Kritik an SubventionspraxisFrontalangriff aufs Klimagesetz
Die vom Volk beschlossenen Subventionen für Ökoheizungen seien unsinnig und unsozial, sagt die Expertengruppe des Bundes. Sie schlägt deshalb vor, jährlich 400 Millionen Franken Fördergelder zu streichen.
Alle Parteien ausser der SVP hatten sich intensiv für das Klimagesetz eingesetzt. Das Volk hat es 2023 mit 59 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Doch jetzt, noch bevor das Gesetz im Januar in Kraft tritt, weisen Experten darauf hin, dass die darin vorgesehenen Subventionen nicht sinnvoll sind.
Die vom Bundesrat für Sparvorschläge im Bundeshaushalt eingesetzte Expertengruppe schreibt in ihrem letzte Woche veröffentlichten Bericht, dass bei Subventionen im Energiebereich der Nutzen «im Verhältnis zu den Kosten gering» sei. Sie schlägt vor, verschiedene Fördergelder zu streichen.
Nun zeigt sich: Die Experten schlagen explizit die Streichung der beiden im neuen Klimagesetz verankerten Fördergelder vor. Sie nennen im Anhang die im Bundesbudget vorgesehenen Kredite:
Impulsprogramm Heizungsersatz: Gemäss Klimagesetz müsste der Bund Hausbesitzern, die ihre alte Öl- oder Elektroheizung durch eine umweltfreundliche ersetzen, ab nächstem Jahr zusätzlich zu den bereits bestehenden kantonalen Subventionen weitere Förderbeiträge zahlen. Dafür sind jährlich 200 Millionen Franken vorgesehen.
Förderung neuartiger Technologien zur CO₂-Reduktion: Gemäss dem Gesetz müsste der Bund künftig Beiträge an Firmen bezahlen, wenn sie zur CO₂-Reduktion im eigenen Betrieb neuartige Technologien verwenden. Dafür sind ab 2026 jährlich um die 200 Millionen Franken vorgesehen.
Ohne Steuergelder zum gleichen Ziel
Serge Gaillard, Leiter der Expertengruppe, sagt zur Problematik der Subventionen: «Es ist klar, dass viele Hausbesitzer ihre Ölheizung heute auch dann durch eine Wärmepumpe ersetzen würden, wenn sie keinen Förderbeitrag bekämen.» Deshalb sei der Einsatz von Steuergeldern für solche Subventionen nicht sinnvoll. Dazu komme, dass durch das Subventionssystem eine problematische Umverteilung von Arm zu Reich stattfinde: «Wenn Hausbesitzer Geld vom Staat bekommen, um zum Beispiel ihre Gebäude energieeffizienter zu machen, profitieren davon oft eher wohlhabendere Menschen», so Gaillard.
Gemäss der Expertengruppe liessen sich die gleichen Klimaziele mit Lenkungsabgaben gezielter und ohne Steuergelder erreichen. Das heisst, der Staat müsste bloss die CO₂-Abgaben erhöhen, sodass Hausbesitzer mit Ölheizungen einen Anreiz hätten, umzusteigen. Die Abgaben würden dann gleichmässig an die Bevölkerung zurückgezahlt. Wer sauber heizt, würde dann profitieren – genau gleich wie bei den Subventionen, nur ohne Steuergelder.
Gaillard steht nicht im Verdacht, insgeheim eine liberale Doktrin zu verfolgen: Er ist Sozialdemokrat und war Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Bis zu seiner Pensionierung vor drei Jahren war er Vorsteher der eidgenössischen Finanzverwaltung.
Wissenschaftler stützen Gaillard
Die Erkenntnis, dass Lenkungsabgaben besser sind als Subventionen, ist nicht neu. Stefan Kessler vom Forschungs- und Beratungsunternehmen Infras sagt: «In der Wissenschaft ist man sich weitgehend einig, dass man CO₂-Reduktion mit Lenkungsabgaben günstiger, effizienter und gezielter erreicht als mit Subventionen.» Kessler bestätigt, dass Subventionen gerade im Gebäudebereich wohlhabendere Menschen bevorzugen.
Selbst Politiker, die sich letztes Jahr stark für das Klimagesetz engagiert haben, räumen ein, dass der Einsatz von Steuergeldern hier eigentlich suboptimal ist. So sagt GLP-Präsident Jürg Grossen: «Die Grünliberalen hätten es klar vorgezogen, die Klimaziele mit Lenkungsabgaben statt mit Subventionen zu erreichen.» Aber politisch seien dafür über Jahre keine Mehrheiten gefunden worden. «Deshalb haben wir uns halt für die zweitbeste Lösung eingesetzt. Das ist besser als nichts», sagt Grossen.
Ähnlich sieht es FDP-Nationalrat Matthias Jauslin: «Lenkungsabgaben entsprechen viel mehr meiner freisinnigen Auffassung als Förderbeiträge.» Doch realpolitisch sei das aussichtslos gewesen.
Jährlich könnte man fast 400 Millionen Franken sparen
Durch die Streichung der Klimasubventionen liessen sich gemäss den Experten jährlich fast 400 Millionen Franken Steuergelder sparen. Dennoch hat bis jetzt keine Partei den Mut, auf den Beschluss zum Klimagesetz zurückzukommen und die Subventionen zu streichen. Die einen argumentieren, das Volk habe letztes Jahr Ja gesagt, und man müsse jetzt den Volkswillen hochhalten. Andere sind überzeugt, dass sich die viel effizienteren Lenkungsabgaben nicht durchsetzen liessen. Im Klimagesetz wird neben den Subventionen auch festgelegt, in welchem Jahr die Schweiz ihren CO₂-Ausstoss um wie viel gesenkt haben muss.
Schuld, dass die wissenschaftlich gesehen unsinnigen und unsozialen Subventionen überhaupt in den Gesetzentwurf einflossen, sind je nach Perspektive die SP oder die SVP. SP-Fraktionschef Roger Nordmann hatte 2022 in der durch den Ukraine-Krieg verursachten Energiekrise die Gunst der Stunde genutzt und auf allen Kanälen für höhere Heizungszuschüsse geworben, bis sie im Sinne eines Kompromisses den Weg ins Klimagesetz fanden.
Indirekt hat auch die SVP dazu beigetragen, dass die Subventionen beschlossen wurden. Sie bekämpfte 2021 erfolgreich das CO₂-Gesetz, das höhere CO₂-Lenkungsabgaben vorgesehen hatte. Ihr Argument: Familien und der Mittelstand würden durch höhere Öl- und Benzinpreise zu stark belastet. Die Subventionen im Klimagesetz – welche die SVP ebenfalls bekämpfte – wurden dann von Politikern als Alternative zu den gescheiterten Lenkungsabgaben eingebracht.
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