Mamablog: Gesellschaft der ErwachsenenKinder, zeigt euch!
Die Kleinsten werden im öffentlichen Raum oft als Störfaktor wahrgenommen. Was soll das? Ein Plädoyer für mehr Freiraum für unsere Kinder.
Liebe Kinder, manchmal fehlt ihr mir. In Restaurants, im Bus, auf Quartierstrassen: Ich habe das Gefühl, ihr taucht in der Öffentlichkeit immer weniger auf. Ich glaube, das liegt nicht an euch – sondern an uns Erwachsenen. Ich glaube, wir halten es nicht mehr so gut aus, wenn ihr als Babys mal weint, als Kleinkinder Tobsuchtanfälle habt, als Schulkinder Bälle herumkickt und als Jugendliche abhängt.
Die Erwachsenenwelt findet lieber ohne euch statt, und wenn, dann solltet ihr möglichst angepasst, brav und ruhig sein. Zur Not auch mit einem Handy in der Hand, Hauptsache ihr seid still. Es gibt ja Spielplätze, mag man euch sagen, Pausenplätze und Kleinkindtreffs, dort könnt ihr euch doch austoben!
«Das sollte nicht einreissen»
Erst kürzlich wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, dass Kinder als Störfaktor empfunden werden. Mein Göttibub hatte eine Freestyle-Rampe zum Geburtstag bekommen. Wir haben sie auf einem Platz neben einer wenig befahrenen Quartierstrasse aufgestellt, auf der allerdings auch ab und zu ein Lastwagen vorbei muss. Sofort waren wir umzingelt von einer Handvoll Kinder, die ebenfalls Lust hatten, ein bisschen Kickboard zu fahren.
Ich stellte mich an eine übersichtliche Ecke und meldete jeweils, wenn ein Auto angefahren kam. Alle Kinder – es waren Zwei- bis Zehnjährige dabei – hielten sich intuitiv an die Regel, in diesem Fall sofort Platz zu machen. Wir hatten eine Menge Spass. Ich wurde allerdings auch zweimal daran erinnert, dass wir nicht besonders erwünscht waren. Es sei «nicht ideal» oder «das sollte nicht einreissen» waren die Kommentare aus dem angrenzenden Büro, die in den zwei Stunden Spielzeit fielen.
Wessen Bedürfnisse haben Priorität?
Mir ist schon klar, dass wir in unserer Welt immer mehr Verkehr haben und die Gefahren damit zunehmen. Deshalb war ich ja dabei und habe mitgeholfen, die paar Autos sicher passieren zu lassen. Ich frage mich aber: Warum geben wir unseren Bedürfnissen als Erwachsene immer Priorität? Warum gibt es nicht mehr Spielraum für die Kinder? Und ich spreche nicht von extra für Kinder gebauten Arealen, sondern von öffentliche Zonen, die sie auch für sich beanspruchen dürfen. Ist es denn wirklich so schlimm, wenn einmal ein Ball an ein Fenster knallt, der Büroalltag von einem Kinderlachen gestört wird oder sich jemand beim Rennen das Knie aufschlägt?
Für mich gehört dieser Freiraum zu einer gesunden Kindheit dazu – und ich finde wirklich, wir sollten ihn unserem Nachwuchs wieder mehr zugestehen. Denn es ist niemand anderes als wir Grossen, die in ein paar Jahren mit mündigen, eigenständigen und mutigen jungen Erwachsenen kommunizieren möchten. Wenn wir jeden Schritt vorgeben, wenn der Rahmen und die Bewegungsfreiheiten zu eng sind, werden diese kaum lernen, selbständig zu handeln.
Nur keine Angriffsfläche bieten
Die schleichende Unsichtbarkeit der Kinder stelle ich aber nicht nur im öffentlichen Raum fest, sondern auch in unseren Köpfen. Gespräche über Kinder und Familie sind klar verortet: Frau führt diese in der Regel mit anderen Müttern auf Spielplätzen, im Schwimmkurs, innerhalb der eigenen Familie.
Das merke ich an mir persönlich: Bei geschäftlichen Kontakten meide ich das Thema Kinder, wenn es nicht von meinem Gegenüber direkt angesprochen wird. Es wirkt unprofessionell, wenn ich jetzt eine entsprechende Bemerkung mache, denke ich. Ausserdem schaffe ich damit nur Angriffsfläche! Ein Kommentar über eine Nacht mit wenig Schlaf könnte meine Konzentrationsfähigkeit infrage stellen.
Nur schon zu erwähnen, dass ich drei Kinder habe, führt zu grossen Augen beim Gegenüber und der (meist unausgesprochenen) Frage: Schafft die das oder fällt sie ohnehin demnächst aus? Wenn ich anstelle des anstehenden «Termins» zugeben würde, dass ich die Tochter vom Kindergarten abhole, sind vielleicht Prioritäten falsch gesetzt und sowieso – da haftet doch schnell das Image der Hausfrau an, die nebenbei noch ein bisschen was arbeitet.
Auf diese Weise verschwinden die Kinder schnell hinter der Fassade der Privatsphäre und nehmen kaum noch teil am öffentlichen Leben. Das führt dazu, dass zwischen Beruf und Familie eine Mauer hochgezogen wird; das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Dabei wäre es doch einfacher, wenn das Leben nicht so zweigeteilt stattfinden würde. Wenn ein Kind auch öfter im Büro hereinschauen dürfte oder der anstehende Abholtermin die gleiche Wichtigkeit hätte wie ein Businessmeeting. Ich glaube: Ein bisschen mehr Kinder in unseren Dörfern und Städten, aber auch in unseren Köpfen, täte uns allen gut.
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