosse Seevögel, aufgrund einer marinen Hitzewelle vor zehn Jahren verendet. Nach Angaben der Forschenden entspricht das mehr als der Hälfte der vor dem Ereignis dort lebenden Vögel. Es ist «das grösste dokumentierte Massensterben eines Wildtiers in der Neuzeit», schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in «Science».
Für ihre Studie untersuchten die Forschenden die Auswirkungen einer Hitzewelle im Nordost-Pazifik, während der sich das Wasser fast zwei Jahre lang, von Ende 2014 bis ins Jahr 2016, nicht abkühlte. Sie verglichen die Zahl der Trottellummen in den Jahren 2008 bis 2014, also vor der Hitzewelle, mit Zählungen aus den Jahren 2016 bis 2022. In den 13 Kolonien, die in der Studie berücksichtigt wurden, ist die Zahl der Trottellummen demnach innerhalb von weniger als zwei Jahren um 52 bis 78 Prozent geschrumpft.
Die ausgemergelten Kadaver wurden massenhaft angeschwemmt
Nach Ansicht der Forschenden sind die Vögel schlicht verhungert. Fast alle Kadaver, die während der Hitzewelle in Massen an der amerikanischen Westküste und in Alaska angeschwemmt und untersucht wurden, seien stark abgemagert gewesen.
Schon länger ist bekannt, dass Seevögel während mariner Hitzewellen Probleme bekommen können, weil die Fische, von denen sie sich ernähren, in kühlere Regionen ausweichen und sie deshalb nicht genügend Nahrung finden. Viele Fische reagieren auf Hitze nämlich extrem empfindlich und wandern in Richtung der Pole. Anders als Tiere an Land sind sie nicht an Temperaturschwankungen angepasst, weil die Temperatur der Meere normalerweise relativ konstant bleibt.
Trottellummen jagen vor allem Schwarmfische wie Heringe, Sprotten und Dorsche. Und bis zu einem gewissen Grad können sie sich an ein vermindertes Nahrungsangebot anpassen, indem sie zum Beispiel mehr als doppelt so viel Zeit für die Jagd investieren. Dabei entfernen sie sich sechsmal so weit von ihrer Kolonie an der Küste wie in Jahren, in denen es genug Nahrung gibt – vermutlich, weil sie ihren Beutefischen hinterherfliegen. Doch anders als Fische können sich Vögel nicht beliebig weit vom Land entfernen, wo sie ihre Nester haben und ihre Jungen aufziehen. Dazu kommt, dass die langen Flüge viel Energie kosten.
Bis heute hat sich der Bestand nicht erholt
Während der Hitzewelle, die die Forschenden in «Science» untersucht haben, hat die Anpassungsfähigkeit der Trottellummen offenbar nicht gereicht, um zu überleben. «Was uns überrascht, ist die Geschwindigkeit und das Ausmass, in dem die nordost-pazifische marine Hitzewelle eine zahlenmässig dominante Seevogel-Population geschädigt hat», schreiben die Forschenden.
Der Fischmangel in den Jahren 2014 bis 2016 hat der Studie zufolge nicht nur den Trottellummen zu schaffen gemacht, sondern auch vielen Fisch fressenden Meeresbewohnern, etwa dem Kabeljau. Dessen Bestand sei damals um 80 Prozent eingebrochen. Auch Buckelwale, die sich vor der Hitzewelle gerade etwas erholt hätten, seien stark dezimiert worden.
Die Trottellummen in Alaska haben sich von dem einschneidenden Ereignis bis heute nicht erholt. Die verschwundenen Vögel seien nicht zurückgekehrt, schreiben die Studienautorinnen und -autoren. Sie vermuten deshalb, dass sich das Ökosystem dauerhaft so verändert hat, dass das Überleben der Trottellummen dort nicht mehr sicher ist. Ihrer Ansicht nach haben viele überlebende Tiere und ihre Nachkommen ihren ursprünglichen Koloniestandort deshalb aufgegeben und sich eine neue Heimat gesucht. In diesem Fall werden die in Alaska ehemals sehr häufigen Vögel wahrscheinlich nie mehr zurückkehren.
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