GastbeitragKurzfristige Interessen schaden der Klimapolitik
Das Resultat der Klimakonferenz in Dubai war unbefriedigend – aber nicht aus den Gründen, die der Wirtschaftsverband Economiesuisse aufführt. Eine Replik von Swisscleantech.
In der multilateralen Klimapolitik – so schrieb Economiesuisse hier kürzlich in einem Gastbeitrag – sei die Sachpolitik in Geiselhaft der nationalen Interessen. Als Folge davon habe der Kampf gegen den Klimawandel das Nachsehen. Eine auf den ersten Blick und im Kontext der internationalen Klimaschutzkonferenz in Dubai nachvollziehbare Schlussfolgerung. Auf einen zweiten Blick und vor allem mit Fokus auf die Schweizer Klimapolitik kommen Zweifel an dieser Aussage auf, und es wird deutlich: Hier wurde die Sachpolitik mit der Sachlage verwechselt.
Sachpolitik ist immer der Versuch, verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen und am Ende einen für die Mehrheit tragbaren Kompromiss zu finden. Das ist es auch, was an der jüngsten UNO-Klimakonferenz (COP 28) gemacht wurde. Somit war auch diese Verhandlungsrunde Sachpolitik. Entsprechend kann nicht davon gesprochen werden, dass die Sachpolitik in einer Geiselhaft ist.
Ganz anders sieht es bezüglich der Sachlage – der sich verschärfenden Klimakrise – aus: Hier war das Resultat tatsächlich ungenügend. Ein Ausstieg aus den fossilen Energieträgern scheiterte nicht an der fehlenden Sachpolitik, sondern daran, dass die Länder kurzfristigen Interessen gegenüber langfristigen Herausforderungen den Vorrang gaben. Dem Klimaschutz werden die Länder dann gerecht, wenn sich diese Optik verändert. Beispielsweise, wenn Saudiarabien sich bereit erklärt, konsequenter aus den fossilen Energien auszusteigen, weil sich langfristig ihr Geschäftsmodell nicht mehr rechnet.
Kurzfristige Interessen – auch in der Schweiz
Die Schweiz hat in den letzten Jahren kräftig in den internationalen Klimafonds einbezahlt, und sie hat im Sommer per Volksabstimmung beschlossen, netto null bis 2050 gesetzlich zu verankern – eine Weltpremiere. Diese Taten verlieren aber etwas von ihrem Glanz, da der im Klimaschutzgesetz vorgezeichnete Weg vorsieht, mehr als doppelt so viel CO₂ auszustossen, wie für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zur Verfügung stehen würde.
Noch etwas unerfreulicher sieht es auf der kurzfristigen regulatorischen Ebene aus: Die erneute Revision des CO₂-Gesetzes, die diese Woche im Nationalrat behandelt wurde, fehlt es – Stand heute – deutlich an Ambition. Auch ein verbindliches Ziel für Massnahmen im Inland ist umstritten. Stattdessen will die Schweiz umfassend Kompensationszertifikate im Ausland kaufen und vergisst dabei, dass wir spätestens mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes beschlossen haben, unsere eigenen Emissionen bis 2050 auf netto null zu senken.
Hier fordern wir vom Verband Swisscleantech, mindestens drei Viertel der Emissionen im Inland zu reduzieren. Die richtige Massnahme auf dem Weg dorthin wäre unter anderem die Erhöhung der CO₂-Lenkungsabgabe oder eine Unterstützung des Ausbaus der Basisinstallationen für die Elektromobilität – ein Schlüsselelement für die Elektrifizierung und damit für den Klimaschutz.
Bei all dieser kurzfristigen Orientierung der Schweizer Klimapolitik geht unter, dass engagierter Klimaschutz heute vor allem eine wirtschaftliche Chance ist. Der Ausstieg der Schweiz aus der Koalition der hoch ambitionierten Länder setzt diesbezüglich ein falsches Signal, auch wenn er sachlich begründet werden kann. Umso wichtiger ist es, dass die Schweiz unabhängig von diesen internationalen Entscheiden im eigenen Land die richtigen regulatorischen Rahmenbedingungen schafft, damit sich ambitionierter Klimaschutz für alle Unternehmen lohnt. Denn immer mehr Schweizer Unternehmen übernehmen Verantwortung, setzen sich ambitionierte Ziele und verschaffen sich damit einen Wettbewerbsvorteil auf dem Weg zu netto null. Mit so viel Weitblick kämen wir in der Klimapolitik auch nicht in die Geiselhaft der nationalen Interessen.
Christian Zeyer ist Co-Geschäftsführer des Verbands Swisscleantech, der sich für eine klimataugliche Wirtschaft einsetzt.
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