Kommentar zu «Kinder ohne Tabak»Die Tabaklobby setzt sich durch
Das Parlament streitet über Ausnahmen vom Werbeverbot, statt die Volksinitiative umzusetzen. Als Speerspitze der Tabaklobby agiert die SVP.
Mit 57 Prozent hat das Volk vor zwei Jahren dem Verbot von Tabakwerbung zugestimmt, sofern diese für Kinder und Jugendliche ersichtlich ist. Damit war der Auftrag ans Parlament klar: Für Zigaretten und neuere Produkte wie Vapes und E-Zigaretten darf nirgends mehr geworben werden, wo sich unter 18-Jährige aufhalten.
Doch der Nationalrat konnte sich am Donnerstag nicht auf die Umsetzung des Volksentscheids einigen, sondern stritt über Schlupflöcher für die Tabakindustrie.
Diese hat im Vorfeld bei den bürgerlichen Ratsmitgliedern erfolgreich für Ausnahmeregelungen geworben. Mehrere dieser Bestimmungen hat das Bundesamt für Justiz einer juristischen Prüfung unterzogen und sie als verfassungswidrig taxiert. Dennoch sollen diese Ausnahmen nun im Gesetz stehen.
So soll mobiles Verkaufspersonal in der Öffentlichkeit weiterhin Tabak- und andere nikotinhaltige Produkte verkaufen dürfen. Doch die Präsenz von Promotionspersonal dort, wo sich auch Jugendliche aufhalten, erzielt genau jene Werbewirkung, die die Initiative verbietet.
Bereits im Abstimmungsbüchlein hielt der Bundesrat zudem fest, dass Tabaksponsoring untersagt werden müsse, wenn an den Anlässen auch Minderjährige teilnähmen. Doch die bürgerliche Mehrheit will der Tabakindustrie eine Hintertür offen lassen: In geschlossenen, neutral gestalteten Party- und VIP-Zonen, die nur über 18-Jährige betreten können, darf sie weiterhin ihre Produkte anpreisen und einen privilegierten Blick auf die Konzertbühne bieten oder Treffen mit Stars ermöglichen. Selbst wenn die Jugendlichen keinen Zutritt haben, erfahren sie von der Präsenz des Tabaksponsors und dessen verlockenden Angeboten auf dem Festivalgelände.
Noch ist ungewiss, ob sich das Parlament überhaupt auf eine Umsetzung der Initiative «Kinder ohne Tabak» einigt. Denn die SVP, die sonst immer auf die strikte Umsetzung des Volkswillens pocht, fordert noch mehr Ausnahmen. Gleichzeitig verlangt die Linke die strikte Umsetzung des Volkswillens, sodass das Gesetz im Nationalrat scheiterte. Nun ist wieder der Ständerat an der Reihe. Dieser muss sich entscheiden, ob er der Tabaklobby noch mehr nachgibt oder sich doch auf die Respektierung des Volkswillens besinnt.
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